
Liebe Formel1.de-Leser,
Formel-1-Weltmeister Lewis Hamilton kann die Kritik von Formel-1-Zampano Bernie Ecclestone an aktuell mangelnder Spannung nicht nachvollziehen
"Warum sollte er sich langweilen? Ich langweile mich überhaupt nicht", wird Hamilton, bezugnehmend auf Ecclestones Aussagen, von der chinesischen Nachrichtenagentur 'Xinhua' zitiert. "Er muss halt irgend etwas sagen, aber wenn er sich jetzt langweilt, dann muss er sich schon seit vielen Jahren langweilen", spielt der dreimalige und amtierende Weltmeister auf die Dominanz von McLaren, Williams, Ferrari, Renault und Red Bull in den Jahren und Jahrzehnten vor der aktuellen Silberpfeil-Ära an.
Damals spielte der Fußball die Hauptrolle, heute die Formel 1. Nur ich, der ich mit dem Motorsport nicht gerade verwachsen war (weder Karttalent, noch an der Nordschleife groß geworden, eher in der Nordkurve), kam zur Königsklasse wie die Kuh zum Ei! Die Fußballrechte gingen weg und mein damaliger Chef Burkard Weber (heute Sportchef Sky) überredete mich, ein Rennen zu besuchen. Reiseziel: Barcelona, Datum: Mai 1992. Da verliebte ich mich sofort in einen Sport, der sich wie eine Olympiade im 14-Tages-Rhythmus präsentierte, mit all seinen Facetten.
Zusammen mit einem gewissen Heiko Wasser versuchte ich im Selbstverständnis des deutschen Spanien-Touristen die Rennstrecke mit dem gesunden Menschenverstand zu finden. Wir hatten die Rechnung ohne die nicht immer so perfekte iberische Straßenbeschilderung gemacht. Mit offenem Fenster auf Gehör fahrend haben wir das Ziel verspätet während des Trainings erreicht, ohne das irgendjemand auch nur auf uns gewartet hätte. Laut, chaotisch, international und unglaublich vielseitig, das war sie also, die Formel 1! Senna, Mansell und Schumacher, was für Typen, da wollte ich bleiben. Dass es mittlerweile über 20 Jahre sind, daran hatte ich 1992 nicht gedacht.

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Seitdem hat sich in der Königsklasse einiges geändert, aber die Rituale bleiben. Eine Saison beginnt im Prinzip Januar/Februar mit den Präsentationen der neuen Autos.
Schon damals Anfang und Mitte der 90er gab es große Unterschiede zwischen den Teams. Während bei Williams ein paar Mechaniker das Tuch hoben und Kaffee und Gebäck reichten, sorgte McLaren für hollywoodreife Aufführungen in London mit den Spice Girls! Eddie Jordan trat bei der Vorstellung seiner Boliden in einem Musical-Theater am Oxford Circus in London gerne mal als Zauberer auf, Sauber präsentierte vor 20.000 Fans im Züricher Eisstadion mit einer Show auf Rädern und Kufen. Umgekehrt wäre urkomisch geworden: Peter Sauber als David Copperfield und Eddie Jordan vielleicht als Eishockeycrack?!
An das Event in Zürich erinnere ich mich deswegen so gut, da ich die Veranstaltung gemeinsam mit dem Schweizer Original Berni Turnherr moderieren durfte. Meiner Person gegenüber waren die Schweizer wegen der befürchteten Übernähe zu Michael Schumacher eher skeptisch. Zwei Sätze in Schwyzerdütsch gaben mir dann aber die Möglichkeit, den Abend unter Freunden zu beenden. Einen Abend der Superlative, wie es damals üblich war.
Heute dagegen nutzen die meisten Teams die ersten Testfahrten als Präsentationstermin, es geht eben auch weniger aufwendig. Die sportliche Lösung wird heutzutage einfach lieber gesehen als aufwendige Inszenierungen. Die Wahrheit liegt halt auf der Strecke. Dort folgen die sogenannten Testfahrten, die ich immer gerne als Schattenboxen bezeichne. Es werden immer wieder Zeiten genommen, aber nur allzu Eingeweihte wissen, wer wirklich was unter welchen Umständen getestet hat - deswegen ja "Testfahrten"! Die Chance, sich als Fachjournalist hier mit falschen Prognosen zu blamieren, ist günstig. Deswegen überlasse ich Prognosen gerne den Astrologen. Wer wirklich welches Potenzial hat, erfahren wir wohl frühestens in Melbourne beim Trainingsauftakt des ersten Grand Prix.

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Wie also bereite ich mich am besten auf die lange Saison vor? Wenn man nicht bei den Testfahrten oder Präsentationen vor Ort ist, gibt es ja heute umfassende Möglichleiten in allen Medien, das Geschehen auch aus der Ferne hautnah zu verfolgen! Aber nach wie vor bin ich der Meinung, nichts ersetzt die Recherche durch persönliche Gespräche. Besonders wichtig dabei: den richtigen Menschen zum richtigen Thema befragen! In meinem ersten Jahr in der Formel 1 habe ich fälschlicherweise noch geglaubt, aus einem Marketingexperten Informationen über einen Defekt bei der aktiven Radaufhängung herauszubekommen. Naja, nicht immer kann derjenige, der das richtige Teamoutfit trägt, auch die richtige Antwort geben. Zu manchen Themen wendet man sich auch besser an die Konkurrenz, um an die richtigen Inhalte zu gelangen.
Jetzt aber freue ich mich zunächst auf eine weitere spannende Saison mit vielen neuen Reizen und tollen deutschen Aspekten. Immerhin ist Sebastian Vettel mittlerweile tatsächlich auf Michael Schumachers Spuren. Nico Rosberg kämpft bei Mercedes gegen einen der schnellsten Piloten im Feld. Nico Hülkenberg darf vielleicht vom ersten Sieg bei Sauber träumen, das Zeug dazu hat er aus meiner Sicht.
Einen Deutschen allerdings werde hoffentlich nicht nur ich vermissen, Timo Glock.
Er war sportlich und menschlich eine Bereicherung für die Formel 1. Deswegen an der Stelle eins meiner Lieblingszitate von Timo, als er letztes Jahr im unterlegenen Marussia die Weltelite vor sich her trieb: "Rein rechnerisch ist die WM noch drin!"
Dem ist nichts hinzuzufügen, denn genau das gilt momentan für jeden einzelnen der Superlizenzinhaber.
Liebe Grüße,