Verstappen, Russell & Alonso: Was steckt in den Silly-Season-Gerüchten?
In der Theorie sollte die Silly Season langweilig werden, doch in der Formel 1 kommt immer alles anders: Drei Starfahrer stecken mitten in den Gerüchten
(Motorsport-Total.com) - Theoretisch sollte die diesjährige Silly Season in der Formel 1 eher ruhig verlaufen. Zum Saisonende laufen nur die Verträge beider Mercedes-Fahrer sowie die der Racing-Bulls-Paarung aus. Und wie üblich bleiben das zweite Red-Bull-Cockpit und die Alpine-Sitze - im Fall von Alpine sogar während der laufenden Saison - Fragezeichen.
Alle anderen Fahrerverträge laufen über das Jahr hinaus. Ferraris Duo ist über die kommenden Reglementänderungen hinaus gebunden, Max Verstappen hat formal einen Vertrag bis Ende 2028, und McLaren hat sein aktuelles Line-up mit langfristigen Verträgen abgesichert.
Doch in der Welt der Formel 1 ist selten etwas so einfach, wie es auf dem Papier aussieht. Verträge sind nicht absolut - hinter den Kulissen spricht jeder mit jedem, besonders wenn ein Reglementwechsel bevorsteht.
Wie schon im Vorjahr ist Verstappens Zukunft eines der meistdiskutierten Themen im Fahrerlager. Toto Wolff gab letztes Jahr zu, dass Gespräche mit Verstappen stattgefunden haben, sagte aber gegenüber niederländischen Medien in Zandvoort, dass man sich in der Sommerpause darauf verständigt habe, dass ein Wechsel 2025 nicht realisierbar sei.
Ein Jahr später betont Verstappen immer wieder, es sei seine Absicht, bei Red Bull zu bleiben. Sein Vertrag läuft bis 2028, enthält aber Klauseln. Wie Helmut Marko bestätigt hat, ist eine dieser Klauseln an Verstappens Platzierung in der Fahrerwertung zu bestimmten Zeitpunkten der Saison gebunden - einer davon ist der Sommer.
Ferrari-Wechsel, die gut oder schlecht ausgegangen sind
Als Weltmeister 1989 wechselt Alain Prost zur Saison 1990 von McLaren zu Ferrari. Mit fünf Siegen wird er WM-Zweiter hinter Ex-Teamkollege Ayrton Senna im McLaren und hat große Hoffnungen für 1991, aber ... Fotostrecke
"Fahrer haben Leistungsklauseln in ihren Verträgen, und es gibt Zeitpunkte im Jahr - meist um den Sommer herum - an denen sich Dinge konkretisieren", sagte Christian Horner in Montreal. Viel entscheidender: Verträge und Klauseln sind nicht alles. Horner hat schon früher eingeräumt, dass er niemanden nur auf dem Papier halten würde, wenn dieser lieber woanders wäre.
Auch in Kanada bekräftigte er: "Für uns geht es darum, wie wir besser werden können - und nicht, was in einem Vertrag steht. Ich finde, wenn man sich auf einen Vertrag berufen muss, hat man ein Problem. Es geht um das Verhältnis zwischen Fahrer und Team - und um gegenseitiges Vertrauen."
Russells bemerkenswerte Aussagen in Montreal
Auch George Russells Aussagen am Kanada-Wochenende sind interessant. Gefragt nach einem Update zu seinen Vertragsverhandlungen mit Mercedes, sagte er: "Ehrlich gesagt, bisher keine wirklichen Gespräche, weil wir im Moment wichtigere Probleme haben - nämlich das Auto schneller zu machen."
"Ich weiß, dass ich nächstes Jahr in der Formel 1 fahren werde. Meine Absicht und mein Ziel ist es, bei Mercedes zu bleiben - und ich denke, das ist auch Totos Absicht." Noch spannender war, was er hinzufügte: "Es ist nachvollziehbar, dass Leute wie Max immer auf dem Radar sind - warum auch nicht? Er ist einer der Größten aller Zeiten, und das verstehe ich."
Dass Russell Verstappen ungefragt erwähnt, ist beachtlich. "Aber am Ende liegt es an dir, deinen Wert zu beweisen. Und ich denke, das habe ich im Laufe von sieben Jahren Formel 1 und meiner ganzen Karriere immer wieder getan. Ich habe da keine Bedenken."
Wenige Tage später untermauerte Russell seine Worte mit einem Sieg beim Kanada-GP. "Ich fühle mich im Moment gut. Es gibt viele Gerüchte über meine Zukunft und darüber, was in Spanien passiert ist. Vor einem Jahr hätte ich vielleicht noch anders reagiert - jetzt ist mir das egal. Ich konzentriere mich auf meine Arbeit, glaube an mich - und ich bin bereit, um die WM zu kämpfen."
Das alles deutet darauf hin, dass diese Wochen vor allem dazu dienen, sich Optionen offen zu halten. Das gilt für Verstappen - aber ebenso für Mercedes. Wolff sagte vergangenes Jahr in Zandvoort, dass sich "Verstappens und Mercedes' Wege eines Tages kreuzen werden".
Gleichzeitig: Wenn Mercedes Andrea Kimi Antonelli langfristig halten will, wäre Russell die günstigere Option als Teamleader - eine Rolle, in die er dieses Jahr sichtlich hineinwächst. Die zentrale Frage bei Mercedes lautet: Was braucht das Team, um 2026 zu gewinnen - vor allem, wenn der Motor wirklich so stark ist, wie behauptet wird?
Die Silly Season ist immer ein Schachspiel - und auch dieses Jahr hält sich jeder alle Optionen offen. Mercedes tut das (Wolff handhabte den Barcelona-Zwischenfall sehr geschickt), Verstappen tut das - und damit auch Russell.
Optionen offenhalten - in alle Richtungen?
Vor diesem Hintergrund passt die Enthüllung von Motorsport.com, dass Aston Martin über Russell für den neuen Reglementzyklus nachdenkt, perfekt ins Bild. Eine logische Folge der aktuellen Lage. Mit Verstappen auf dem Radar muss auch Russell sich absichern - nur für den Fall der Fälle.
Der Brite hat klar gesagt, dass er bei Mercedes bleiben will und auch davon ausgeht. Aber seine Aussage "Ich weiß, dass ich nächstes Jahr in der Formel 1 bin" zeigt, dass er auch einen Plan B hat. Das überrascht nicht - immerhin zeigt Russell 2025 sehr konstante Leistungen. Dass er ganz aus dem Bild fällt, ist praktisch ausgeschlossen - aber Optionen zu schaffen ist im F1-Paddock immer klug.
Interessant ist auch, dass Aston Martin plötzlich im Gespräch ist. Fernando Alonso hat zwar einen laufenden Vertrag, und Lawrence Strolls Investitionen zielen klar darauf ab, mit seinem Sohn in der F1 erfolgreich zu sein - der daher so lange ein Cockpit hat, wie er es möchte.
Alonso: Was geht mit Alpine?
Während des Kanada-GPs kursierten jedoch wilde Gerüchte, Alonso sei mehrfach in der Alpine-Hospitality gesehen worden - bei dem Team aus Enstone, für das er in drei Karrierestationen fuhr. Bemerkenswert dabei: Flavio Briatore ist nicht nur neuer Alpine-Berater, sondern nach wie vor auch Alonsos Manager.
Aston-Martin-Teamchef Andy Cowell ließ sich von den Medienberichten am Wochenende nicht aus der Ruhe bringen: "Ich habe kein Problem damit, wenn Fernando durch irgendwelche Garagen läuft. Er kennt viele Leute im Fahrerlager. Und er hat einen Vertrag mit uns für nächstes Jahr - hoffentlich bleibt er noch lange bei uns, auch als Botschafter. Es ist großartig, mit Fernando zu arbeiten."
Laut Aston Martin waren die Besuche bei Alpine nur ein Mittagessen mit alten Bekannten. Aber selbst wenn mehr dahintersteckt - es passt ins Gesamtbild: In dieser Phase des Jahres redet einfach jeder mit jedem.
Alonso dürfte sich kaum die Chance entgehen lassen, in einem Adrian-Newey-Auto zu fahren - und von Aston Martins hochmoderner Infrastruktur und der Honda-Werkskooperation zu profitieren.
Zwar wäre der zweite Alpine-Platz - neben dem genannten Werksteam - das einzige freie Cockpit mit dem stark erwarteten Mercedes-Motor für 2026, aber Aston Martin scheint alle Voraussetzungen zu schaffen, um unter dem neuen Reglement konkurrenzfähig zu sein. Daher wirkt ein Alonso-Abgang derzeit schwer vorstellbar.
Viel Lärm um (noch) nichts?
Vieles von dem, was aktuell berichtet wird, wirkt daher noch etwas verfrüht. Es geht vor allem darum, sich verschiedene Optionen offenzuhalten - und genau darum geht es in der Frühphase der Silly Season.
Die Vertragslaufzeiten der aktuellen Formel-1-Fahrer
Franco Colapinto (Argentinien) ist ab dem Rennwochenende in Imola für fünf Grands Prix der zweite Mann bei Alpine und ersetzt in dieser Zeit Jack Doohan, den eigentlichen Alpine-Stammfahrer. Was nach dieser Phase passiert, ist offen. Fotostrecke
Wie schon im Vorjahr hängt vieles davon ab, was Verstappen wirklich will - trotz seiner Aussage, bei Red Bull bleiben zu wollen. Ob die Silly Season eskaliert oder ruhig bleibt, hängt zu einem gewissen Teil vom Niederländer ab. Er hält einige Schlüssel in der Hand, ob eine Kettenreaktion ausgelöst wird oder nicht.
Zum Schluss noch ein cleverer Schachzug von McLaren: Das Team hat Oscar Piastris Vertrag frühzeitig neu verhandelt - besonders nachdem Horner auf die Frage, welchen McLaren-Fahrer er am liebsten verpflichten würde, mit "Oscar" geantwortet hatte. Ob der Fahrermarkt später explodiert oder nicht - McLarens Botschaft ist eindeutig: "Bitte verschont uns damit ..."