
Liebe Formel1.de-Leser,
wenn meine Kollegen Florian König und Niki Lauda sonntäglich die Zuschauer zur Formel 1 begrüßen, ist das nur die Spitze des Eisbergs. Bis zu 50 Kollegen vor Ort je nach Rennen sorgen dafür, dass das Produkt Formel 1 in die Wohnzimmer flattert. Vor und hinter den Kulissen wird tagelang alles dafür getan, daß der Formel-1-Fan zuhause auf seine Kosten kommt.
Im TV beginnt das Rennwochenende für die meisten Zuschauer am Samstag, das RTL-Team fängt aber oft schon dienstags oder in Übersee noch früher mit den Vorbereitungen an. Neun Tonnen Technik müssen schließlich von Köln aus um die Welt reisen. Die Techniker verlegen an der Rennstrecke 5.000 Meter Glasfaserkabel, schließlich kommen die Bilder des Rennens ja nicht mit dem LKW in die deutschen Wohnzimmer.
Das Technikmaterial des TV-Partners WIGE einschließlich vier HD-Kameras, drei Editing-Systeme, drei vernetzte Schnittplätze mit 80 TB Datenspeicher und einer digitalen Regie ist innerhalb von 72 Stunden weltweit einsetzbar und bei so manchem Rennen wie zum Beispiel Indien einer großen Belastung ausgesetzt. Die Umweltverschmutzung und der Smog auf dem Subkontinent machen sich nicht nur in den Kehlen der Besucher bemerkbar. Aber auch ein gelegentliches Unwetter kann selbst bei europäischen Rennen gehörig den Ablauf durcheinanderwirbeln, sei die Planung auch noch so akkurat.
Zum Glück packt dann einfach jeder mit an. So geschehen in Monte Carlo an einem Rennwochenende in den frühen 1990ern, das eher einer Seebestattung glich. Also: Der TV-Compound, in dem die Wagenburg aller Ü-Wägen ihr Zuhause hat, stand - weil in Ufernähe - komplett unter Wasser, die wenigsten Schnittplätze waren einsetzbar. Der Zuschauer aber hat ja ein Recht auf Programm und unsere damals noch beschauliche Zehn-Mann-Truppe hatte dafür zu sorgen. Nur wie, wenn die Maschinen streiken?
Gefragt und gebeten haben wir diejenigen, deren Einheiten noch funktionierten. Unter Zeitdruck stürze ich mit den Kassetten unter dem Arm in die Schneideeinheit und erkläre dem äußerst netten Cutter, der für die Verarbeitung des Rohmatarials zuständig ist, meine Pläne, Musikeinsatz, Schnittfolge etc. Es geht alles recht flott, aber irgendwann verbindet der Cutter zwei Filmelemente mitteinander, die schon beim Zusehen schmerzen.

© Lukas Gorys
Also die kurze Frage: Total auf total als Einstellung geht doch nicht! Antwort: Wie du willst. Oder eher mit einer Blende? Wie du willst. Oder doch einen Zwischenschnitt? Wie du willst. Daraufhin packe ich den Experten bei der Berufsehre: Du bist doch der Cutter und damit Herr der Bilder. Die Antwort: Nö, ich habe nur den Ü-Wagen hier nach Monte Carlo gefahren, aber das Filme schneiden macht irre Spaß! Erfahrung, die man auf solchen Reisen sammelt und braucht…
Jeder unserer Mitarbeiter kennt dutzende solche Geschichten. Schließlich sitzen wir alle nicht nur in einem Boot, sondern auch im Rennrhythmus täglich vor Ort in Konferenzen zusammen. Die technische Vorhut beginnt bei einem Europa-Grand-Prix am Dienstag/Mittwoch mit dem Aufbau, und die Redaktion versucht ab Donnerstag die theoretischen Pläne in die Praxis umzusetzen.

© Lukas Gorys
Außer den täglichen Konferenzen ist die freitägliche Kommunikationsprobe mit den meisten Beteiligten ein vorläufiges Highlight. Wie der Name schon sagt, werden hier die Kommunikationswege zwischen Ü-Wagen/Regie, den Kommentatoren und Moderatoren gecheckt. Schließlich hilft es, wenn wir auf Sendung gehen, dass jeder den anderen versteht und die Hintermannschaft im Ü-Wagen auch mit uns sprechen kann.
Zu einem Moderatorenteam gehören jeweils ein Aufnahmeleiter für Organisatorisches, ein Kameramann, ein Tontechniker und manches Mal auch ein Techniker mit einem Monitor. Im Fernsehen ist Teamwork alles, denn was nutzt es, wenn der Moderator nach links geht, der Kameramann nach rechts und der Tontechniker gerade eine Überspielung nach Köln hört?
Ohne die Hintermannschaft wäre eine Übertragung schlicht unmöglich.

© Lukas Gorys
Abgesehen von der technischen Ausrüstung müssen auch zehn Jahre Archivmaterial selektiert und richtig eingesetzt werden. Die richtige Mischung aus vorhandenem und aktuellem Material runden schleßlich die Übertragung ab. Das Rennen dauert zwar nur maximal zwei Stunden, aber wir senden ja bereits vor und nachher mehr als eine Stunde. Aber wer möchte sein Essen schon ohne Vor- und Nachspeise genießen?
Euer,