So spektakulär kippten WM-Kämpfe im letzten Saisondrittel der Formel 1
Oscar Piastri führt aktuell die Formel-1-WM an: Doch die Vergangenheit zeigt, wie oft im letzten Saisondrittel noch alles auf den Kopf gestellt wurde
(Motorsport-Total.com) - Vor 25 Jahren wäre die Formel-1-Saison nach 16 Rennen bereits vorbei gewesen. Doch im aktuellen Kalender mit 24 Grands Prix sind nach dem 16. Saisonlauf noch acht Rennen zu absolvieren - also ein volles Drittel.
Derzeit liegt Oscar Piastri mit 31 Punkten Vorsprung vor McLaren-Teamkollege Lando Norris. Während der Sommerpause betrug der Abstand noch neun Punkte, doch ein technischer Defekt in Zandvoort warf Norris zurück. Piastri hat damit ein komfortables Polster, das rechnerisch etwa 1,24 Siegen entspricht. Uneinholbar ist der Rückstand aber nicht. Norris müsste jedoch entweder auf ein Ausfallpech seines Teamkollegen hoffen oder darauf, dass Piastri einen spürbaren Leistungseinbruch erleidet.
Doch wie haben sich in früheren Jahren spannende Titelkämpfe im letzten Saisondrittel entwickelt? Wir werfen einen Blick zurück.
2021: Hamilton und Verstappen Kopf an Kopf
In Sotschi jagte Lewis Hamilton den lange führenden Lando Norris. Und der Druck auf seinen Landsmann zahlte sich aus, als der Regen einsetzte. Norris rutschte von der Strecke und musste auf seinen ersten Grand-Prix-Sieg noch fast drei Jahre warten. Für Hamilton hingegen war es der 100. Grand-Prix-Sieg, ein Ergebnis, das ihn auf 246,5 Punkte brachte - nur zwei mehr als Max Verstappen.
Mit Platz 2 in der Türkei gegenüber Hamiltons fünftem Platz übernahm Verstappen die Führung um sechs Punkte und baute diese nach seinem Sieg in den USA, wo er den Druck des Mercedes-Fahrers standhielt, auf zwölf Punkte aus. In Mexiko stieg der Vorsprung auf 19 Punkte, bevor Hamilton ihn in Brasilien wieder auf 14 Zähler reduzierte.
Das Hin und Her ging weiter: Hamiltons Sieg in Katar brachte den Rückstand auf acht Punkte, und sein nächster Sieg inklusive schnellster Runde in Dschidda stellte beide auf 369,5 Punkte gleich - vor dem großen Finale in Abu Dhabi.
Was dann geschah, bleibt eine der berühmtesten Titelentscheidungen in der Formel-1-Geschichte. In der letzten Runde nutzte Verstappen seine frischeren Reifen, um Hamilton nach einem umstrittenen Neustart hinter dem Safety-Car zu überholen. Damit holte sich der Niederländer seinen ersten WM-Titel.
2018: Hamilton setzt sich von Vettel ab
Sebastian Vettels Unfall in der Sachs-Kurve von Hockenheim gilt allgemein als Wendepunkt im Titelkampf 2018. Nach Silverstone hatte Vettel noch acht Punkte Vorsprung, doch in Deutschland übernahm Hamilton mit seinem Sieg die WM-Führung.
Vettel siegte zwar in Spa und verkürzte den Rückstand auf 17 Punkte, doch eine Berührung mit Hamilton in der ersten Runde von Monza und Hamiltons spätes Überholmanöver gegen Kimi Räikkönen bescherten dem Briten den Sieg im letzten Europa-Rennen des Jahres. Damit betrug der Rückstand des Deutschen nach zwei Dritteln der Saison 30 Punkte.
Da Vettel im weiteren Saisonverlauf kein Rennen mehr gewinnen konnte, war sein Titelkampf endgültig vorbei. Hamilton hingegen gewann fünf der letzten sieben Rennen und machte den Titel klar, während Ferraris einziger Sieg bei den Überseerennen durch Räikkönens in Austin zustande kam. Es war der letzte Formel-1-Sieg des "Iceman".
2016: Rosberg dreht das Duell gegen Hamilton
Nach seinem Sieg beim Großen Preis von Deutschland lag Hamilton 19 Punkte vor Nico Rosberg, doch Rosberg antwortete mit Siegen in Spa und Monza und verkleinerte den Rückstand auf nur zwei Punkte vor dem letzten Saisondrittel 2016.
Doch Rosberg kämpfte mit aller Macht um seinen ersten WM-Titel. Mit dem Sieg in Singapur übernahm er die Führung zurück. Die entscheidende Wende kam aber in Malaysia, als Hamiltons Motor auf der 43. Runde in Führung liegend spektakulär den Geist aufgab. Rosberg erhielt zwar eine Zehnsekundenstrafe für eine Kollision mit Kimi Räikkönen im Kampf um Platz 3, konnte sich aber genug Vorsprung herausfahren, um den Podestplatz zu behalten.
Mit noch fünf Rennen zu fahren wuchs Rosbergs Vorsprung auf 23 Punkte an, und sein Sieg in Japan (Hamilton wurde Dritter hinter Verstappen) machte daraus 33 Punkte.
Hamilton gewann zwar die letzten vier Rennen, doch Rosberg musste nur jeweils Zweiter werden. Und trotz Hamiltons Versuchen, ihn im Finale in Abu Dhabi zu bremsen und in die Verfolger Vettel und Verstappen zu drängen, brachte Rosberg den Titel nach Hause - und verkündete kurz darauf noch vor der FIA-Gala seinen Rücktritt.
2014: Hamilton holt Rückstand auf Rosberg auf
2014 lief es hingegen anders herum. Nach Monza lag Rosberg sechs Rennen vor Schluss 22 Punkte vorne, hatte aber durch Hamiltons Sieg im "Temple of Speed" schon an Boden verloren.
Während viele Hamiltons Motorschaden in Sepang 2016 als Schlüsselmoment dieses Jahres sehen, war Rosbergs Elektrikproblem in Singapur einer der entscheidenden Faktoren im Titelkampf 2014. Nach dem Rennen auf dem Marina-Bay-Circuit lag er drei Punkte hinter Hamilton.
Hamilton siegte anschließend in Suzuka, Sotschi und Austin, wodurch der Vorsprung auf 24 Punkte anwuchs. Rosberg verkürzte mit seinem Sieg in Brasilien noch einmal auf 17 Punkte, sodass vor dem Finale in Abu Dhabi wieder alles offen war.
Normalerweise hätte Rosberg Zweiter werden und auf ein Missgeschick Hamiltons hoffen müssen. Bisher einmalig, wurden in dieser Saison beim Finale doppelte WM-Punkte vergeben. Am Ende spielte das keine Rolle, denn Rosbergs ERS versagte in der ersten Rennhälfte. Der Deutsche fuhr das Rennen zwar noch zu Ende, war aber chancenlos.
2012: Alonso verliert großen Vorsprung
Seit Einführung des aktuellen Punktesystems 2010 war Alonsos 37-Punkte-Vorsprung der größte, der noch im letzten Saisondrittel verspielt wurde. So viele Punkte lag er vor Monza-Sieger Hamilton, während Vettel zu diesem Zeitpunkt hinter Räikkönen nur Vierter in der WM war.
Mit seinem Sieg in Singapur rückte Vettel auf Platz 2 vor, während Hamilton mit einem Getriebeschaden ausschied. Damit schrumpfte Alonsos Vorsprung auf 29 Punkte, und Vettel war der neue Hauptgegner.
In Suzuka untermauerte Vettel seine Titelambitionen, als Alonso beim Versuch, Räikkönen in der Startphase abzuwehren, einen Reifenschaden erlitt. Damit schmolz der Rückstand auf nur noch vier Punkte. Vettel dominierte anschließend in Südkorea und Indien, und nach der Premiere in Austin führte er bereits mit 13 Punkten.
Beim Finale in Brasilien startete Vettel nur von Platz 4, Alonso von Platz 8. Nach einem schwachen Start fiel Vettel auf Platz 7 zurück und kollidierte im Mittelfeld mit Bruno Senna. In einem dramatischen Rennen kämpfte sich Alonso bis auf Rang 2 nach vorne, doch er hätte Vettel nur schlagen können, wenn dieser höchstens Achter geworden wäre.
Trotz eines langsamen Boxenstopps beim Reifenwechsel auf Intermediates konnte Vettel Rang 7 halten. Sein Überholmanöver gegen Michael Schumacher sicherte ihm schließlich den dritten WM-Titel.
2010: Vier Fahrer im Titelkampf
Eine der interessantesten Statistiken 2010 lautete: Der jeweils Führende in der WM gewann nicht das nächste Rennen. Nach dem Sieg in Spa führte Hamilton die WM mit drei Punkten vor Mark Webber an, Vettel lag weitere 28 Punkte zurück. Mit sechs Rennen noch ausstehend war auch Alonso mit 41 Punkten Rückstand auf Hamilton noch in Schlagdistanz.
Natürlich gewann Hamilton das nächste Rennen in Monza nicht. Dort siegte Alonso und kam bis auf 21 Punkte an den neuen WM-Leader Webber heran. Der Spanier gewann auch in Singapur und verkürzte den Rückstand auf nur noch elf Punkte, während Vettel Vierter wurde und nur noch 21 Punkte hinter Alonso lag.
Vettel siegte dann in Japan und zog mit Alonso gleich - beide 14 Punkte hinter Webber. Doch der Australier zerstörte mit einem Crash gegen Nico Rosberg in Südkorea seine WM-Chancen. Alonso gewann das Rennen und übernahm die Führung mit elf Punkten Vorsprung. Vettel schied ebenfalls aus und lag nun 25 Punkte zurück.
Anschließend gewann Vettel in Brasilien, während Alonso Dritter hinter Webber wurde. Mit Platz 4 blieb Hamilton Außenseiter in einem Vierkampf. Im Finale erledigte Vettel dann den Rest: Mit einem kontrollierten Sieg holte er sich den Titel, während Alonso und Webber sich bei den Boxenstopps verpokerten und hinter Renault-Pilot Vitali Petrow festhingen. So wurde der Deutsche der jüngste Weltmeister der Formel-1-Geschichte.