
Liebe Formel1.de-Leser,
Bahrain hin, Paul Ricard in Südfrankreich her, Barcelona ist immer noch die beliebteste Teststrecke der Formel 1, Europaauftakt, Messlatte für Aerodynamik und für mich als mein erstes Formel-1-Rennen immer ein unvergesslicher Ort, mit dem ich so einige Erinnerungen verbinde.
Mit entsprechendem Fernweh ausgestattet stiegen also die Formel-1-Novizen Heiko Wasser und Kai Ebel im Mai 1992 in den Flieger mit Zielflughafen Barcelona. Na ja, ein bisschen geträumt haben wir ja: Hotel vielleicht in der Nähe des Montiuc oder aber am Plaza Catalunya, und die Rennstrecke, die werden wir dann schon finden.
Also, den Touristen sei gesagt, die Beschilderung auf der iberischen Halbinsel glich in den 90ern der Beschilderung, die Odysseus bei seinen Irrfahrten vorgefunden haben muss. Der Circuit de Catalunya, so der Name des ersehnten Ziels, befindet sich vor den Toren Granollers und nicht wie wir Greenhörner dachten, am Rand von Barcelona. Lange Rede, kurzer Sinn, wir kamen zu spät zum ersten Training, aber dadurch dass die Autos ihre Runden drehten, hatten wir die Chance, per Gehör bei heruntergelassener Scheibe das Fahrerlager zu finden.
Unser Hotel, soviel sei gesagt, fanden wir dann in dem über die Landesgrenzen hinaus gewiss nicht bekannten Örtchen Manresa. Überschaubar, und mit unserem Mallorca-Spanisch kamen wir nicht sehr weit. Dafür war der Weckruf verzichtbar, denn ein Flipper sowie ein Geldspielautomat in der Lobby sorgten unter den spielenden Iberern für derartige Diskussionen, dass die dünnen Wände wackelten wie in einem chinesischen Teehaus! Dafür gab es zum Frühstück neben lauwarmem Kaffee noch Schiffszwieback und ein Croissant, das in zahlreichen Kriminalfällen als Mordwaffe gedient hätte... Seit diesem Jahr gastierten wir nicht mehr im "Pere3" zu Manresa.
Als echte Sportfans gehörte für uns selbstverständlich neben den Sehenswürdigkeiten wie La Sagrada Familia, das Olympische Dorf oder auch die Ramblas ebenfalls die Heimat des FC Barcelona dazu. Mit einem uns nicht ganz verständlichen Lächeln schickte uns ein Einheimischer zur Heiligstätte des katalanischen Fußballs. Leicht überrascht waren wir ob des regen Verkehrs, da unseres Fachwissens nach kein Heimspiel anlag.
Viele, viele Autos erzeugten auf dem Vorplatz eine riesige Staubwolke, was war da los? Die journalistische Neugier packte uns, durch das heruntergekurbelte Fenster brauchten wir die Frage nicht mehr stellen - eine 1,90 Meter große falsche Blondine mit üppiger Oberweite und der Stimme von Barry White beseitigte alle Unklarheiten. Vor dem Stadion des FC Barcelona befand sich der Transenstrich...

© Lukas Gorys
Zurück zum Sport: Für RTL kommentierten damals unsere Kollegen Willy Knupp und Jochen Mass das Rennen. Wir als Neulinge belieferten die News und sorgten für das redaktionelle Rahmenprogramm. Aufmerksam lauschten wir, frei jeglichen Fachwissens, dem Originalton, schließlich galt es, beim ersten Rennen so viel wie möglich zu lernen. Umso mehr überraschte es mich, als sich unsere Kollegen in der Kommentatorenkabine voneinander verabschiedeten. Schließlich waren noch einige Rennen zu fahren? Des Rätsels Lösung: Jochen machte zu diesem Zeitpunkt den Ballonführerschein und hatte Abschlussprüfung. Es gab halt noch Wichtigeres als die Formel 1!
Diese ganzen Eindrücke musste ich erstmal verarbeiten, aber viel Zeit gab es dafür nicht. Streiks beim Bodenpersonals der fliegenden Zunft (sowas soll in ganz wenigen Fällen ja vorkommen) nötigten uns zunächst, in Windeseile den Flughafen zu erreichen, nachdem der Heimflug ursprünglich schon auf später verschoben war, um dann später das Thema Selbstbedienung auf völlig neuem Terrain zu erfahren. Ja, wir durften in Düsseldorf am Rollfeld selber unsere Koffer aus dem Flugzeug holen! Was für ein Abschluss des Einstiegs in die Formel 1...