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Von Schuldzuweisungen nach dem Hamilton-Problem hält Toto Wolff nichts. Jetzt noch einmal durch die Highlights des Grand Prix von Aserbaidschan klicken!
Verrückter geht's nicht: Daniel Ricciardo (P17 nach Bremsen-Reparaturstopp) gewinnt das Rennen in Baku vor Valtteri Bottas (nach Kollision mit Kimi Räikkönen schon überrundet) und Lance Stroll (laut Jacques Villeneuve schlechtester Rookie aller Zeiten)! Der Grand Prix von Aserbaidschan 2017 ist der Formel-1-Kracher des Jahres.
Und das geht schon am Start los: Polesetter Lewis Hamilton kommt am besten weg, aber dahinter muss Sebastian Vettel ganz schön zusammenschleifen, um nicht zum ersten Mal einem Silberpfeil ins Heck zu rutschen.
Ein paar Meter weiter kommt es dann zur Kollision Bottas vs. Räikkönen, die beiden (vermeintlich) das Rennen kostet. Und Daniil Kwjat rutscht in der ersten Kurve nach außen. Als er zurück auf die Strecke cruist, irritiert das ausgerechnet seinen Teamkollegen Carlos Sainz am meisten: Dreher.
Gleich die ersten Runden machen Lust auf ein tolles Rennen. Wie sich die PS-unterlegenen Sauber- und McLaren-Boliden rundenlange Windschattenschlachten liefern, ist im TV schön anzusehen. Auch wenn es dabei nur um die Positionen 13 bis 16 geht.
Für Hamilton läuft's indes wie am Schnürchen. Gleich in der ersten Runde schüttelt er Vettel um 1,9 Sekunden ab, und als er in der fünften Runde die Muße hat, sich nach dem Rennen von Bottas zu erkundigen, bei inzwischen 3,3 Sekunden Vorsprung, wird klar: Über den Speed ist er nicht zu schlagen.
Um den dritten Platz entwickelt sich gerade ein herzhafter Schlagabtausch zwischen Sergio Perez und Max Verstappen, der aber nur kurz dauert. Denn bei Verstappen steigen die Wassertemperaturen, bis sein Renault-Motor ganz den Geist aufgibt. Es ist sein vierter Ausfall in den letzten sechs Rennen.
Jetzt wittert Force India Morgenluft: Beim ersten Restart (wegen Bergung von Kwjats Toro Rosso) ist Perez drauf und dran, Vettel vor der ersten Kurve aus dem Windschatten zu überlisten. Esteban Ocon schnappt sich Räikkönen und ist hinter Felipe Massa Fünfter. Und Ricciardo wechselt als Einziger auf Supersoft. Eine richtige Entscheidung.
Wegen Teilen auf der Strecke gibt's die nächste Safety-Car-Phase, und jetzt eskaliert das Titelduell: Hamilton nimmt Abstand auf das Safety-Car, Vettel, der möglichst dicht dranbleiben möchte, fährt ihm hinten rein. "He brake-tested me", behauptet er - und wird von den Daten widerlegt. Der Revanche-Rammstoß danach: unsportlich.
Weil über Hamilton und Vettel das Damoklesschwert einer FIA-Untersuchung hängt, hat Force India plötzlich die Chance auf den Doppelsieg in Baku. Aber beim zweiten Restart will Ocon mit zu wenig Reifentemperatur zu viel - und kollidiert mit Perez! Der ist stinksauer und scheidet aus. Ocon rettet zumindest P4.
Was viele nicht mitbekommen: Bottas darf sich zurückrunden. Hamilton beschwert sich über das seiner Meinung nach zu langsame Safety-Car. Und im Paddock rätseln die Experten: Wie drakonisch fällt die Strafe für Vettel aus? "So etwas hat in diesem Sport keinen Platz", sagt Damon Hill. Die zehn Sekunden Stop & Go empfinden viele als mild.
Es ist die Schlüsselszene von Ricciardos Rennen: Beim letzten Restart nach den Roten Flaggen schnappt er sich beide Williams - auch, weil Massa (Stoßdämpfer) zu dem Zeitpunkt bereits mit stumpfen Waffen verteidigt. Wenig später muss der Routinier Hülkenberg durchlassen. "Heute hätte mein Tag sein können", ärgert sich Massa später.
Das nächste Extraklasse-Manöver: Während Hülkenberg gerade an Massa vorbeigeht, schnappt sich Kevin Magnussen kurzerhand beide. Der Haas-Fahrer hat aber nicht den Speed für das Podium. Hülkenberg vielleicht schon - aber der Deutsche will zu viel und kracht bei Kurve 7 in die Mauer.
Indes zeichnet sich an der Spitze ein Drama ab: Hamilton muss widerwillig einen Zusatz-Boxenstopp einlegen, weil sich seine Kopfstütze löst. Mit 340 einhändig zu fahren, um diese zu halten, ist für die FIA nicht diskutabel.
Vettel fällt wegen der Stop-&-Go-Strafe zurück. Plötzlich ist der Ferrari nur noch Siebter, der Mercedes Achter. Als die beiden Ocon überholen und Hamilton dafür eine Runde länger braucht, fällt die Vorentscheidung im Duell. Am Ende wird Vettel Vierter, Hamilton Fünfter. Neuer Abstand in der WM: 14 Punkte.
Während sich die beiden an einem Gegner nach dem anderen vorbeisaugen, liest sich das Zwischenklassement zeitweise völlig surreal: Ricciardo führt vor Stroll, Magnussen und Ocon. Ricciardo darf sich jetzt nur keine Dummheiten mehr erlauben, um zu gewinnen.
Weiter hinten fliegen zwischen den Sauber-Fahrern fast die Fetzen. Aber die Berührung bleibt ohne Folgen, und so holt Pascal Wehrlein als Zehnter den nächsten WM-Punkt. Interessant der Boxenfunk, als er sich erkundigt, ob er Ericsson überhaupt überholen darf.
Auf der Ziellinie kommt es zum Foto-Finish, denn Stroll hat auf den allerletzten Metern nicht den nötigen Speed, um sich Bottas vom Leib zu halten. Die beiden trennen 0,105 Sekunden. Weiter hinten rettet Vettel 0,212 Sekunden vor Hamilton über die Linie. Ein dramatischer Zieleinlauf!
Ob Zweiter oder Dritter ist für Stroll nach dem bisherigen Saisonverlauf sekundär. Er ist jetzt der jüngste Rookie, der jemals auf einem Formel-1-Podium stand. Ricciardo fragt auf dem Podium: "Darf er überhaupt schon trinken?" Und verdonnert den 18-Jährigen zum Zwangs-"Shoey". Stroll lacht: "Ein Schock fürs Leben!"
Der Verlierer des Rennens ist ganz klar Vettel: Während Hamilton es irgendwie schafft, die Contenance zu wahren, lässt es das Ego des Ferrari-Piloten nicht zu, sich den Fehler einzugestehen. Da werden Erinnerungen an Michael Schumacher wach. Und der war bekanntlich Vettels großes Vorbild ...
(Motorsport-Total.com) - Das Mercedes-Team ist dem Grund für den lockeren Kopfschutz am Auto von Lewis Hamilton während des Rennens in Baku noch nicht auf die Schliche gekommen. Man sei noch mit der Fehleranalyse beschäftigt, hieß es am Montagnachmittag. Und man werde das Design und die Abläufe überprüfen, um eine Wiederholung in Zukunft auszuschließen, heißt es auf Anfrage von 'Motorsport-Total.com'.
Klar ist aber, dass in diesem Prozess der Fehlersuche nicht mit dem Finger auf möglicherweise Schuldige gezeigt werden soll. Das würde nicht der Management-Kultur in Brackley, Brixworth und Stuttgart entsprechen. Von TV-Reporter Ted Kravitz am Sonntag in der ersten Emotion über die Kopfstütze interviewt, war Sportchef Toto Wolff in die Luft gegangen - eine Reaktion, um seine Mitarbeiter vor Vorwürfen zu schützen.
"Vorwürfe sind nur allzu menschlich", schreibt das Mercedes-Team nun in einem Beitrag auf seiner offiziellen Website. "Menschen zeigen mit dem Finger auf andere und gehen Verantwortung aus dem Weg. Jemand anderes hat Schuld, nicht man selbst. Und wenn man bestraft wird, dann sollte das jemand anderes auch. Dieses Spiel der Schuldzuweisungen passt überhaupt nicht zu echtem Teamwork."
Fehler würden immer passieren, heißt es weiter. "Entscheidend ist, die Probleme zu lösen. Wir werden die richtigen Lehren ziehen und uns verbessern. Heute (Montag; Anm. d. Red.) beginnt dieser Prozess in der Fabrik in Brackley. Wir werden das Design der Cockpitumrandung analysieren und uns ansehen, welche Verbesserungen wir vornehmen können. Gleichermaßen werden wir unsere Abläufe ansehen, um sicherzustellen, dass sie zukünftig gut genug sind."
"Wir werden mit Ruhe und auf Fakten anstatt auf Mutmaßungen basierend den Finger in die Wunde legen. Wir werden das Problem offen, ehrlich und verantwortlich besprechen. Wir werden die richtigen Lehren daraus ziehen und uns verbessern. Das Eigentor von gestern wird uns dabei helfen, in Zukunft siegreich zu sein. Dieser Prozess stetiger Verbesserungen liegt in der DNS der Formel 1", erklärt das Team.
Hamilton hatte, als die Kopfstütze in Führung liegend locker wurde, zunächst noch versucht, diese mit der Hand festzuhalten oder mit dem Kopf einzuklemmen. Einhändig mit Tempo 340 durch die Stadt Baku zu donnern, das schaute sich die Rennleitung jedoch nicht lange an. Aus Sicherheitsgründen wurde der Brite an die Box geholt. Der Boxenstopp kostete ihn den sicheren Sieg und warf ihn hinter Erzrivale Sebastian Vettel zurück.