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Jetzt wird's für Sebastian Vettel richtig schwierig: Lewis Hamilton gewinnt den Grand Prix von Japan und baut seinen Vorsprung in der WM auf 59 Punkte aus. Bei 100 noch zu vergebenden Punkten "ein Riesenschritt", wie Niki Lauda sagt.
Ferrari erlebt nach Singapur und Malaysia das dritte Katastrophen-Wochenende auf der Asien-Tournee. Das Drama nimmt seinen Anfang mit dem Crash von Kimi Räikkönen im Freien Training. Dieser erfordert einen Getriebewechsel und eine Strafversetzung um fünf Positionen. Diese stand bei Valtteri Bottas schon vorher fest.
Unwiderstehlich, wie Hamilton zu seiner ersten Pole in Suzuka fährt und damit den Streckenrekord von Michael Schumacher aus dem Jahr 2006 unterbietet! Bottas wird Zweiter. Und trotzdem steht Vettel neben seinem WM-Rivalen in der ersten Reihe, obwohl er nur die drittbeste Zeit erzielt. Rückstand: 0,5 Sekunden.
Bereits vor dem Start zeichnet sich ein Problem am Vettel-Ferrari ab. Eine Zündkerze wird als Fehlerquelle identifiziert. Die Bilder erinnern an Malaysia, ein Ferrari-Sprecher gibt Entwarnung: Reine Sicherheitsmaßnahme. Noch bitterer: In der Hektik bleibt Vettel der Hymnen-Zeremonie fern - und kassiert dafür eine Verwarnung.
Vettel erwischt den besten Start, aber beim Beschleunigen verliert er mangels Power ein paar Meter auf Polesetter Hamilton. Daniel Ricciardo fällt von Platz drei hinter Max Verstappen und Esteban Ocon zurück. Und hat das gleiche Problem wie in Malaysia: Verstappen fährt ihm davon, während er ein langsameres Auto vor sich hat.
Noch in der ersten Runde quetscht sich Verstappen mit einem Überraschungsangriff in der Haarnadel an Vettel vorbei. Während Vettel schon dämmert, dass sein Arbeitstag nicht mehr lange dauern wird, wundern sich die Fans vor den TV-Schirmen, warum er sich so einfach überrumpeln lässt.
Noch bevor das Safety-Car auf die Strecke kommt, nimmt das Ferrari-Drama seinen Lauf: Vettel wird binnen weniger Sekunden von Ocon, Ricciardo und Bottas überholt, wenig später auch noch von Perez. Dann der desillusionierende Funkspruch von Renningenieur Riccardo Adami: "Retire the car!"
Der Grund für die zwei Runden hinter dem Safety-Car ist der ungewohnt stümperhaft anmutende Abflug von Carlos Sainz in seinem letzten Rennen für Toro Rosso. Wirklich nur Zufall, dass sein neuer Arbeitgeber Renault direkter Gegner in der Konstrukteurs-WM ist? Ein Schelm, wer Böses dabei denkt ...
In der elften Runde knackt Ricciardo endlich Ocon. Sein Rückstand auf Verstappen beträgt zu diesem Zeitpunkt schon 8,5 Sekunden. Es dauert nicht lang, dann ist auch Bottas durch. Praktisch für den Werks-Mercedes, wenn der Gegner ein Kunden-Mercedes ist.
Räikkönen geht in Runde 13 an Felipe Massa vorbei und ist jetzt Siebter. Wenig später legt er sich Sergio Perez zurecht. Dann biegt der vor ihm liegende Ocon an die Box ab. Damit liegt der "Iceman" auf dem fünften Platz, den er auch ins Ziel bringt.
An der Spitze baut Hamilton mit den Supersofts im ersten Stint seinen Vorsprung sukzessive aus: 2,1 Sekunden nach sieben Runden, 5,8 nach 20 - bis Verstappen an die Box kommt. Red Bull probiert's mit dem Undercut, aber Mercedes zieht schon eine Runde später nach. Neuer Abstand: 1,3 Sekunden.
In Runde 28 beschwert sich Hamilton, dass die "dirty Air" von Bottas (der noch nicht an der Box war) ihn bremst und seine Vorderreifen kaputt macht. Mercedes reagiert in Runde 28, Bottas winkt Hamilton vorbei. Hamiltons Vorsprung auf Verstappen wächst mit Puffer Bottas binnen drei Runden von 0,9 auf 3,2 Sekunden. Teamtaktik!
Doch Verstappen, auf den Softs plötzlich pfeilschnell, ist nicht geschlagen: Während Hamilton über Vibrationen klagt, von denen sein Team nach dem Rennen nichts hören will, rückt der Red Bull in Schlagdistanz. In der vorletzten Runde ist Verstappen dran, ...
... scheitert aber letztendlich knapp. "Ich hatte keinen Grip", erklärt Hamilton im Podium-Room. Und Verstappen vermutet: "Du hattest Probleme, wenn jemand vor dir war, oder?" Gleichzeitig gesteht der Geschlagene: Auch ohne Störfeuer durch die Überrundeten hätte er eher nicht gewonnen.
Viele fragen sich: Hätte Verstappen gewonnen, wenn er nicht von Massa und Fernando Alonso aufgehalten worden wäre? Die beiden Ex-Teamkollegen fighten in der letzten Runde verbissen und vergessen dabei, in den Rückspiegel zu schauen. Alonso wird Elfter und verpasst einen WM-Punkt, holt sich aber eine FIA-Verwarnung ab.
Das nächste Kapitel im teaminternen Streit bei Force India. "Darf ich Esteban überholen?", fragt Perez im Kampf um Platz sechs. Antwort: "Nein." Kevin Magnussen, der zuvor bei einem Überholmanöver gegen Massa brilliert hat, wird Achter, Romain Grosjean Neunter. Und Pascal Wehrlein 15. und Letzter.
(Motorsport-Total.com) - Lewis Hamiltons Sieg beim Japan-Grand-Prix am Sonntag war souverän - auch dank drei Wegbereitern, die ihm beim Einfahren des achten Saisonerfolges mehr oder weniger freiwillig unter die Arme gegriffen hatten. Die Rede ist von den Schlafmützen Fernando Alonso und Felipe Massa, die Max Verstappen am Ende aufhielten und einen Angriff verhinderten, sowie von Teamkollege Valtteri Bottas: Der formschwache Finne hatte einmal mehr den Wasserträger für Hamilton zu spielen.
So passiert in Runde 28 in Suzuka, als Hamilton und Verstappen den Boxenstopp absolviert hatten und sich anschickten, Bottas (noch ohne Reifenwechsel) zu überholen. Mit älteren Soft-Pneus war er langsamer als die Spitzenreiter mit frischen Gummis der gleichen Mischung. Brav machte Bottas vor der Schlussschikane für den anderen Silberpfeil Platz, um dem Red Bull die Türe zuzuschlagen und drei Umläufe lang bis zu seinem eigenen Stopp vor ihm herzufahren. Ein Blockade-Manöver?
Toto Wolff winkt ab: "Er hat den Bremsklotz nicht reingehauen. Wir waren unser eigener Bremsklotz. Lewis ist relativ lange hinter Valtteri hergefahren und hat dabei Reifentemperatur und Grip verloren. Das hat Max aufholen lassen." Die Aussage des Sportchefs lässt sich mit Zahlen untermauern: Bereits in Runde 25 befand sich Hamilton im kritischen Zwei-Sekunden-Fenster hinter Bottas, in dem die Luftturbulenzen Abtrieb kosten und dafür sorgen, dass die Reifen mehr leiden.
In dieser Phase dampfte Verstappen seinen Rückstand von 1,8 auf 0,7 Sekunden ein, ehe Bottas vor ihm aufkreuzte. Nach der Aktion fehlten ihm wieder 3,1 Sekunden. Wolff wehrt sich gegen den Vorwurf einer Aktion mit Geschmäckle: "Dass du dich danach einordnest, ist ziemlich normal", nimmt er Bottas in Schutz, als es darum geht, ob der Finne absichtlich noch langsamer gefahren sei.
Unglücklich - manche mögen formulieren Slapstick - ist, dass Mercedes' Team-Aufsichtsrat Niki Lauda das Gegenteil behauptet und eine Stallregie offen einräumt: "Warum soll man nicht, wenn man kann?", zuckt der Österreicher mit den Schultern und fragt eine TV-Journalistin schmunzelnd: "Würdest du es nicht anders machen?" Auch Ex-Mercedes-Pilot Nico Rosberg hat die Szene so interpretiert: "Es war für ihn zu diesem Zeitpunkt sehr schwierig, auf das Podium zu kommen. Deshalb hat Mercedes ihn ein bisschen benutzt, um Lewis ein bisschen mehr Freiraum zu geben."
Lauda betont, dass sich Bottas gegen die Teamorder, die im Fernsehen nicht als Funkspruch übertragen wurde, nicht gewehrt hätte: "Im Gegenteil. Er ist ein Teamplayer. Mehr war für ihn sowieso nicht drin." Daniel Ricciardo, so glaubt der Mercedes-Verantwortliche, wäre für Bottas auch ohne den Zeitverlust bei der Hamilton-Rochade nicht zu knacken gewesen: "Er hat zum Schluss versucht, auf den dritten Platz zu kommen - es ging leider nicht. Wir haben alles richtig gemacht."
Bottas, der als Vierter ins Ziel kam, sieht die Sache anders. Er lobt die Taktik, nach der Strafversetzung in der Startaufstellung auf Soft loszufahren, schweigt aber lieber zum Thema Teamorder: "Die Strategie war gut und hat uns Möglichkeiten im Rennen eröffnet", so der Finne. "Schade, dass es nicht so geklappt hat, wie wir gehofft haben. Am Red Bull bin ich am Schluss nicht vorbeigekommen. Ich war nahe dran und ich war schnell, aber mir sind die Runden ausgegangen."