Formel-1-Farce Indianapolis 2005: Was damals wirklich geschah

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Formel-1-Farce Indianapolis 2005: Was damals wirklich geschah

Beitrag von Redaktion » 19.06.2020, 16:53

Wie es zum Skandalrennen in Indianapolis 2005 kam und warum die Formel 1 beim US-Grand-Prix keine bessere Lösung fand als sechs fahrende Autos

Nur sechs Autos standen 2005 in Indianapolis am Start

Eigentlich hätten schon im ersten Freien Training die Alarmglocken schrillen müssen. Doch der Dreher von Toyota-Testfahrer Ricardo Zonta nach Reifenschaden hinten links war zunächst nicht viel mehr als eine Randnotiz für die Beobachter des US-Grand-Prix 2005 in Indianapolis. Tatsächlich war dieser Dreher das erste Anzeichen für ein großes Problem.

Im zweiten Freien Training am Nachmittag wurde eben dieses Problem offenbart, erneut ausgelöst durch einen Toyota-Zwischenfall: Dieses Mal verunfallte Ralf Schumacher ausgangs der überhöhten Kurve 13, wieder aufgrund eines Reifenschadens. Erneut hatte ein Michelin-Pneu nachgegeben.

Doch an die Reifen dachte im ersten Moment noch niemand. "Ralfs Unfall war ziemlich heftig. Wir waren erst einmal erleichtert, dass er aus dem Auto herauskam", sagt der damalige Toyota-Teamchef John Howett.

"Es ist wie mit alten Hängebrücken im Wind"

Erst danach begann die Ursachenforschung, alsbald geriet der linke Hinterreifen in Verdacht, den Crash ausgelöst zu haben. "Dann kam Jarno [Trulli] an die Box und schien vertikale Schnitte in der Seitenwand seines linken Hinterreifens zu haben", meint Howett. "Da wussten wir, wir haben ein Problem."

Die Fragezeichen aber wurden größer und größer: Michelin dachte zunächst, Toyota hatte mit dem Luftdruck gespielt und sich dabei verzockt. Das war aber nicht der Fall. "Wir waren nicht mal ansatzweise am unteren Drucklimit gefahren", sagt Howett.

Dann erkannten plötzlich auch andere Teams Schäden an ihren Michelin-Reifen. "Einer von Michelin sagte uns, er hätte bei drei, vier anderen Rennställen etwas Ähnliches festgestellt", erklärt Howett rückblickend. "Etwa eine Stunde nach dem zweiten Training war klar, dass wir hier ein Reifenproblem hatten."

Ralf Schumacher verunfallt im Freien Training durch Reifenschaden schwer

Michelin berief ein Treffen ein, wollte über Nacht an einer Lösung arbeiten. Zunächst hatte man fehlerhafte Reifensätze im Verdacht. "Ich glaube aber, [Michelin] wusste zu diesem Zeitpunkt schon recht genau, dass die Reifen nicht aus der gleichen Produktionsreihe stammten", sagt Howett. "Das wollten sie verifizieren und über Nacht weitere Tests laufen lassen."

Tags darauf lag die Auswertung aus dem Michelin-Werk in Clermont-Ferrand vor. Sie brachte die Erkenntnis, dass die Kurvenüberhöhung den Michelin-Reifen zu sehr zusetzte. "Es ist wie mit alten Hängebrücken im Wind. Wenn die Frequenz stimmt, dann fallen sie auseinander", meint Howett. Und es wurde vermutet: Chassis und Aufhängung am Toyota TF105 könnten den Effekt noch verstärkt haben.

Der damalige Formel-1-Rennleiter Charlie Whiting wurde in Kenntnis gesetzt. Er sagte 2015: "Michelin meldete uns, es würden zu große Kräfte an den Reifen arbeiten. Die Reifenwand würde sich verbiegen."

"Auf einmal steckten sie in großen Schwierigkeiten"

Also erließ der Reifenhersteller entsprechende Vorgaben an seine Teams für das Samstagstraining. "Wir sollten uns eher am oberen Ende des Luftdruckfensters bewegen", sagt Howett, "und nach Möglichkeit nicht zu viel fahren, mit weniger Sprit, um die Reifen nicht zu sehr zu belasten."

Die Michelin-Teams rückten gemäß der Anweisungen fast ausschließlich nur zu kurzen Runs aus. "Bei ein, zwei Teams, die länger draußen waren, traten in den Seitenwänden der Reifen aber wieder leichte Spuren auf", meint Howett.

Trotzdem lief der Rennbetrieb weiter - und Toyota holte mit Trulli sogar die Poleposition. "Wahrscheinlich, weil wir noch weniger Sprit im Tank hatten als die anderen, denn wir schienen ein ernsteres Problem zu haben", sagt Howett. "Deshalb waren wir besonders vorsichtig."


USA 2005: Die Farce von Indianapolis

Es beginnt mit einem Unfall: Im ersten Freien Training erleidet Ralf Schumacher in der Steilkurve einen Reifenschaden und schlägt heftig in die Mauer ein. Der Deutsche fällt für das restliche Wochenende aus. Zu diesem Zeitpunkt behauptet man bei Michelin noch, dass kein generelles Problem mit den Pneus vorliegt. Doch schnell wird klar: Hier liegt etwas ganz gewaltig im Argen ...

Damit war die Reifenfrage aber nicht beantwortet. Zumal sich Michelin nicht anders zu helfen wusste, als Rennleiter Whiting um eine Einbremsung der Fahrzeuge zu bitten. "Ich sagte: Es muss doch eine andere Lösung geben. Wir [konnten] die Autos nicht einbremsen. Das wäre nicht fair [gewesen] gegenüber denjenigen, die taugliche Reifen dabei hatten", so Whiting.

Er habe Michelin angewiesen, andere Reifen bereitzustellen. Doch Michelin hatte nicht genügend andere Reifen vor Ort. Und eine Ersatzmischung gab es nicht: "Das war das grundlegende Problem", sagt Whiting. "Man hatte den sogenannten 'Prime' und hätte eigentlich einen 'Option' als Back-up haben sollen."

Allerdings hatten die Reifenhersteller längst den Option-Pneu zu einer Art "Qualifying-Reifen" gemacht, was dem eigentlichen Auftrag widersprach. Der 'Option' kam als Ersatzreifen nicht in Frage. "Auf einmal also steckten sie in großen Schwierigkeiten", sagte Whiting. Und das war jetzt allen Beteiligten klar.

Warum keine Schikane in Kurve 13 aufgebaut wurde

Bei einem weiteren Michelin-Treffen wurde daher der Einbau einer Schikane diskutiert, nach dem Vorbild des Spanien-Grand-Prix 1994, wo das als Reaktion auf die tödlichen Unfälle in Imola kurzfristig umgesetzt worden war.

Howett erklärt: "Kurve 13 wurde als Problemstelle ausgemacht. Dort hatte Ralf seinen Crash gehabt. Der Vorschlag an Bernie Ecclestone und [Indy-Boss] Tony George lautete daher, vor Kurve 13 eine Schikane einzubauen, um die Autos dort langsamer zu machen."

Die Verantwortlichen zeigten sich einsichtig, so sagt Howett weiter. "Bernie meinte: 'Ok, das könnt ihr mir überlassen.' Tony signalisierte ebenfalls 'kein Problem', und dass er sein Personal beauftragen würde. Wir gingen daher davon aus, dass am Sonntagmorgen eine Schikane aufgebaut sein würde. Und die Michelin-Teams sagten, sie würden auch auf Punkte verzichten, wenn ein Problem auftreten sollte."

Alle Michelin-Teams biegen vor dem Start in die Boxengasse ab

Whiting allerdings meinte 2015, eine Schikane sei von Anfang an keine Option gewesen. Begründung: "Ich bin für die Sicherheit auf der Strecke verantwortlich. Wenn ein Kurs in einer Konfiguration homologiert ist, dann kann ich ohne gewissenhafte Simulationen nicht einfach sagen, wir bauen jetzt eine Schikane ein. Was, wenn ein Auto die Schikane trifft und ein Reifen über den Fangzaun fliegt?"

Das Fazit des Formel-1-Rennleiters, 2005 wie 2015: "Es gab keine Chance, dass wir [eine Schikane] einbauen."

So sah das auch der damalige FIA-Präsident Max Mosley, der sich per Telefon aus Paris über die Vorgänge in Indianapolis auf dem Laufenden halten ließ und Whiting in dessen Position beipflichtete.

26 Reifen im McLaren-Privatjet auf Forschungsreise

Michelin zog derweil alle Register und flog 26 Reifen zu seiner Forschungseinrichtung in Akron, Ohio - in einem Privatjet von McLaren. Mit an Bord: Formel-1-Technikchef Jo Bauer und drei Michelin-Ingenieure. Ihre Reise erwies sich jedoch als umsonst: Die zahlreichen Tests brachten keine neuen Erkenntnisse. Am Sonntagmorgen um 6 Uhr früh war Bauer zurück, ergebnislos.

Es gab keine Schikane und keine andere Lösung, aber etliche weitere Treffen der Verantwortlichen vor Ort, mit Michelin. Und nun kamen auch rechtliche Fragen ins Spiel.

Statt einer Schikane schlugen FIA-Vertreter vor, sie könnten das Reifenreglement nur für dieses Rennen lockern und die - 2005 eigentlich untersagten - Reifenwechsel in Indianapolis zulassen. Oder: Die Fahrer könnten in Kurve 13 vom Gas gehen, vielleicht sogar mittels eines umgepolten Boxenlimiters.

Auch die Möglichkeit von zwei getrennten Fahrspuren, eine für die langsameren Michelin-Autos, eine für die schnelleren Bridgestone-Fahrzeuge, wurde in den Raum gestellt.

Ein Krisenmeeting jagt das nächste - ohne zufriedenstellendes Ergebnis

Mosley telefonierte derweil mit George. Gegenstand der Diskussion: "Zu versuchen, die Show weiterlaufen zu lassen und den Fans das zu geben, wofür sie bezahlt haben." So formuliert es Streckenchef George später.

Derweil setzten die Michelin-Teams Rennleiter Whiting unter Druck. "Sie sagten mir: 'Du musst [die Schikane einbauen lassen], sonst gibt es kein Rennen.' Ich sagte: 'Es wird keine Schikane geben, also macht euch Gedanken. Und wenn ich gebraucht werde, ich bin in meinem Büro.'"

Tatsächlich spielten die Verantwortlichen mit diversen Ideen, mit einer Boxengassen-Durchfahrt in jeder Runde, mit Speedlimits nur für die Michelin-Autos und weiteren Vorschlägen.

"Wir hätten es hinkriegen können", sagte Whiting. "Wenn man gewollt hätte, dann hätte man eine Lösung gefunden. Ja, es wäre katastrophal gewesen für die Michelin-Teams, aber es hätte wenigstens ein Rennen gegeben, und die Michelin-Teams hätten sich untereinander ein Rennen geliefert - in einem kompletten Feld."

Whiting präferierte eine Geschwindigkeitskontrolle in Kurve 13, gemessen mit einer Radarpistole, setzte sich damit aber nicht durch. "Ich fragte immer und immer wieder nach einer sicheren Geschwindigkeit für diese Passage, aber man konnte es mir nicht sagen", erklärte er. "Wenn ich also eine Schikane baue, wer sagt mir, dass das Tempo dann sicher wäre?"

Ferrari verzichtet auf Krisentreffen, Ecclestone interveniert

Die Schikane, die eigentlich schon immer vom Tisch war, habe dann plötzlich Gestalt angenommen. "Nach dem Porsche-Rennen hieß es: 'Die nehmen Reifen bei Kurve 10 weg und bauen eine Schikane." Whiting sei fassungslos gewesen und habe nur "Wie bitte?!" antworten können. Doch tatsächlich: "Als ich auf die Strecke kam, sah ich Traktoren viele Reifen bewegen."

Formel-1-Chef Ecclestone soll den Umbau angeordnet haben. Doch Whiting unterbrach die Arbeiten. "Ich sagte: 'Wenn hier Reifen versetzt werden, ist die Strecke nicht mehr homologiert und es gibt gar kein Rennen. Also: Zurückstellen!'"

"Ob es Bernie angeleiert hatte oder nicht, daran erinnere ich mich nicht", sagt Streckenchef George. "Wir waren jedenfalls bereit, das Notwendige zu tun, eine Schikane zu bauen. Doch es wurde klar: Das war etwas, das nicht in unserer Kontrolle lag."

Ecclestone verhandelt mit Todt, doch ohne Erfolg. Ferrari will keine Schikane.

Und Michelin wurde das Risiko zu groß. Zumal Ferrari-Teamchef Jean Todt aus der Riege der Bridgestone-Teams keinen Grund sah, sich auf irgendetwas einzulassen, nachdem Ferrari zuvor bereits auf die Teilnahme an vorangegangenen Krisentreffen verzichtet hatte.

"Bernie wollte nochmal mit Todt verhandeln", meint Howett. "Ferrari hatte versucht, die Sache zu blockieren, weil es ihnen unfair ihnen selbst gegenüber erschienen war. Das war auch eines der Argumente von Max und der FIA."

Inzwischen stand der Rennstart unmittelbar bevor. Also schaltete sich Renault-Teamchef Flavio Briatore ein, um gemeinsam mit Ecclestone erneut auf Todt einzureden, mit Mosley telefonisch zugeschaltet. Doch wieder erteilte Mosley einer Schikane eine Absage.

Warum standen die Autos in der Startaufstellung?

Knackpunkt: Würden die Veranstalter in Indianapolis gegen eine FIA-Vorgabe handeln, das Rennen würde seinen FIA-Status verlieren und damit auch kein WM-Lauf mehr sein.

Schließlich lenkten die Teams ein. Alle Michelin-Vertreter verabredeten, nicht ins Rennen zu gehen. Das mussten sie nur noch ihren Fahrern nahebringen.

"Sicherheit geht vor, Ende." So formulierte es Renault-Mann Pat Symonds. "Es ging nicht. Und eine Schikane ging auch nicht. Man muss es auf den kleinsten gemeinsamen Nenner bringen, und der lautet: Wenn du es nicht gebacken kriegst, dann geht es eben nicht."

McLaren-Teamchef Ron Dennis gibt Kimi Räikkönen die Anweisung, nicht zu starten

Howett hatte für eine "sinnvolle Lösung" plädiert. "Unterm Strich aber waren sich die Michelin-Teams darin einig, dass es keinen Unterschied macht, ob man nach einer Runde wieder an die Box fährt, ob man [jede Runde] durch die Boxengasse fährt oder ob man mit reduzierter Geschwindigkeit durch [Kurve 13] fährt."

Warum aber fanden sich die Michelin-Teams dann trotzdem in der Startaufstellung ein? "Weil wir vertraglich dazu verpflichtet waren, durch das Concorde-Agreemen", sagt Howett.

Man hatte Rennleiter Whiting über die Absicht des Startverzichts in Kenntnis gesetzt. "Ich war darauf vorbereitet", sagte Whiting später. "Ich war mir nur nicht sicher, ob es wirklich passieren würde. Sicher war ich mir nur, dass wir das Rennen fahren würden."

Alonso: "Sollte das Gleiche machen wie Kimi"

Die Formel 1 habe an diesem Tag bewiesen, dass sie dem Druck der Teilnehmer standhalten könne. "Wenn sie nicht mit dem richtigen Material daherkommen, dann können wir doch nicht die Regeln ändern, nur weil sie nicht vorbereitet sind", sagte Whiting.

Er fragte: "Wie wäre es denn gewesen, wenn es andersherum gewesen wäre? Hätten die Michelin-Teams angeboten, eine Schikane für die drei Bridgestone-Teams zu errichten?"

Indianapolis-Chef George wusch zu diesem Zeitpunkt bereits die Hände, weil sie ihm ohnehin gebunden gewesen seien. "Die FIA veranstaltet diesen Wettbewerb, nicht wir", meint er. "Bei einem IndyCar-Event wären wir vielleicht zu einem anderen Schluss gekommen."

Auch WM-Leader Fernando Alonso muss abbiegen, weil Räikkönen an die Box fährt

Und er habe schon geahnt, was weiter passieren würde: "Unter gar keinen Umständen würde ich da draußen die Zielflagge schwenken und auf einem Podium stehen, wenn mich die Leute mit Bierdosen bewerfen."

Die Entscheidung war also gefallen. Und nach der Einführungsrunde bogen tatsächlich alle Michelin-Fahrer in die Boxengasse ab, nur die sechs Bridgestone-Fahrer gingen ins Rennen. Doch Misstrauen regierte bs zum letzten Augenblick das Geschehen.

"Ich kämpfte mit Kimi [Räikkönen] um den Titel", sagt Renault-Fahrer Fernando Alonso. "Er war Zweiter in der Startaufstellung, ich war Sechster. Und ich hatte die Anweisung, in den Grid zu fahren, wenn er in den Grid fährt, in die Boxengasse zu fahren, wenn er in die Boxengasse fährt. Ich sollte einfach das Gleiche machen wie er, falls er sich im letzten Moment umentscheidet."

"Ihr hättet die Buhrufe hören sollen"

Die Einführungsrunde sei "stressig" gewesen, das Unverständnis allseits groß. "Was am meisten frustriert hat, war, dass Ferrari und FIA eine Änderung der Strecke nicht wollten, obwohl wir ihnen alle Punkte überlassen hätten", meint Sauber-Fahrer Jacques Villeneuve.

"Sie wollten nicht zum Wohle des Sports agieren. Es ist ja nicht so, dass wir nichts hätten machen können. Es ging nur einfach nicht."

Und die Michelin-Teams schauten nur noch zu. "Vermutlich hatte es ihnen Michelin befohlen", meint Formel-1-Rennleiter Whiting später. "Ich war nicht überzeugt gewesen, dass sie sich alle solidarisch zeigen würden, aber sie hatten einen großen Pakt geschlossen. Alle haben sich daran gehalten."

Die Fans sind aufgebracht und fordern ihr Geld zurück

Doch das Publikum vor Ort in Indianapolis war außer Rand und Band. Der Start sei "schrecklich" gewesen, sagt Whiting nicht ohne Grund. "Ihr hättet die Buhrufe hören sollen. Ich wollte nur noch weg, auch wenn sie es nicht auf mich abgesehen hatten."

"Ich machte mir nur Sorgen, als die ersten Bierdosen in Kurve 1 auf die Strecke flogen. Ich dachte mir: Wenn das so weitergeht, müssen wir das Rennen abbrechen."

Das Rennen aber lief durch, mit sechs Autos. Michael Schumacher siegte vor Ferrari-Teamkollege Rubens Barrichello und erzielte seinen einzigen Saisonsieg. Platz drei ging an Tiago Monteiro im Jordan, der so seinen einzigen Formel-1-Podestplatz erreichte.

"Wir hatten keine Ahnung von den Folgen"

Fall erledigt? Mitnichten! Denn unmittelbar nach dem Rennen fetzten sich Michelin und der Automobil-Weltverband noch einmal ausführlich. Die FIA konnte den Reifenhersteller aber nicht direkt bestrafen, weil Michelin kein Formel-1-Teilnehmer war, sondern nur Lieferant. Am Ende verständigte man sich auf eine Kostenbeteiligung am US-Grand-Prix 2006 zugunsten der Ticketkäufer.

Die sieben Michelin-Rennteams wurden vor das FIA-Gericht bestellt und für schuldig befunden. Begründung: Sie hatten "nicht sichergestellt, im Besitz von passenden Reifen" zu sein und die Fahrer vom Rennfahren abgehalten zu haben, wenngleich es auch "mildernde Umstände" gegeben habe.

Freude sieht anders aus: Michael Schumacher gewinnt vor Rubens Barrichello

Tatsächlich ließ man schließlich die meisten Anklagepunkte fallen, wohl auch auf Anraten von Ecclestone, der Wind bekommen hatte von der Rechtsberatung, die Michelin und Co. sich besorgt hatten. Tenor: Wären die Michelin-Teams angetreten, die potenziellen rechtlichen Folgen wären gravierender gewesen.

Michelin gab 2006 in Indianapolis zwar jede Menge Gratistickets aus, der Schaden war aber schon angerichtet: Das Image der Formel 1 hatte erheblich gelitten, die Rennserie war für die meisten US-Fans "unten durch".

"Wir hatten keine Ahnung, was die Folgen sein könnten", erklärt Streckenchef George. "Wir wussten nur, es würden große Folgen sein." Er sollte Recht behalten: Nach 2007 kam die Formel 1 nicht erneut nach Indianapolis und erst 2012 mit dem Circuit of The Americas in Austin zurück in die USA.


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Zuletzt geändert von Redaktion am 19.06.2020, 16:53, insgesamt 6-mal geändert.

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Re: Formel-1-Farce Indianapolis 2005: Was damals wirklich geschah

Beitrag von CompraF1 » 19.06.2020, 17:14

Liege ich jetzt falsch wenn ich behaupte, dass das einzige was geholfen hätte Regen wäre? Das ein Rennen unter Intermediates bzw Full Wet Reifen hätte statt finden können, wenn ausgerechnet an dem Tag die Bedingungen so wären?
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Re: Formel-1-Farce Indianapolis 2005: Was damals wirklich geschah

Beitrag von Derbe_klopp_te » 19.06.2020, 17:40

Ja, regen hätte wahrscheinlich geholfen. Bis es trocken geworden wäre.
Ich habe in dem Artikel garnicht neues Gelesen, etwas reißerisch die Überschrift, aber das kenn man ja.
Meiner Meinung nach hätte man für die Michellin-Teams Reifenwechsel erlauben sollen, sodass sie alle 5-10 Runden reingehen und neue Pneus aufziehen. Keine Ahnung, warum man sich darauf nict einigen konnte

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Re: Formel-1-Farce Indianapolis 2005: Was damals wirklich geschah

Beitrag von Rundumlicht » 19.06.2020, 17:52

Erstmal Danke.
Das war ja mal ein interessanter "Lückenfüller". Ich hab damals das Rennen gesehen.

Natürlich war das eine Farce, aber man hätte auch anders und unkonventionell entscheiden können:

Alle Autos fahren zwingend (die funktionierenden) Bridgestone Reifen. Vertrag hin oder her. Vielleicht hätte man welche einfliegen und ggf. die Beschriftung übermalen lassen müssen. Na und? OK. Ein Michelin-Team hätte Nachteile gehabt mit "fremden" Pneus. Aber weniger Nachteil, als gar nicht zu starten.

Dem Zuschauer an der Strecke und dem Zuschauer am TV wärs egal gewesen, es hätte ein Rennen geben können. Und nur darum gings doch. Eine Streckenänderung war, wie ausgeführt, nicht homologiert und zulässig, Reifenänderungen jedoch machbar (die F1-Teams haben jahrelang auch lustig Bremskomonenten Brembo vs. Carbone getauscht).
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Re: Formel-1-Farce Indianapolis 2005: Was damals wirklich geschah

Beitrag von Calvin » 19.06.2020, 18:11

Rundumlicht hat geschrieben: 19.06.2020, 17:52 Alle Autos fahren zwingend (die funktionierenden) Bridgestone Reifen. Vertrag hin oder her. Vielleicht hätte man welche einfliegen und ggf. die Beschriftung übermalen lassen müssen. Na und? OK. Ein Michelin-Team hätte Nachteile gehabt mit "fremden" Pneus. Aber weniger Nachteil, als gar nicht zu starten.
Ich bezweifle dass Bridgestone, welches 3 Auto beliefert hat, genügend Reifen für 7 weitere Teams hatte. ;)

Im Artikel fehlt allerdings dass Michelin stabilere Reifen einfliegen hat lassen - aber das wollte die FIA nicht zulassen.
Von dem her gebe ich bis heute der FIA eine grosse Mitschuld an der ganzen Misere. Ich hatte damals Gefühl die wollten den starken Max markieren.

Dass man aus Sicherheitsgründen Schikanen eingebaut hat wäre nicht das erste Mal in der F1 gewesen.

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Re: Formel-1-Farce Indianapolis 2005: Was damals wirklich geschah

Beitrag von Rot234 » 19.06.2020, 20:27

Das Rennen war doch herrlich !

Ich höre immer noch Heiko Waßer beim Start "...DIE FARCE BEGINNT " und Christian Danner, der sich köstlich amüsiert :lol:

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Re: Formel-1-Farce Indianapolis 2005: Was damals wirklich geschah

Beitrag von schumi791 » 19.06.2020, 21:41

Calvin hat geschrieben: 19.06.2020, 18:11 Ich bezweifle dass Bridgestone, welches 3 Auto beliefert hat, genügend Reifen für 7 weitere Teams hatte. ;)

Im Artikel fehlt allerdings dass Michelin stabilere Reifen einfliegen hat lassen - aber das wollte die FIA nicht zulassen.
Von dem her gebe ich bis heute der FIA eine grosse Mitschuld an der ganzen Misere. Ich hatte damals Gefühl die wollten den starken Max markieren.

Dass man aus Sicherheitsgründen Schikanen eingebaut hat wäre nicht das erste Mal in der F1 gewesen.
Hätten die Michelin-Teams die stabileren Reifen genutzt, welche extra eingeflogen wurden, wäre das ein Regelverstoß gewesen. Abgesehen davon entschieden sich die Michelin-Teams am Ende selbst gegen die Verwendung der Reifen, da diese noch nie auf dieser Strecke mit dem speziellen Asphalt und der ebenfalls speziellen Kurve 13 verwendet wurden.

In der Summe hat Michelin hier einfach schlicht und ergreifend versagt und alle Lösungsvorschläge welche hier genannt worden sind, hätten doch kein gutes Rennen geboten.

Eine Schikane am Rennsonntag einzubauen für die Michelin-Teams ist auch ziemlich unfair, in Anbetracht der Tatsache, dass das Qualifying auf der regulären Strecke stattfand. Verständlich das hier Ferrari sein Veto einlegt.

Das Whiting als Sicherheitsbeauftragter nicht mal eben eine provisorische Schikane einbauen lassen möchte ist auch verständlich.

Zum Einen ist dadurch keineswegs garantiert, dass die Reifenproblematik gänzlich verschwindet, immerhin müssen diese dann ja immernoch 73 Runden am Stück durchhalten.
Zum Anderen wäre diese Schikane keiner ausführlichen Sicherheitsabnahme unterzogen worden und potenzielle Gefahren wären wahrscheinlich nicht erkannt worden, was kombiniert mit Ersterem durchaus ein nach wie vor nicht zu unterschätzendes Sicherheitsrisiko darstellt.
f1fan02 hat geschrieben: 19.06.2020, 20:50 Kein Wunder, dass dann keiner mehr die Eier hat um Verantwortung zu übernehmen, und in dem Fall die Schikane einzubauen.
Das hat nichts mit Eiern zu tun, sondern schlicht mit Vernunft. Whitings Job als Rennleiter ist es für die Sicherheit an und auf der Strecke zu sorgen und diesen Job ist er vorbildlich nachgekommen in dem er stets den Sicherheitsaspekt vertreten hat. Eine Schikane hätte aus den von mir genannten Gründen das Risiko nicht minimiert, da die Schikane selbst ein zusätzlicher Unsicherheitsfaktor gewesen wäre. Die Teams selbst haben die Nutzung der extra aus Europa eingeflogenen stabileren Reifen abgelehnt aufgrund mangelnder Erfahrungswerte, aber eine Schikane provisorisch in eine Strecke am Renntag implementieren, wodurch dieselbe Problematik vorliegt, soll dann okay sein?

Ich denke nicht.
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Re: Formel-1-Farce Indianapolis 2005: Was damals wirklich geschah

Beitrag von schumi791 » 20.06.2020, 00:31

f1fan02 hat geschrieben: 19.06.2020, 23:36 Ob die Schikane die Reifenproblematik gelöst hätte oder nicht weiß ich nicht, aber darum gings mir nicht. Vermutlich war die reelle Chance da, dass die Schikane helfen würde, ansonsten hätte man diesen Vorschlag nicht immer wieder auf den Tisch gebracht.
Ebenso gab es aber auch zahlreiche Argumente dagegen, denn dieser Vorschlag wurde wiederholt abgeschmettert und das nicht nur von Whiting.
Mir geht es um die Begründung, warum die Schikane nicht kam und das hat durchaus mit Eiern zu tun. Es wäre schließlich nicht das erste Mal gewesen, dass man eine Schikane eingebaut hätte. 11 Jahre vorher ging es in Spa schließlich auch.
Hier vergleichst du Äpfel mit Birnen. 1994 wurden die Schikanen ja bereits vorab eingebaut und hatte entsprechend viel mehr Möglichkeiten durch die einzelnen Trainingssessions, diese zu optimieren. Die Schikanen 1994 in Montreal und Spa waren vorab so geplant und wurden nicht provisorisch am Rennsonntag plötzlich eingebaut, wie es in Indy der Fall gewesen wäre.
Noch dazu gab es damals ja keine Bedenken bezüglich der Haltbarkeit der Reifen, sondern es ging schlicht darum die Geschwindigkeit zu reduzieren, dass ist auch ein Unterschied im Vergleich zu USA 2005, wo die Reifen ja immernoch eine Unbekannte gewesen wären.
Ja. Wer ohne Fehler ist, der werfe den ersten Stein. Man hat sich in einem (!) Rennen im Reifenkrieg verschätzt. Soll vorkommen. Wundert mich eigentlich, dass es nicht öfter vorgekommen ist.
Stimmt auch nicht so ganz, 2004 hatte Michelin schon Probleme und im Rennen mit Alonso und Ralf Schumacher zwei Reifenschäden zu beklagen. Letzterer in besagter Kurve 13 und der Asphalt war sowohl 2004 und 2005 derselbe. Hier hat Michelin einfach nichts dazugelernt. Wer schon Probleme mit der Haltbarkeit hat, wenn Reifenwechsel noch erlaubt sind, der sollte sich schon genau darüber Gedanken machen, wie er dieses Rennen angeht, wenn erst gar keine Reifenwechsel erlaubt sind.
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Re: Formel-1-Farce Indianapolis 2005: Was damals wirklich geschah

Beitrag von Pentar » 20.06.2020, 09:58

Ich bin seit jeher Fan der IndyCars & somit natürlich ganz besonders des Indy-500.
Das damals Erlebte war für mich eine herbe Enttäuschung.
Endlich fährt die Formel-1 in Indy - zwar mit der Infield-Anbindung, aber trotzdem eine tolle Sache.
Und was passiert in der einzigen Steilkurve des gesamten Rennkalenders?
Die Reifen machen schlapp & das Rennen wird zur Farce für alle Beteiligten.

Ich vermute, jedem Beobachter wurde sofort klar, die amerikanischen Zuschauer werden ihre Schlüsse daraus ziehen.
Viele von ihnen haben sich abgewendet & einige von ihnen werden sich wohl gedacht haben:
Die IndyCars fahren hier über 800 km alle 4 Kurven im Höllentempo -
und die Formel-1 kommt über 300 km nicht mal mit einer Kurve klar.
Sowas kann ich mir in Zukunft schenken.

Heute bin ich froh, dass man in Austin fährt:
Eine tolle Strecke in einem tollen Ambiente, die zur Formel-1 & deren Autos passt...

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Re: Formel-1-Farce Indianapolis 2005: Was damals wirklich geschah

Beitrag von Simtek » 20.06.2020, 10:52

Pentar hat geschrieben: 20.06.2020, 09:58 Ich bin seit jeher Fan der IndyCars & somit natürlich ganz besonders des Indy-500.
Das damals Erlebte war für mich eine herbe Enttäuschung.
Endlich fährt die Formel-1 in Indy - zwar mit der Infield-Anbindung, aber trotzdem eine tolle Sache.
Und was passiert in der einzigen Steilkurve des gesamten Rennkalenders?
Die Reifen machen schlapp & das Rennen wird zur Farce für alle Beteiligten.

Ich vermute, jedem Beobachter wurde sofort klar, die amerikanischen Zuschauer werden ihre Schlüsse daraus ziehen.
Viele von ihnen haben sich abgewendet & einige von ihnen werden sich wohl gedacht haben:
Die IndyCars fahren hier über 800 km alle 4 Kurven im Höllentempo -
und die Formel-1 kommt über 300 km nicht mal mit einer Kurve klar.
Sowas kann ich mir in Zukunft schenken.

Heute bin ich froh, dass man in Austin fährt:
Eine tolle Strecke in einem tollen Ambiente, die zur Formel-1 & deren Autos passt...
Wenn man allerdings ein bisschen nachdenkt, das sollte aber auch klar sein. Die Indycars fahren schon seit Jahrzehnten auf diesem Streckenteil. Für die F1 war diese überhöhte Kurve quasi etwas neues. Dazu noch der damalige Reifenkrieg, der beide Hersteller an den Rand des möglichen gezwungen hat. Das die Fans an der Strecke sauer waren, kann ich allerdings trotzdem verstehen.
Eine Schikane hätte für mich trotzdem keinen Sinn gemacht und wäre extrem unfair gewesen. Die Michelin Reifen war über die Saison gesehen, haushoch überlegen. Michelin hatte insgesamt die bessere Arbeit geleistet aber in Indianapolis haben ihre Reifen versagt. Da wäre es regelrechte Wettbewerbsverzerrung gewesen, jetzt das Streckenlayout so zu verändern, das es Michelin entgegenkommt.
Nein, zu Saudi Arabien und Katar als F1 Ausrichter! :thumbs_down: :thumbs_down:

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Re: Formel-1-Farce Indianapolis 2005: Was damals wirklich geschah

Beitrag von Pentar » 20.06.2020, 13:06

Simtek hat geschrieben: 20.06.2020, 10:52Wenn man allerdings ein bisschen nachdenkt, das sollte aber auch klar sein. Die Indycars fahren schon seit Jahrzehnten auf diesem Streckenteil. Für die F1 war diese überhöhte Kurve quasi etwas neues. Dazu noch der damalige Reifenkrieg, der beide Hersteller an den Rand des möglichen gezwungen hat. Das die Fans an der Strecke sauer waren, kann ich allerdings trotzdem verstehen...
Das ist richtig & bei Allem "Nachdenken" im Nachgang auch völlig korrekt.
Bei den Zuschauern vor Ort hingegen steht "das Nachdenken" i.d.R. nicht im primären Fokus.
Die möchten für ihre teuren Tickets eine halbwegs interessante Show geboten bekommen.

Denn was an dieser Stelle noch nicht zur Sprache kam, ist die Publicity:
Damals war es wichtig, die Zuschauer aus den USA zu begeistern & deren Markt für die Formel-1 zu gewinnen.
Nicht umsonst hat man Indianapolis ausgewählt & die Strecke 1998 mit dem neuen Infield F1-tauglich gemacht.
In Kombination mit der Steilkurve (Kurve-13) sollte dies für ein Spektakel sorgen & die Performance der F1-Boliden,
sowohl im kurvenreichen Infield, als auch auf dem High-Speed-Streckenabschnitt eindrucksvoll verdeutlichen.
Genau das Gegenteil hat man erreicht & einen mächtigen Image-Schaden hinterlassen.

Das Problem der Michelin-Pneus war der Speed in der Steilkurve (Kurve-13) & deren Asphaltbeschaffenheit.
Eine wie auch immer gestaltete, irgendwo bei Kurve-12 platzierte Schikane hätte zum Ziel gehabt,
die Anfahrtsgeschwindigkeit zu reduzieren & somit den Maximum-Speed aus der Steilkurve zu nehmen.
Praktisch alle Zuschauer sitzen im Bereich Kurve-12, über Kurve-13, der Start-Ziel-Geraden bis zur Kurve-1.
Die Sicht auf das Infield ist aufgrund der großen Distanz hingegen eher bescheiden.
Was hätte man den Zuschauern vor Ort dann noch geboten?
Eine "auf die Schnelle " künstlich ausgebremste Formel-1, deren Pneus nicht mal in der Lage sind,
auch nur eine der vier Steilkurven mit halbwegs ordentlichem Speed zu durchfahren.
Ganz großes Kino - ich persönlich bleibe dabei:
Die Formel-1 hat's damals schlichtweg völlig verbockt - mit oder ohne Schikane...

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Simtek
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Re: Formel-1-Farce Indianapolis 2005: Was damals wirklich geschah

Beitrag von Simtek » 20.06.2020, 13:11

Pentar hat geschrieben: 20.06.2020, 13:06
Simtek hat geschrieben: 20.06.2020, 10:52Wenn man allerdings ein bisschen nachdenkt, das sollte aber auch klar sein. Die Indycars fahren schon seit Jahrzehnten auf diesem Streckenteil. Für die F1 war diese überhöhte Kurve quasi etwas neues. Dazu noch der damalige Reifenkrieg, der beide Hersteller an den Rand des möglichen gezwungen hat. Das die Fans an der Strecke sauer waren, kann ich allerdings trotzdem verstehen...
Das ist richtig & bei Allem "Nachdenken" im Nachgang auch völlig korrekt.
Bei den Zuschauern vor Ort hingegen steht "das Nachdenken" i.d.R. nicht im primären Fokus.
Die möchten für ihre teuren Tickets eine halbwegs interessante Show geboten bekommen.

Denn was an dieser Stelle noch nicht zur Sprache kam, ist die Publicity:
Damals war es wichtig, die Zuschauer aus den USA zu begeistern & deren Markt für die Formel-1 zu gewinnen.

Nicht umsonst hat man Indianapolis ausgewählt & die Strecke 1998 mit dem neuen Infield F1-tauglich gemacht.
In Kombination mit der Steilkurve (Kurve-13) sollte dies für ein Spektakel sorgen & die Performance der F1-Boliden,
sowohl im kurvenreichen Infield, als auch auf dem High-Speed-Streckenabschnitt eindrucksvoll verdeutlichen.
Genau das Gegenteil hat man erreicht & einen mächtigen Image-Schaden hinterlassen.

Das Problem der Michelin-Pneus war der Speed in der Steilkurve (Kurve-13) & deren Asphaltbeschaffenheit.
Eine wie auch immer gestaltete, irgendwo bei Kurve-12 platzierte Schikane hätte zum Ziel gehabt,
die Anfahrtsgeschwindigkeit zu reduzieren & somit den Maximum-Speed aus der Steilkurve zu nehmen.
Praktisch alle Zuschauer sitzen im Bereich Kurve-12, über Kurve-13, der Start-Ziel-Geraden bis zur Kurve-1.
Die Sicht auf das Infield ist aufgrund der großen Distanz hingegen eher bescheiden.
Was hätte man den Zuschauern vor Ort dann noch geboten?
Eine "auf die Schnelle " künstlich ausgebremste Formel-1, deren Pneus nicht mal in der Lage sind,
auch nur eine der vier Steilkurven mit halbwegs ordentlichem Speed zu durchfahren.
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Die Formel-1 hat's damals schlichtweg völlig verbockt - mit oder ohne Schikane...
Heute würde eine Runde von Donald Trump mit einem Schützenpanzer im Ferrari Layout dafür reichen. :mrgreen:
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Re: Formel-1-Farce Indianapolis 2005: Was damals wirklich geschah

Beitrag von NeverSurrender » 22.06.2020, 16:43

Egal was man gemacht hätte, der GP war nicht mehr zu retten.

Die Schikane wäre noch die beste Möglichkeit gewesen, denn alle Teams hätte trotz der Reifenprobleme seitens Michelin gleiche Verhältnisse gehabt. Allerdings kann man eine Schikane nicht einfach in 2-3h aufbauen bzw. hinrotzen - schon gar nicht in so einer Highspeed-Passage mit Zuschauerrängen paar Meter hinter der Fangzäune. Wie es schon im Artikel steht: Fliegt ein Auto mit hoher Geschwindigkeit ab und kracht in die Reifenbegrenzungen kann es passieren, dass einzelne Reifen, schlimmstenfalls sogar das ganze Auto durch die Gegend fliegt. Reifen können auf die Ränge fliegen, das Autos kann in andere Boliden reinkrachen. Und dann stelle dich als Charlie Whiting vor die Presse und erkläre den Angehörigen und Fans die Katastrophe. Der Vorschlag hätte spätestens schon am Freitag fallen müssen. Nur wusste man dort noch nicht um die Probleme der Michelin-Rillenreifen und wahrscheinlich wäre es sogar dann schon zu spät gewesen.

Was ich bis heute nicht so ganz verstehe ist, warum die Möglichkeit der Boxendurchfahrt in jeder Runde für die Michelin-bereiften Teams nicht gewählt wurde, während die 6 Bridgestone-Teams normal den überhöhten Turn hätten durchfahren können.
Die Boxengasse war mit Abstand die Breiteste im gesamten Kalender und lieber enttäusche ich nur die Zuschauer auf der Start-Ziel-Grade, als alle zusammen (denn im Infield hätte man eventuell noch fighten können). Ferrari hätte ihren sicheren Sieg gehabt, die Schrägkurve wäre von den restlichen 7 Teams nicht befahren worden und man hätte als Zuschauer zumindest alle Autos fahren sehen können.
Vielleicht habe ich das aber auch nicht mehr richtig in Erinnerung und es gab auch mit dieser Variante Probleme.

Fakt ist, dass die Hauptschuld eben leider bei Michelin lag. Und wie @schumi791 schon erwähnte, schon im Jahr zuvor hätte man die Anzeichen sehen können. Dass Ralf da verhältnismäßig unbeschadet davon gekommen ist, halte ich bis heute für großes Glück - denn der Aufprall auf den nackten Beton in diesem Bereich der Strecke war richtig eklig.

Schade finde ich bis heute dennoch, dass das Ferrari damals anscheinend noch nicht einmal gejuckt hat. Natürlich hatten sie mit dem ganzen Problem rund um die Reifen wenig zu tun, allerdings hätten sie den Sieg sowieso sicher in der Tasche gehabt und ein wenig an die Zuschauer vor Ort denken können. Auf einigen Fan-Aufnahmen von der Haupttribüne wurden bei Siegerehrung + Post-Race-Interview-Übertragung auf der Leinwand auch einige Ferrari-Hass-Rufe zum Besten gegeben. Sprich, das war ein Sieg, den man normalerweise nicht gern nimmt.
Aber das ist wohl Ansichtssache, kann auch Leute, welche Ferrari hier verteidigen gut verstehen.

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Re: Formel-1-Farce Indianapolis 2005: Was damals wirklich geschah

Beitrag von Pentar » 22.06.2020, 17:23

NeverSurrender hat geschrieben: 22.06.2020, 16:43 :chat:
Ich stimme Dir zu - bis auf Folgendes:

A) Schikane:
Die Schikane wäre irgendwo bei Kurve-12 entstanden, also noch vor der Steilkurve-13.
Somit hätte man deren Anfahrtsgeschwindigkeit & folglich deren Maximum-Speed deutlich reduziert.
Das Ganze wäre bei irgendwo 220-250 km/h abgelaufen - normal, für die Formel-1.
Dann abbremsen, rein in die Schikane, raus aus der Schikane & mit Vollgas ab in die Steilkurve.
In der Steilkurve selbst wäre die Geschwindigkeit somit noch im vertretbaren Rahmen gewesen.
Erst Ende der Start-/Ziel hätten die F1-Boliden ihre Maximalgeschwindigkeit erreicht - unproblematisch.

B) Fangzäune:
Das ist jetzt nicht wirklich Dein Ernst - oder?
Die Mauern, SAFER-Barrier & Fangzäune auf dem Indianapolis-Raceway sind für das Indy-500 konstruiert,
bei dem die IndyCars mit einem ganz erheblich höheren Speed (als die F1-Boliden) daran vorbeirauschen.
Teilweise sogar im "Dreierpack" - was man sich bei der F1 durchaus erhofft, aber leider nie gesehen hat.

Die absolut nachvollziehbaren Bedenken von Rennleiter Charlie Whiting bezogen sich nicht auf die Fangzäune,
sondern auf eine "provisorisch installierte Schikane", in der es schwere Unfälle hätte geben können...

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Re: Formel-1-Farce Indianapolis 2005: Was damals wirklich geschah

Beitrag von AktenTaschenAkne » 22.06.2020, 17:49

f1fan02 hat geschrieben: 19.06.2020, 20:43
Bremspunkt hat geschrieben: 19.06.2020, 18:55
Derbe_klopp_te hat geschrieben: 19.06.2020, 17:40 Meiner Meinung nach hätte man für die Michellin-Teams Reifenwechsel erlauben sollen, sodass sie alle 5-10 Runden reingehen und neue Pneus aufziehen. Keine Ahnung, warum man sich darauf nict einigen konnte
Dafür waren vermutlich gar nicht genug Reifen verfügbar. In dem Jahr waren ja Reifenwechsel im Rennen mit Ausnahme von Regenreifen verboten.Das ging so weit, dass sogar bei einem Platten nur der defekte Reifen gewechselt werden durfte und nicht der ganze Satz.

Bridgestone war außerdem nicht "kooperativ", weil Michelin über das ganze Jahr hinweg einen enormen Reifenvorteil hatte, der auf der extrem weichen Karkasse aufbaute. Bridgestone hatte einen stabileren Reifen, der mit der nun nötigen harten Gummimischung konkurrenzlos schlecht dastand. In Indianapolis hatte sich Michelin aber verzockt. Und Bridgestone bzw. die entprechend bereiften Teams sahen keinen Grund, das noch zu belohnen.

Ein Gutes hatte dieses Skandalrennen aber. Die FIA gab die Idee eines Reifenkampfes ab 2007 wieder auf.
Empfinde ich nicht als gut, weil mMn so Dominanzen wie die von Mercedes noch wahrscheinlicher werden. Aber so können Meinungen auseinandergehen.
Hmm...5 Jahre Ferrari und Bridgestone kann man getrost Dominanz nennen. ;)
Ich bin auch einer von denen die froh darüber sind das zumindest bei den Reifen alle Teams die selben Vorraussetzungen haben.

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