Mercedes jubelt und bangt: Triumph als "Weckruf"
Sportchef Wolff hat die starke Leistung Sebastian Vettels alarmiert - Teamduell offenbar durch ein technisches Problem zugunsten Hamiltons entschieden
(Motorsport-Total.com) - Der Malaysia-Grand-Prix am Sonntag bedeutete einen historischen Tag für Mercedes: Zum ersten Mal seit 1955 feierten die Silberpfeile wieder die Ränge eins und zwei in einem Formel-1-Rennen. Lewis Hamilton und Nico Rosberg haben außerdem ihre Ausgangsposition für die WM-Wertungen deutlich verbessert. "Besser geht es nicht", jubelt Toto Wolff über das Ergebnis, zeigt sich aber auch gewarnt, schließlich scheint Red Bull wieder näher dran zu sein am Werksteam aus Stuttgart.
© xpbimages.com
Lewis Hamilton und Nico Rosberg trennte am Sonntag eine kleine Formel-1-Welt Zoom Download
Mercedes will die Karten weitgehend auf den Tisch gelegt haben, wie der Sportchef betont: "Das war das, was wir an Leistung abrufen konnten. Wenn ein Gewitter gekommen wäre, hätten wir jede Sekunde gebraucht." Wolff lässt sich jedoch eine Hintertür offen, schließlich sind sowohl Hamilton als auch Rosberg in Sachen Motormanagement seiner Aussage zufolge "auf der sicheren Seite" gewesen und hätten deshalb in "halbprozentigen Schritten" Leistung zurückgenommen. Das gilt jedoch nicht für den Spritverbrauch, den der Österreicher in Sepang unkritisch nennt.
Deutlich mehr Sorgenfalten bereitete Wolff da die Leistung Sebastian Vettels, der zumindest Rosberg zeitweise auf den Fersen hing. Der Abstand war sehr viel kleiner als noch zum Auftakt in Melbourne und erst recht als bei den Testfahrten in Jerez und Bahrain. "Es war ein guter Weckruf, ein nötiger Weckruf", erinnert der Mercedes-Verantwortliche an das Leistungsvermögen Red Bulls und Vettels: "In der heutigen vergisst man so schnell, was am Vortag passiert ist. Er ist ein viermaliger Weltmeister, wir haben gerade mal zwei Rennen gewonnen."
Wo war das Rosberg-Problem?
In das Teamduell seiner beiden Asse musste Wolff nicht wie noch am Vortag befürchtet eingreifen - dafür war Hamilton einfach zu stark: "Lewis war heute aber außer Reichweite für mich", räumt Rosberg selbst ein. Der Wiesbadener hatte insbesondere in der Anfangsphase mit durchdrehenden Rädern zu kämpfen, das Problem legte sich jedoch im Laufe des Rennens. Auch 'Sky'-Experte Marc Surer hat erkannt: "Dieses Mal war er es eher, der mit den Reifen zu kämpfen hatte. Er musste sich zurückfallen lassen, damit sie abkühlen und sich erholen konnten. Dann konnte er wieder zulegen."
Hamilton war längst außer Reichweite und ist für Surer WM-Favorit, obwohl in der Tabelle noch hinter dem Deutschen zurück: "Ich habe vor dem Rennen gesagt, dass ich mir nicht sicher bin, ob er mit dem Benzin haushalten kann. Aber wenn man sich die Prozentzahlen während des Rennens angeguckt hat, dann hat man gesehen, dass er sparsamer gefahren ist als Rosberg." Niki Lauda stimmt bei 'RTL' zu: "Wenn einer wie Lewis vorne ist, der intelligent und schnell mit einem voll ausbalancierten Auto gefahren ist, während Nico leichtes Übersteuern hatte, ist es logisch, dass der ihm relativ schnell davonfährt."
Für den Mercedes-Aufsichtsratsboss hatte der große Abstand außerdem einen beruhigenden Effekt: "Ich bin heilfroh, dass die beiden da vorne nicht volle Pulle gegeneinander gefahren sind." Dass es soweit nicht gekommen ist, schiebt Wolff auf das mysteriöse Leistungsproblem bei Rosberg, nicht auf mangelndes Talent oder sogar eine Stallorder: "Nico ist konkurrenzfähig genug, dass er auch auf den Sieg gegangen wäre." So erkennt Wolff im Stallduell trotz Hamiltons scheinbarer Dominanz keinen Sieger und interpretiert das Wochenende als ständiges Hin- und Her zwischen den beiden.
Red Bulls Luftbrücke ist Wolff eine Warnung
Wolff charakterisiert das Tauziehen zwischen den beiden Freunden: "Die teaminterne Rivalität ist seit dem vergangenen Januar da. Was das Duell ausmacht, ist, dass sie sich schon so lange kennen. Sie gehen fair miteinander um, was nicht heißt, dass sie nicht jeden Vorteil nutzen würden." Die Verbesserungen bei Red Bull sind der Grund, warum der Mercedes-Verantwortliche vor Stillstand warnt: "Dennoch dürfen wir nicht selbstgefällig werden: Wir haben immer Verbesserungsspielraum und das Rennen hat erneut bewiesen, dass unsere Konkurrenten uns auf den Fersen sind."
Schon in Bahrain sollen viele neue Teile angeliefert werden, um Red Bull es nicht zu gestatteten, weiter etwas vom Rückstand abzuknabbern: "Ich habe gehört, bei unserem Hauptwettbewerber sind 60 Kisten mit dem Frühflug und mit dem Abendflug gekommen." Hoffnung macht Wolff auch die Leistung der Mercedes-Kunden, schließlich duellierte sich Nico Hülkenberg im Force India lange mit Fernando Alonso, Williams erholte sich gut von einem schwachen Qualifying und McLaren beeindruckte allen voran auf "grüner" Strecke.