Cowell erklärt: Warum Windkanal und Rennstrecke nicht immer korrelieren
Immer wieder haben Formel-1-Teams mit fehlender Korrelation zwischen Rennstrecke und Windkanal zu kämpfen: Andy Cowell erklärt wieso
(Motorsport-Total.com) - In der modernen Formel 1 gelten Windkanal, CFD und Rennstrecke als die drei Säulen der Fahrzeugentwicklung. Doch wie sich immer wieder zeigt, sind diese drei Welten nicht perfekt aufeinander abgestimmt - und genau darin liegt ein zentrales Problem, das selbst Topteams immer wieder beschäftigt.
Aston Martin hat in den vergangenen Monaten einen brandneuen Windkanal in seiner neuen Fabrik eröffnet, und dennoch ist auch das Team nicht vor Korrelationsproblemen gefeit, wie Teamchef Andy Cowell erklärt.
"Wenn man das Auto auf der Strecke fährt, in Originalgröße, dann hüpft es herum, fährt über unterschiedliche Oberflächenrauigkeiten", sagt er. "Ein Windkanal hingegen hat ein Band mit fester Oberflächenbeschaffenheit und läuft auf sehr ruhige Weise - es gibt keine Randsteine im Windkanal, und die Geschwindigkeit, mit der man das Modell bewegen darf, ist durch die FIA geregelt."
Außerdem gibt es nur einen geradlinigen Luftstrom ohne Rücken- oder Seitenwind - und das alles bei einem Modell von 60 Prozent Größe.
Veränderte Parameter
Was zunächst nach einer kontrollierten und wünschenswerten Umgebung klingt, birgt in der Realität enorme Herausforderungen. Denn die Ergebnisse, die unter diesen idealisierten Bedingungen entstehen, lassen sich nicht immer auf die hochkomplexe und dynamische Realität eines Formel-1-Rennwochenendes übertragen.
Das gilt auch für Aston Martin mit ihrem brandneuen Windkanal. Ist die Anlage vielleicht sogar zu gut, weil man alle Systeme an die bisherigen Entwicklungswerkzeuge anpassen muss? "Ich denke nicht, dass etwas zu gut sein kann", winkt Cowell direkt ab.
Aber: "Wenn man lange denselben Windkanal benutzt, dieselbe Methode zur Bewertung auf der Strecke und dasselbe CFD-Tool, gewöhnt man sich an die Übergänge zwischen diesen drei Bereichen. Wenn man dann plötzlich die Klarheit im mittleren Tool, dem Windkanal, verändert, hat das Auswirkungen auf die Strecke und auf die CFD."
Erfahrung statt Punkte
Aston Martin steht aktuell vor der Herausforderung, die "drei Welten" besser miteinander zu korrelieren. Das Ziel ist nicht nur kurzfristige Performance, sondern langfristige Entwicklungsstabilität - auch im Hinblick auf das Auto für 2026.
"Im Moment nutzen wir jedes einzelne Rennen als Gelegenheit, uns zu fragen: Wie können wir mehr Daten sammeln?", so Cowell. "Und es geht mehr darum, hochwertige Daten zu sammeln als Punkte zu holen - denn wir wissen, wenn wir es schaffen, die drei Welten in Einklang zu bringen, dann wird das Entwickeln zukünftiger Autos deutlich besser - und die Gefahr, dass wir zurückfallen, geringer."
Dieser Satz ist besonders aufschlussreich: Ein Team wie Aston Martin misst dem reinen Datenverständnis mittlerweile eine höhere Priorität bei als dem kurzfristigen Rennerfolg. In einer Ära, in der sich Performanceunterschiede oft im Bereich von Zehntelsekunden bewegen, ist ein falsch interpretierter Aerodynamiktrend potenziell katastrophal - wie etwa beim misslungenen Zeropod-Konzept von Mercedes.
In der Praxis bedeutet das: Aston Martin analysiert nicht nur, was das Auto auf der Strecke tut, sondern auch, warum es das tut und wie das in den "sauberen" Welten des Windkanals und der CFD abgebildet wird. Das ist ein mühsamer, schrittweiser Prozess.
"Die Methodik zu ändern, wie man das Auto auf der Strecke analysiert, ist kein Prozess, der über Nacht passiert", betont Cowell. "Auch Verbesserungen in CFD passieren nicht über Nacht."
Natürlich wird auch die Arbeit am neuen Auto für 2026 bereits mit den neuen Werkzeugen vorgenommen: "Ja, wir entwickeln auch das Auto für 2026, und das läuft sowohl in der Windkanal- als auch in der CFD-Welt. Auch diese Reise liefert uns wichtige Erkenntnisse", bestätigt Cowell.