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Nico Rosberg ließ seine Mechaniker jubeln und bedankte sich beim gesamten Konzern, der schon vor 84 Jahren den ersten Silberpfeil auf die Strecke geschickt hatte...
Die Geburtsstunde eines Mythos: Manfred von Brauchitsch gewinnt mit seinem Mercedes-Benz SSKL das Avus-Rennen 1932 in der Klasse über 1,5 Liter Hubraum. Weil die Verkleidungsbleche unlackiert sind, entsteht die auffällige Aluminium-Optik. Der Streckensprecher erwähnt erstmals den Begriff "silberner Pfeil".
Hightech anno 1938, der berühmte Silberpfeil W 154. Der Legende nach lagen die Mercedes-Rennautos ursprünglich um ein Kilogramm über dem erlaubten Maximalgewicht von 750 Kilogramm, weshalb Rennleiter Alfred Neubauer den weißen Lack abkratzen ließ. Der Mythos war also eigentlich eine Verlegenheitslösung.
Der große Juan Manuel Fangio gewinnt 1954 und 1955 zwei WM-Titel auf Mercedes, lässt sich hier in Reims 1954 die Rundenzeit anzeigen - in einem Zeitalter, als Boxenfunk noch nach Science-Fiction klingt.
Mercedes zog sich infolge der Le-Mans-Tragödie 1955 zurück, doch 1968 gründete ein britischer Holzhändler namens Ken Tyrrell sein eigenes Formel-1-Team. Das heutige Mercedes-Werksteam unter Ross Brawn ist der Nachfolger dieses Projekts. Tyrrell feierte seine größten Erfolge mit Jackie Stewart, hier bei der spartanischen Teampräsentation 1970.
Den Grand Prix von Südafrika 1973 gewinnt Stewart fast eine halbe Minute vor Peter Revson (McLaren) und Emerson Fittipaldi (Lotus). Um die Relationen richtig zu sehen: Norbert Haug ist gerade mal 20 Jahre alt.
Gutaussehend und erfolgreich: Jackie Stewart ist eines der großen Sport-Idole der 1970er-Jahre und versteht es als erster professioneller Rennfahrer, mit der Formel 1 reich zu werden.
Stewart gewinnt auch den Grand Prix von Monaco und sichert sich 1973 seinen dritten und letzten WM-Titel. Nach dem Tod seines Teamkollegen und Freundes Francois Cevert beendet Stewart nach 99 Grands Prix seine aktive Karriere.
Beim Grand Prix von Spanien 1976 debütiert der legendäre Sechsrad-Tyrrell P34 in der Königsklasse. Jody Scheckter und Patrick Depailler feiern beim Grand Prix von Schweden in Anderstorp einen historischen Doppelsieg, doch weil die kleinen Goodyear-Vorderreifen nicht genug weiterentwickelt werden, bleibt dem P34 der ganz große Durchbruch versagt.
Michele Alboreto beim Grand Prix in Silverstone 1983. In Las Vegas 1982 und Detroit 1983 feiert der Italiener die letzten Siege der Tyrrell-
1997 ist Tyrrell nur noch ein Schatten seiner selbst: Mika Salo holt als Fünfter beim Grand Prix von Monaco die letzten beiden WM-Punkte für den einstigen Erfolgsrennstall, der 1998 mit Toranosuke Takagi und Ricardo Rosset komplett leer ausgeht. Ken Tyrrell verkauft um 30 Millionen US-Dollar, erfährt 1999 von seinem Krebsleiden und erliegt diesem am 25. August 2001.
Ebenfalls 1997 wird der Silberpfeil-Mythos wiederbelebt: Wegen Hauptsponsor West tritt McLaren-Mercedes ab sofort in silberner Lackierung an - und völlig überraschend gewinnt David Coulthard gleich den ersten Grand Prix in der neuen Optik. Der Schotte selbst und Mika Häkkinen sollten in jener Saison zwei weitere Siege folgen lassen.
Zurück bei Tyrrell: Der neue Herr im Haus ist der Tabakkonzern British American Tobacco, das Team heißt ab sofort British American Racing (BAR) - und soll mit zwei Autos in unterschiedlicher Lackierung Werbung für zwei unterschiedliche Zigarettenmarken machen.
Die FIA unterbindet dies jedoch, der Kompromiss sieht so aus. Doch aus dem vollmundig angekündigten Sieg beim ersten Rennen wird nichts: Jacques Villeneuve und Ricardo Zonta gehen komplett leer aus, BAR wird mit null Punkten WM-Letzter.
Erst 2004, unter dem neuen Teamchef David Richards, der die personellen Strukturen verschlankt, stellt sich Erfolg ein. Zwar ist gegen die Dominanz von Michael Schumacher und Ferrari kein Kraut gewachsen, aber Jenson Button etabliert sich als erster Verfolger und wird WM-Dritter.
13 Jahre nach Michele Alboreto feiert das britische Team wieder einen Sieg: Button triumphiert beim Regenrennen in Ungarn, inzwischen schon unter dem Namen Honda. British American Tobacco hatte 2005 an den japanischen Automobilhersteller verkauft.
Der Traum von einer besseren Welt, aber nach einem Jahr des totalen sportlichen Misserfolgs mit dem "Earth-Car" bleibt den Honda-Verantwortlichen Ende 2007 nur die Erkenntnis: Träume sind Schäume.
Der Doppeldiffusor macht's möglich: Nach dem werksseitigen Ausstieg von Honda übernehmen Ross Brawn und Co. das Team, rollen das Auto quasi in letzter Minute in die Startaufstellung - und feiern mit Jenson Button und Rubens Barrichello einen Doppelsieg! Brawn ist in der ersten Saisonhälfte das Maß aller Dinge. Das reicht, um Weltmeister zu werden.
Ross Brawn mit dem WM-Pokal - dem einzigen, den er mit einem Team gewonnen hat, das seinen eigenen Namen trägt.
Das bisher letzte Kapitel des Silberpfeil-Teams bricht an: Nach nur einem Jahr in Eigenregie verkauft Brawn an Mercedes und holt seinen alten Kumpel Michael Schumacher zurück in die Formel 1. Doch das deutsche Silberpfeil-Nationalteam muss bis Schanghai 2012 (Nico Rosberg) auf den ersten Sieg warten.
Die Erfolge kommen aber erst in der Post-Schumacher Ära. Lewis Hamilton, Toto Wolff und Niki Lauda sind die neuen prägenden Figuren des Mercedes-Teams, das ab 2014 eine wahre Erfolgsgeschichte schreibt.
Wendepunkt ist das neue Reglement ab der Saison 2014, das die Einführung von Turbomotoren sieht. Mit denen sind die Silberpfeile drückend überlegen. Dass Nico Rosberg in Australien das erste Rennen gewinnt, ist nur ein Vorbote für kommenden drei Saisons.
Zwar eilt Mercedes von Erfolg zu Erfolg, doch darunter leidet auch das bis dato gute Verhältnis der Fahrer untereinander. Spätestens mit der Kollision in Spa-Francorchamps ist die Atmosphäre giftig.
Die Oberhand behält zumeist Lewis Hamilton, der sich 2014 und 2015 jeweils den Fahrertitel sichern kann. Wer den Titel in der Saison 2016 holt, ist hingegen noch komplett offen. Nur der Konstrukteurstitel ist nach Japan klar: Es ist der dritte in Folge!
(Motorsport-Total.com) - Die Mercedes-Mannschaft hat sich bei vier noch ausstehenden Rennen in der Saison 2016 den WM-Titel der Konstrukteure gesichert. Der Sieg Nico Rosbergs und der dritte Rang für Lewis Hamilton beim Japan-Grand-Prix am Sonntag reichten, um die dritte Krone in Serie in trockene Tücher zu packen. Damit verwandelten die Silberpfeile den zweiten Matchball, nachdem sie in Malaysia infolge des Hamilton-Aus eine Party hatten absagen und T-Shirts wieder hatten einpacken müssen.
Niki Lauda schüttelte nach dem Rennen in Suzuka jedem Mechaniker in der Box persönlich die Hand: "Ich habe ihnen allen gratuliert", jubelt der Teamaufsichtsrat. "Das sind die Menschen, die die Titel gewinnen. Wir stehen nur oben und geben blöde Interviews, aber sie machen die richtige Arbeit." Bevor es am Dienstag auch Feierlichkeiten in Brackley und Brixworth gibt, rollt Sportchef Toto Wolff seinen Jungs den roten Teppich aus: "Eine wirklich tolle Truppe mit super Motivation."
Das findet auch offenbar Rosberg, der im Fernsehen seine Grüße nach Stuttgart und die Konzern-Dependancen weltweit schickte: "Wir haben das alle zusammengemacht, alle 200.000 Daimler-Kollegen. Ich hoffe, ihr freut euch auch vor den Fernsehern!" Wolff zeigt sich stolz: "Ich habe die Ehre, sie vor der Kamera zu vertreten. Wir sind fast 1.500 Leute in Brackley und in Brixworth. Sie arbeiten seit drei Jahren fast fehlerfrei. Es ist eine Ehre, mit ihnen zusammenzuarbeiten."
Rosberg und Hamilton seien für ihn die besten Piloten der Welt, weil sie sich gegenseitig immer wieder zu neuen Höhenflügen anspornen würden, aber nur zwei Stars in einer Mannschaft mit vielen unbesungenen Helden. "Wenn ich Nikis Kappe hätte, dann würde ich sie vor ihnen ziehen."
Ein Rekord ist der Hattrick nicht: In der Ära Michael Schumacher gelang Ferrari das Kunststück sechsmal ohne Unterbrechung (1999-2004). McLaren (1988-1991) und Red Bull (2010-2013) verteidigten den Titel in ihren Hochzeiten dreimal. In den Jahren zuvor packte Mercedes den Erfolg früher in trockene Tücher (2014 im 16. und 2015 im 15. Rennen jeweils in Russland, allerdings bei insgesamt kürzeren Rennkalendern), kann aber noch Bestmarken einstellen oder überbieten.
Der Punkterekord für eine Saison, der bei 703 Zählern steht, wankt angesichts 593 Punkten, die die Silbernen aktuell auf dem Konto haben. Auch die meisten Siege in einem Kalenderjahr (16) könnte Mercedes mit nur einem Erfolg in den USA, Mexiko, Brasilien oder Abu Dhabi einstellen, mit einem weiteren toppen. Die Siegquote von 84,2 Prozent aus den Vorjahren lässt sich ebenfalls steigern. Seit dem Rennen in Suzuka steht außerdem fest, dass ein Mercedes-Pilot Weltmeister wird. Daniel Ricciardo als Dritter der Gesamtwertung hat keine Möglichkeit mehr, Rosberg noch abzufangen, könnte sich aber theoretisch noch Hamilton krallen und Vize-Champion werden.