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51. Grand-Prix-Sieg: Jetzt ist Lewis Hamilton genauso groß wie Alain Prost! Und 135.026 Zuschauer machen das Autodromo Hermanos Rodrigues zu einem wahren Hexenkessel. In dem explodieren nach dem Rennen die Emotionen. Am meisten bei Sebastian Vettel. Aber der Reihe nach.
Hamilton dominiert das Wochenende zwar nicht gegen Red Bull und Ferrari, aber gegen Nico Rosberg. Der nimmt im Qualifying lange Zeit Kurs auf Platz vier, schiebt sich aber im allerletzten Versuch noch in die erste Startreihe. Hamilton hat sich über andere Pole-Positions schon mal mehr gefreut.
Der lange Weg zur ersten Kurve provoziert einen spektakulären Start: Zuerst verbremst sich Hamilton, bleibt aber trotz seines Ausflugs in die Botanik in Führung, weil er "voll auf dem Pinsel" steht (Zitat: Rosberg).
Unmittelbar dahinter zieht Max Verstappen genau das gleiche Ding ab, muss aber nicht ins Gras, weil er sich stattdessen lieber bei Rosberg anlehnt. Ein grenzwertiges Manöver, besonders gegen einen Titelanwärter, aber die Rennleitung zeigt sich gnädig und spricht keine Strafe aus. Noch nicht.
Für Pascal Wehrlein ist der Grand Prix von Mexiko an 14. Stelle liegend vorbei. Ausgerechnet Lokalmatador Esteban Gutierrez schiebt ihn in der ersten Kurve in den Sauber von Marcus Ericsson hinein. Wehrlein schimpft: "Nicht das erste Mal, dass er es übertreibt." Das Safety-Car kommt auf die Strecke.
Für die WM-Punkte spielen diesmal weder Toro Rosso noch McLaren eine Rolle. Aber das Abdrängen von Carlos Sainz gegen Fernando Alonso in der ersten Runde zieht fünf Sekunden Zeitstrafe nach sich. Während der Safety-Car-Phase fährt Daniel Ricciardo an die Box und wechselt von Supersoft auf Medium, ...
... und der Undercut spült ihn zunächst an Verstappen vorbei. Weil die beiden Red Bulls nach ihrem Boxenstopp hinter Sergio Perez feststecken, bleibt Rosberg Zweiter. Und Verstappen motzt: "Und was jetzt? Ich stecke fest!" Worauf ihn Red Bull per Teamorder an Ricciardo vorbeiwinkt.
Den längsten ersten Stint fährt Vettel, und nach den Mercedes-Boxenstopps zieht er in der ewigen Rangliste der meisten Formel-1-Führungsrunden am großen Alain Prost vorbei. Länger geführt als der Ferrari-Star haben jetzt nur noch Michael Schumacher, Ayrton Senna und Hamilton.
Die Fans auf der Tribüne sorgen indes für die beste Stimmung der Formel-1-Saison 2016. Als ihr Held "Checo" Perez in der 25. Runde schon mal kurz am Massa-Williams vorbeisticht, bleibt vielen vor Aufregung das Herz stehen. Letztendlich wird der Mexikaner hinter dem Williams-Duo Zehnter.
Vettel kommt nach dem Boxenstopp hinter Kimi Räikkönen zurück auf die Strecke, ist nun mit 18,3 Sekunden Rückstand Sechster. Das Problem Räikkönen erledigt sich bald: Der "Iceman" verliert ob der abbauenden Reifen die Ruhe, fordert als einziger Topfahrer einen zweiten Service an und wird daher nur Sechster.
Eine Randnotiz mit millionenschweren Konsequenzen: Das Sauber-Team liegt phasenweise auf P11/12, Ericsson beendet das Rennen an elfter Stelle. Die Hoffnung auf Platz zehn stirbt zuletzt, aber sie stirbt. Somit bleiben die Schweizer in der Konstrukteurs-WM hinter Manor auf dem letzten Platz.
Trotz der älteren Reifen macht Verstappen Druck auf Rosberg. Als sich der in Runde 50 beim Überrunden zu lange aufhält, bremst sich Verstappen an ihm vorbei - kann aber die Linie nicht halten. Es sollte seine einzige Chance auf P2 bleiben. Dahinter fahren zu dem Zeitpunkt Nico Hülkenberg und Räikkönen.
Das dramatische Finish: Verstappen, Vettel und Ricciardo schieben sich immer enger zusammen. Dann verbremst sich Verstappen, Ricciardos Manöver gegen Vettel scheitert - und letztendlich fahren sie alle mit unveränderten Positionen über die Ziellinie. Noch nicht das letzte Wort in dieser Geschichte!
Indes fährt Hamilton den Sieg sicher nach Hause, mit gedrosselter Motorleistung, und gewinnt 8,4 Sekunden vor Rosberg. In der WM schmilzt sein Rückstand von 26 auf 19 Punkte. Aber: Wenn Rosberg in Sao Paulo gewinnt, ist er vorzeitig Champion.
Das Nachspiel: Verstappen jubelt zuerst über das Podium, wird dann aber von FIA-Mann Herbie Blash aus dem Podium-Room gezerrt. Die Rennleitung belegt ihn für das Abkürzen vor Vettels Nase mit einer Fünf-Sekunden-Zeitstrafe. Damit fällt er von P3 auf P5 zurück.
Vettel genießt sein Nachrücker-Podium, aber die Freude ist von kurzer Dauer: Weil er ausgerechnet gegen die "Verstappen-Regel" (Spurwechsel beim Bremsen) verstößt, kassiert er gleich zehn Sekunden auf seine Gesamtzeit drauf. Vielleicht auch wegen der unhöflichen Worte gegen den FIA-Rennleiter: "Fuck off, Charlie!"
Und so freut sich letztendlich Ricciardo über den Pokal, den ihm Vettel in Mexiko überlassen muss. Als er die Trophäe am Abend in die Luft stemmt, sind zwar keine 135.026 Zuschauer mehr da, aber die Veranstalter organisieren für ihn zumindest noch den Konfetti-Regen.
Während Mercedes jubelt, der Vollständigkeit halber ergänzt: Hülkenbergs Dreher im Finish bleibt folgenlos, er wird starker Siebter. Jolyon Palmer fährt 69 Runden mit einem Reifensatz. Und die Silberpfeile halten jetzt bei 17 Saisonsiegen. Das hat davor noch kein anderes Team geschafft!
(Motorsport-Total.com) - Beinahe hätte Max Verstappen in der ersten Kurve des Grand Prix von Mexiko den WM-Leader aus dem Rennen geworfen. "Das war ein ziemlich großer Rempler, und ich habe befürchtet, dass mein Auto auseinanderfällt", beschreibt Nico Rosberg das Manöver des Niederländers. "Er hat das Vorderrad blockiert und mich dann von der Strecke geschoben. Das ist zu viel. Sogar meine Lenkung war etwas verzogen."
Rosberg hatte Glück im Unglück: Sein Silberpfeil blieb trotz der Berührung der Räder fahrtüchtig, der WM-Leader kürzte die Schikane leicht ab und behielt gegen den Red-Bull-Piloten die Oberhand. Hätte Verstappen den Mercedes an einer anderen Stelle getroffen, hätte das bereits das Aus sein können.
Daher schickt Mercedes-Motorsportchef Toto Wolff nun eine Warnung an den Youngster. "Man fährt mit dem WM-Leader nicht drei Rennen vor dem Saisonende zusammen", sagt der Österreicher. "So erfrischend es ist und so rücksichtslos die Großen auch sind - und ich mag das - , sollte er meiner Meinung nach im Zweikampf mit dem WM-Leader nicht bis ans Allerletzte gehen."
Kritik an Verstappen-Aktion
Tatsächlich wurde Verstappen sogar vom Kommandostand per Funk angehalten, es mit Rosberg auf saubere Art und Weise auszumachen. "Das Team hat ihm die richtigen Impulse gegeben, aber wenn das Visier unten ist, dann ist das schwierig", glaubt Wolff, dass mit Verstappen die Pferde durchgingen. "Max hätte dafür bestraft werden können. Vielleicht war die Strafe am Ende die Summe aus allem."
Hat Wolff in diesem Fall die Mercedes-Brille auf? Nicht, wenn es nach Ex-Pilot Christian Danner geht. "Das war eindeutig nicht okay", meint der Bayer gegenüber 'RTL'. "Wenn ein Fahrer in Kauf nimmt, in den anderen reinzufahren, um sich damit einen Vorteil zu verschaffen, dann ist das nicht in Ordnung."
Rosberg selbst hält sich interessanterweise sehr zurück, wenn es um eine Strafe für Verstappens Manöver geht. "Es ist nicht meine Aufgabe, das zu beurteilen. Ich akzeptiere es, dass er keine Strafe bekommen hat", meint der Mercedes-Pilot.
Jeder Punkt zählt: Muss Rosberg Rivalen zu Vorsicht mahnen?
Bereits vor einem Monat war Rosberg Opfer eines übermotivierten Startmanövers: Sebastian Vettel hätte den Mercedes-Piloten in Malaysia beinahe aus dem Rennen geschossen. Wäre in beiden Fällen das Worst-Case-Szenario eingetreten, wäre der Titel nun in weiter Ferne. Um bei den verbleibenden zwei Saisonrennen ähnliche Dramen zu vermeiden, wäre dies ein mögliches Thema für die Fahrerbesprechung.
Max Verstappen hätte Nico Rosberg beinahe aus dem Rennen geschossen
"Klar, alles muss seine Grenzen haben", meint Rosberg. "Aber im Großen und Ganzen ist es ja gut, dass es da draußen Kämpfe gibt. Das macht ja auch uns Spaß", will er nicht mit Samthandschuhen angefasst werden. Dementsprechend zufrieden ist er auch, den zweiten Angriff Verstappens in der 49. Runde abgewehrt zu haben und sich im Kampf um Platz zwei aus eigener Kraft durchgesetzt zu haben.
Die zweite Attacke war laut Rosberg nur eine Folge des Verkehrs: "Er kam mir näher, hatte aber nicht wirklich eine Chance, denn er stand ja 20 Meter zu spät auf der Bremse. Da gab es auch kein Risiko, dass es zu einem Crash kommt." Er sieht das Duell positiv: "Das hat im TV sicher Spaß gemacht. Im Auto war es sehr spannend, und ich bin sehr froh, beide Male vorne geblieben zu sein."