• 14. April 2019 · 09:45 Uhr

GP China 2019: Mercedes dominiert, Ferrari diskutiert

Die umstrittene Teamorder bei Ferrari überschattet den souveränen Doppelsieg von Mercedes in Schanghai - Mattia Binotto: "Wenn Charles sauer ist, dann mit Recht"

(Motorsport-Total.com) - Drittes Rennen, dritter Mercedes-Doppelsieg: Lewis Hamilton hat den 1.000. WM-Lauf der Formel-1-Geschichte in Schanghai gewonnen und gleichzeitig die Führung in der Fahrerwertung 2019 übernommen. Der amtierende Weltmeister gewann den Grand Prix von China vor Valtteri Bottas und Sebastian Vettel (Ferrari).

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Valtteri Bottas, Sieger Lewis Hamilton und Sebastian Vettel auf dem Podium Zoom Download

Gesprächsthema Nummer 1 war aber die Stallorder bei Ferrari. Vettel hatte den Start gegen Charles Leclerc verloren und war auf Rang vier zurückgefallen. In Runde 11 dann die Ansage: "Charles, lass Sebastian vorbei!" Was der tragische Held von Bahrain, der schon vor zwei Wochen seine Probleme mit der Ferrari-Teamorder hatte, erstmal nicht goutierte: "Aber ich komme doch gerade, ich ziehe weg!"

Als Vettel dann vorne lag, ließ ihn Leclerc, der jetzt den DRS-Vorteil auf seiner Seite hatte, nicht wegziehen. "Und jetzt was?", wollte er von seinem Renningenieur wissen. Vettel verbremste sich wenig später auch noch in der Haarnadel - ein Zeichen dafür, dass er auf der allerletzten Rille fahren musste, um den Abstand auf Leclerc konstant zu halten.

"Wenn Charles sauer ist, dann mit Recht", räumt Ferrari-Teamchef Mattia Binotto ein. Schließlich hat man dessen Rennen vom Kommandostand aus komplett sabotiert. Zuerst mit der Teamorder, dann mit einem zu späten ersten Boxenstopp, der ihn hinter Max Verstappen (Red Bull) zurückwarf. Und dann auch noch mit der vergeudeten Chance, im Finish noch einmal zu stoppen und wenigstens den Bonuspunkt für die schnellste Runde zu holen.

Vettel gibt zu: Keine Chance gegen Leclerc

Leclerc vermutet auch in seinem späten zweiten Boxenstopp ein Komplott: "Für mich sah es so aus, als sei die Idee dahinter gewesen, einen Mercedes aufzuhalten", sagt der Youngster, der kurzzeitig zwischen Hamilton und Bottas an zweiter Stelle lag, als Verstappen mit seinem zweiten Boxenstopp eine Kettenreaktion auslöste, die alle dazu ermunterte, noch einmal Reifen zu wechseln.

Vettel gibt zu, dass er in den ersten zehn Runden "alles probiert" hat, um Leclerc aus eigener Kraft zu überholen, aber: "Ich hatte aber nie wirklich eine Chance." Als er dann einmal vorbei war, so behauptet er, war der Rhythmus weg: "Ich hatte ein paar Verbremser, da habe ich meinen Vorsprung wieder verloren."

Dass Leclerc über den aus seiner Sicht äußerst unglücklichen Rennverlauf nicht gut zu sprechen ist, versteht sich von selbst. Er drückt sich aber diplomatisch aus, wenn er sagt: "Ich muss erst das Gesamtbild verstehen und mit den Ingenieuren sprechen. Dann kann ich es hoffentlich nachvollziehen."

Eines ist jedoch klar: "Es ging nicht darum, einem Fahrer einen Vorteil zu verschaffen", betont Binotto. Sondern: "Mercedes war in der Phase schneller. Wir wollten einfach sehen, ob Sebastian mithalten kann." Dass er jetzt die Gemüter beruhigen muss, leuchtet ihm ein: "Ich verstehe Charles."

Verrückt: Jedes Rennen dominiert ein anderes Team

Mit dem Sieg hatte Ferrari heute nichts zu tun. Es ist schon verrückt: Zuerst dominiert Ferrari die Wintertests, dann Mercedes in Australien. In Bahrain dominiert wieder Ferrari, in China Mercedes. Aber am Ende zählen die Punkte, und da stehen für Mercedes nach drei Rennen drei Doppelsiege auf der Habenseite.

"Das hat uns selbst überrascht", sagt Teamchef Toto Wolff über die glänzende Vorstellung vor den Augen von Vorstandschef Dieter Zetsche, der für das 1.000. Formel-1-Rennen angereist kam. "Das Rennen so zu kontrollieren, ist super." Ein "besonders stolzer Moment" sei der Doppelstopp in Runde 36 gewesen, denn "da kannst du auch alles verlieren".

Mercedes hatte eigentlich gar keine Not, die beiden gleichzeitig zum zweiten Stopp reinzuholen, denn der Vorsprung war groß genug. Die Boxencrew exekutierte den Doppelstopp aber perfekt und ohne nennenswerten Zeitverlust für Bottas, sodass der Doppelsieg zu keinem Zeitpunkt gefährdet war.

Entschieden wurde das Mercedes-Duell, da sind sich alle einig, "schon am Start", analysiert Wolff. Er glaubt: "Valtteri hatte den Speed, das Rennen zu gewinnen." Polesetter Bottas ärgert sich: "Ich hatte Wheelspin, als ich über die Start-Ziel-Linie direkt vor meiner Startbox gefahren bin. Da habe ich es verloren. Sonst war das Auto gut."

Am Ende hatte Hamilton 6,6 Sekunden Vorsprung auf Bottas und 13,7 auf Vettel. Im Finish hätte Ferrari noch versuchen können, Leclerc den zweiten Boxenstopp zu ersparen und mit dem Hard zu versuchen, vor Verstappen ins Ziel zu kommen. Stattdessen holte man ihn ein zweites Mal rein, sodass Verstappen den vierten Platz sicher hatte.

Red Bull an dritter Position festgenagelt

Aber Red Bull war in Schanghai erneut nur dritte Kraft. "Mehr war nicht drin. Wir haben den Undercut gegen Ferrari probiert. Aber wir hatten einfach nicht die Pace", seufzt Verstappen. Dass Pierre Gasly (6.) den Bonuspunkt für die schnellste Runde verbuchen konnte, ist Augenauswischerei. Ohne einen Reifenwechsel in der 54. von 56 Runden hätte er keine Rolle gespielt.

Eine der spannenderen Szenen: In Runde 19, unmittelbar nach dem ersten Boxenstopp, bremste sich Verstappen vor der Haarnadelkurve an Vettel vorbei - nur um kurz darauf gleich wieder ausgekontert zu werden. "Ich kenne Max", grinst Vettel und hat dabei wohl 2018 im Hinterkopf, als die beiden dort kollidiert sind. "Ich wusste, dass er innen kommen wird. Dann habe ich gekontert. Hat funktioniert!"

Doch vorne waren die Positionen bezogen. Verstappen glaubt sogar: "Vettel hätte mich sowieso wieder überholt." Etwas spannender war es im Mittelfeld. "Best of the Rest" diesmal: Daniel Ricciardo (7.). Der Renault-Pilot holte mit einer fehlerfreien Leistung seine ersten WM-Punkte 2019.

Teamkollege Nico Hülkenberg hingegen schied erneut aus. Nach einem mäßigen Start wurde der Deutsche auch noch von Kimi Räikkönen (Alfa Romeo) überholt, ehe er früh zum Reifenwechsel kam und auf Rang 16 zurückfiel. Nur ein paar Runden später gab er das Rennen auf. Im Verdacht: die MGU-K.

Räikkönen zeigt die besten Überholmanöver

Räikkönen (9.) war einer der auffälligeren Piloten. Er schnappte sich Hülkenberg und Kevin Magnussen (Haas), blieb lange draußen und kam knapp hinter Magnussen wieder auf die Strecke. Mit dem Dänen machte er ebenso kurzen Prozess wie kurz darauf mit Romain Grosjean. Letztendlich reichten seine Reserven nicht mehr aus, um auch noch Sergio Perez (Racing Point) zu überholen.

Die Dreierkollision zwischen Lando Norris (McLaren), Daniil Kwjat (Toro Rosso) und Carlos Sainz (McLaren) sorgte ebenfalls für Diskussionen. 'ORF'-Experte Alexander Wurz versteht nicht, dass Kwjat dafür mit einer Durchfahrtstrafe belegt wurde: "Speziell unter dem Slogan 'Let them race', den sich die FIA selbst auferlegt hat, ist das zu hart bestraft. Ich finde, man muss fast mehr Sainz die Schuld geben. Er hat sein Vorderrad da reingestellt."

Für Kwjat begann damit ein bitterer Nachmittag, denn später fiel er nach einem Tausch des Frontflügels ganz nach hinten. Dafür konnte sein Teamkollege glänzen: Alexander Albon, in der Startaufstellung wegen seines Trainingscrashs am Samstag Letzter, kämpfte sich bis auf Platz zehn nach vorne und holte zum zweiten Mal WM-Punkte.

Und sonst? Haas ging zum zweiten Mal hintereinander leer aus. McLaren konnte sich von der Startkarambolage nicht mehr erholen. Und die beiden Williams wurden zweimal überrundet. Robert Kubica büßte in den 56 Runden 16,1 Sekunden auf George Russell ein. Und drehte sich schon in der Aufwärmrunde. Da war er in prominenter Gesellschaft, denn Verstappen unterlief das gleiche Malheur ...

In der Fahrer-WM führt nun Hamilton (68 Punkte) vor Bottas (62), Verstappen (39), Vettel (37) und Leclerc (36). Bei den Konstrukteuren hat Mercedes nach drei Doppelsiegen schon 57 Punkte Vorsprung auf Ferrari.

Weiter geht's in zwei Wochen (28. April) mit dem Grand Prix von Aserbaidschan in Baku.

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