
Liebe Formel1.de-Leser,
"Meine Damen und Herren, wir haben unsere Startvorbereitungen soeben abgeschlossen und könnten jetzt eigentlich starten. Leider aber haben wir eine sogenannte Slot-Zeit zugewiesen bekommen. Machen Sie es sich also an Bord gemütlich." Wer hat das als Formel-1-Reisender denn noch nicht erlebt bei einem Wartefenster, angefangen bei zehn Minuten bis hin zu zwei Stunden?
Ja, das Warten. Warten auf den Flug, warten auf das Gepäck, warten auf das Taxi, warten an der Hotelrezeption oder aber im Stau auf dem Weg zur Rennstrecke. Das Warten verbindet alle in der Formel 1 Schaffenden gleichermaßen. Ja, auch Superlizenz-Besitzer teilen dieses eher unliebsame Hobby. Auch für Privatjets gibt es Slots; das Warten auf eine Entscheidung der FIA oder der Stewards nach dem Rennen ist ebenso üblich wie das Warten aufs Essen im angesagten Lokal in Monte Carlo.
Wem das nicht reicht, der sei an jenes Naturereignis erinnert, bei dem eine Aschewolke den Flugverkehr in Europa komplett lahmlegte. Ein Vulkan auf Island mit unaussprechlichem Namen machte für ein Wochenende in Schanghai alle in der Formel 1 gleich: Egal ob Teamchef oder Koch, warten mussten sie alle - einige mehr, einige weniger.
Fragen sie mal Balbir Singh, viele Jahre Betreuer von Michael Schumacher. Er war Rekordhalter im Warten mit einer kompletten Woche bei Rennende in Schanghai! Odysseus wäre vor Neid erblasst bei den Irrfahrten, die den jungen Balbir im Zickzack durch den Nahen Osten führten.

© Lukas Gorys
Dabei hatte alles mit einer Umbuchung des Direktfluges nach Frankfurt begonnen. Das allgemeine Buchungschaos und die Tatsache, dass der Nachname Singh in Middle East einer der gängigsten Terroristennamen ist, ließen den zum damaligen Zeitpunkt Karthikeyan-Betreuer wie eine Flipperkugel durch die Region flitzen. Wenigstens verging die Zeit im Fluge!
Ich selbst erinnere mich an das Warten bis zum Sonnenbrand in Monte Carlo, es war das berühmte Rascasse-Wochenende des Michael Schumacher. Bei ausgezeichnetem Badewetter wartete die versammelte Weltpresse vor dem schattenlosen Vorzelt Stunden auf das fällige Interview. Als Michael nach mehreren dieser Zeiteinheit erschien, tat ich meiner Erleichterung mit den Worten "Puh, das ging ja flott" kund - ein Lacherfolg bei allen, naja, bei fast allen.

© Lukas Gorys
Eine ähnliche Rekordzeit für eine Wartezeit bot die Spanne nach Ablauf des Finalrennens in Jerez 1997 bis hin zum Interview mit... Michael Schumacher. Aber auch der musste als Zaungast warten, bis er 1994 zum ersten Mal Weltmeister wurde. Es dauerte zwar nur Minuten, bis Damon Hill seinerzeit ausfiel, aber fragen Sie mal bei Michael nach, wie lang ihm das Ganze vorkam!
Die Zeit bis zum endgültigen Ergebnis oder der Verkündung der neuen Fahrerpaarung kann sich auch schon mal unvernünftig in die Länge ziehen, da verlieren auch die ruhigsten Fahrer mal die Geduld. Ein Jahr lang haben Adrian Sutil oder Nico Hülkenberg auf den Wiedereinstieg ins Cockpit nicht nur gehofft, sondern vor allem auch gewartet.
Weil Bernie Ecclestone nicht so gerne wartet, haben die Verantwortlichen des Wüstenemirats Dubai in ihrer stoischen Ruhe feststellen müssen, dass die Verhandlungen über einen möglichen Grand Prix in Dubai sich nach Bahrain verlagert hatten. Der Ausgang der Verhandlungen ist bekannt.

© Lukas Gorys
Hauptberufliche Warter sind im Prinzip die Insassen des Medical- und des Safety-Cars. Aber ihnen gönnt wohl jeder gerne, dass sie beruflich nicht zum Einsatz kommen. Eine Rennunterbrechung dagegen zerrt bei allen Beteiligten an den Nerven. Ja wie schön, wenn die lange, lange Saison dann im November zu Ende ist, dann hat das viele Warten ein Ende.
Obwohl, warten wir dann nicht eigentlich schon alle auf den Anfang der neuen Saison? Warten wir es ab...
Euer,