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2008, 2014, 2015, 2016, 2017: Lewis Hamilton feiert seinen fünften Sieg in Silverstone, seinen vierten hintereinander, und zieht beim britischen Grand Prix mit UK-Legende Jim Clark gleich. Vergessen sind alle Diskussionen um seinen Party-Urlaub auf Mykonos. Wie er gewonnen hat? Jetzt durch die 16 besten Highlight-Fotos klicken!
Das Wochenende beginnt mit einer Premiere: Sebastian Vettel testet im Freitagstraining den neuen Copckpitschutz "Shield" zum ersten Mal - und meckert. Die Sicht sei so verzerrt, dass einem davon schwindlig werde, sagt er. Dabei fährt er nur seine Installation-Lap mit dem gewöhnungsbedürftigen Prototypen.
Was für eine Runde: Mit einer halben Sekunde Vorsprung auf Kimi Räikkönen sichert sich Hamilton die 67. Pole seiner Karriere - jetzt fehlt nur noch eine auf Schumacher! Allerdings muss er wegen Behinderung von Romain Grosjean erst eine FIA-Untersuchung überleben. Das WM-Duell spitzt sich weiter zu.
Hamilton darf die Pole behalten, erwischt den besten Start; dahinter aber kommt Vettel eher schleppend weg. Vielleicht wegen der qualmenden Bremsen, die erst im Fahrtwind der ersten Runde wieder abkühlen? Der Ferrari-Star liefert sich über mehrere Kurven ein sehenswertes Duell mit Max Verstappen um P3, ...
... das der Niederländer am Ende für sich entscheidet. Dahinter schnappt sich Esteban Ocon den fünften Platz von Nico Hülkenberg. Aber nur kurzzeitig: Bei Stowe ist der gelbe Renault schon wieder am rosaroten Force India vorbei. Mit einem gekonnten Kraftakt.
Die Toro-Rosso-Kollegen Carlos Sainz und Daniil Kwjat sind über ihren Crash in Becketts geteilter Meinung. Für die Rennkommissare ist der Fall klar: Durchfahrtstrafe für den Russen, der am Ende 15. wird. Für Sainz könnte der Ausfall der letzte Auftritt als Red-Bull-Fahrer gewesen sein, ...
... angeblich könnte er schon in Ungarn im Renault sitzen. Und zwar statt Jolyon Palmer, bei dem zum Unvermögen auch noch Pech hinzukommt. Ausgerechnet beim Heim-Grand-Prix rollt er nach solidem Qualifying schon in der Aufwärmrunde aus. Das Startprozedere muss unterbrochen werden, es gibt eine zweite Aufwärmrunde.
Indes beginnt Valtteri Bottas, nach Getriebestrafe von P9 gestartet, seine Aufholjagd. Der Reihe nach greift er sich Vandoorne, Perez (schon am Start), Ocon (Runde 5) und Hülkenberg (Runde 7). An der Spitze hat Hamilton jetzt 2,0 Sekunden Vorsprung auf Räikkönen und 4,3 auf das Duo Verstappen/Vettel.
Harter Kampf um P16: Pascal Wehrlein drückt sich mit der Brechstange an Teamkollege Marcus Ericsson vorbei, der prompt am Sauber-Boxenfunk petzt. Die Strafe folgt zugleich, als Wehrlein Leistungsverlust melden muss. Am Ende spielen die beiden keine Rolle in der Vergabe der Punkte.
In der 13. Runde reißt Vettel der Geduldsfaden: Weil sein Rückstand auf Hamilton auf über zehn Sekunden angewachsen ist, schert er vor Stowe neben Verstappen aus ...
... und drängt den Red Bull neben die Strecke. Aber wer denkt, dass Verstappen klein beigibt, kennt den 19-Jährigen schlecht. Er bleibt auch in der Auslaufzone voll auf dem Gas und entzückt das britische Publikum zu Jubelstürmen. So sieht echtes Racing aus!
Verstappen kann den dritten Platz tatsächlich halten. "Will er Autoscooter spielen, oder wie?", fragt er sich am Boxenfunk. Vettels Reaktion wird erst später eingespielt. Er sieht die Schuld bei Verstappen: "Das war ein weiterer Spurwechsel auf der Bremse!"
Die Crew von Leader Hamilton wechselt indes von Supersoft auf Soft, und zwar in überragenden 2,3 Sekunden. Plötzlich führt er vor Bottas, der, auf Soft gestartet, einen langen ersten Stint fährt. Und wenn's darum geht, Vettel Punkte wegzunehmen, wird Hamilton plötzlich barmherzig: "Ich ziehe Valtteri", funkt er.
Weiter hinten bahnt sich Daniel Ricciardo, nach Komponentenwechseln aus der letzten Reihe gestartet, den Weg durch das Feld. Im Finish schnappt er sich zuerst die beiden Force Indias, dann Kevin Magnussen. "Wer ist der Nächste?", fragt er trocken. Es ist Hülkenberg. Der wegen eines Hybrid-Problems kaum Gegenwehr leisten kann.
Mit den um 14 Runden frischeren und weicheren Reifen vernichtet Bottas innerhalb von neun Runden 5,5 Sekunden Rückstand auf Vettel. Der kann den ersten Angriff noch abwehren, allerdings nur mit stehenden Rädern. Beim zweiten schlüpft der Mercedes-Finne durch. Eine Situation mit Folgen?
Denn in den letzten drei Runden spielen sich um Ferrari wahre Dramen ab. Zuerst kommt Räikkönen mit (gar nicht mehr so) schleichendem Plattfuß an die Box und verliert Platz zwei an Bottas und Vettel. Versteckte Stallorder? Doch dann wird plötzlich auch Vettel mit Reifenschaden links vorne langsam! Der Deutsche fällt auf P7 zurück.
Silverstone bebt: Hamilton gewinnt den britischen Grand Prix und verkürzt den Rückstand in der WM nach dem dramatischen Finale auf einen einzigen Punkt. Spannender könnten die Voraussetzungen bei Halbzeit kaum sein. Und selbst Bottas liegt mit 23 Zählern Rückstand in Reichweite.
(Motorsport-Total.com) - Damit, dass zwei Mercedes-Piloten Hand in Hand arbeiten, wäre in der vergangenen Formel-1-Saison kaum zu rechnen gewesen. Anders beim Großbritannien-Grand-Prix in Silverstone am Sonntag, als Lewis Hamilton und Valtteri Bottas zu ihrem erst zweiten Doppelerfolg brausten. Sportchef Toto Wolff schwärmt von dem Teamwork der Fahrer: "Das war super." Die Schlüsselszene war Runde 27, als der Brite nach seinem Boxenstopp unmittelbar vor seinem Stallgefährten auf die Bahn kam.
Bottas, der mit 30 Umläufe alten Soft-Reifen um seine Chancenlosigkeit gegen das Schwesterauto mit frischen Pneus wusste, nutzte seinen Geschwindigkeitsüberschuss nicht für ein heikles Überholmanöver. Er blieb am Heck - und Hamilton wollte ihm helfen. "Ich ziehe ihn", funkte er zum Entzücken Wolffs und erkundigte sich noch, welche Rundenzeiten Bottas brauchen würde. Denn mit einem Auge war der spätere Sieger beim Teamkollegen: "Ich habe auf den TV-Leinwänden an der Strecke gesehen, wie Valtteris Rennen lief", berichtet Hamilton, der dafür genug Zeit hatte.
Nach gutem Start zog er an der Spitze vor Kimi Räikkönen (Ferrari) einsam seine Kreise. "Ich habe meinen Vorsprung Stück für Stück ausgebaut", sagt Hamilton, der nach 23 Runden ein Polster von über zehn Sekunden hatte. "Dann sah es ordentlich aus. Ich musste nur noch verwalten." Spannend wurde es für den Ex-Champion erst wenige Runden vor Schluss, als seine Reifen - genau wie die der Ferrari - ihren Geist aufzugeben drohten. Es begann das große Zittern im Silberpfeil-Cockpit.
Vom Schicksal Räikkönens und Sebastian Vettels erfuhr Hamilton über Funk und wusste, dass die Roten ihre Softs 25 respektive 32 Runden gefahren hatten - während sein Satz bei 26 Umläufen stand und vorne links ebenfalls den Geist aufgab: "Ich hatte selbst eine Blase und Vibrationen - sie wurden schlimmer. In den letzten zwei oder drei Runden bin ich auf den Geraden nur noch mit Halbgas gefahren." Doch der Gummi hielt und Hamilton schleppte sich über die Ziellinie.
Wolff, der zunächst an einen Schaden durch das Überfahren eines Trümmerteils und nicht an Bläschenbildung glaubte, nennt die Symptome "nicht so dramatisch wie bei Ferrari". Er spricht von extremer Beanspruchung, jedoch von dem Vorteil, mit einem bärenstarken Auto nicht ganz so viel riskieren zu müssen wie Ferrari. Er sah sich nach dem Pech von Aserbaidschan wieder mit Fortuna im Bunde: "Es hat etwas Glück dazugehört, dass es uns nicht so getroffen hat. Aber nach dem uns ein Freak-Vorfall mit der Cockpitumrandung passiert ist ..." Oder war es Können? Im Fall Bottas scheint der Pilot seinen Teil beigetragen zu haben.
Der Finne bilanziert: "Das Reifenmanagement war der Schlüssel für mich." Allen voran auf dem ersten Satz Soft, mit dem er gestartet war und im ersten Renndrittel auf Vettel und Max Verstappen (Red Bull) auflief, die einen Zweikampf austrugen. "Es ein Geduldsspiel", meint Bottas. "Ich musste dagegen kämpfen, dass mein Auto rutscht, ich mich verbremse und mir die Hinterachse ausbricht. Ich musste ruhig bleiben und auf meine Chance warten. Das Team hat mir da super geholfen."
Wolff ist froh, dass mit seinem Schützling nicht die Pferde durchgegangen sind und er sich mit Attacken auf das Duo zurückgehalten hat, obwohl er mehr Druck hätte entfachen können. "Er kannte die Zieltemperaturen der Reifen genau. Sogar als er Sebastian vor sich gesehen hat, hat er nicht versucht, näher zu kommen und es zu übertreiben." Die Kompromissfindung gelang. Sie zahlte sich aus, als er Verstappen per Strategie und Vettel mit frischeren Gummis auf der Strecke kassierte. Räikkönen, so räumt er ein, hätte er trotz der um bis zu eine Sekunde schnelleren Rundenzeiten ohne den Reifenschaden nicht mehr bekommen: "Wir wären sonst zu weit weg gewesen."