Hinter den Kulissen bei Honda: Das Tagebuch eines Ingenieurs

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Hinter den Kulissen bei Honda: Das Tagebuch eines Ingenieurs

Beitrag von Redaktion » 23.08.2019, 16:08

Honda-Motoreningenieur Chris Wright gibt in seinem Tagebuch interessante Einblicke in den Arbeitsalltag eines Ingenieurs in der Formel 1
Chris Wright

Chris Wright, Honda-Motoreningenieur, bei der Arbeit

Die Arbeitslast für einen Ingenieur in der Formel 1 ist enorm hoch. An 21 Rennwochenenden sind die Angestellten eines Teams oder Motorherstellers von Donnerstag bis Sonntag, von früh bis spät an der Rennstrecke anzutreffen. Sie sorgen dafür, dass die Boliden einsatzbereit sind. Wie der Alltag eines Ingenieurs tatsächlich aussieht, hat Honda-Motorspezialist Chris Wright in einem Tagebuch festgehalten.

Der Wecker am Freitag des Kanada-Wochenendes läutet bereits um 5:45 Uhr. Eine Dreiviertelstunde später ist die Abfahrt Richtung Rennstrecke geplant, wo ihn dann sein Frühstück erwartet. Doch bevor er das Fahrerlager betreten darf, muss Wright darauf achten, die obligatorische Nachtruhe nicht zu verletzen.

"Das ist jene Zeit in der Nacht, in der Teammitglieder, die normalerweise am Auto arbeiten, nicht an die Strecke dürfen", erklärt er im Honda-Tagebuch. Um 7 Uhr früh ist diese Frist abgelaufen, weshalb sich die Teammitglieder zuvor schon am Eingang zum Fahrerlager in einer Schlange wartend aufstellen.

Erste Anspannung in der Installationsrunde

Sein erster Weg an der Strecke führt ihn jeden Freitag direkt in die Garage und zum Auto. "Ein weiser, älterer Kollege hat mir mal gesagt: 'Zuerst drehst du eine Runde und danach holst du dir Frühstück!'" Das befolgt der Honda-Motoreningenieur bis heute.

Nachdem die Boxencrew die Übungsstopps absolviert hat, wird der Honda-Motor im Heck des Toro Rossos ein erstes Mal zum Leben erweckt. "Den Motor willst du so früh wie möglich starten, denn erst dann kannst du wirkliche Probleme herausfinden."

Sollte es tatsächlich Schwierigkeiten geben, dann müsste die Toro-Rosso-Crew den Motor noch vor dem ersten Training ausbauen. Dazu kommt es an jenem Freitag aber nicht, weshalb im ersten von vielen Meetings um 9 Uhr besprochen wird, was in den Trainings geplant ist.

"Der Freitag ist für uns wie ein Test. Haben wir also etwas Neues zum Ausprobieren mit dabei, dann werden wir das testen." Als Honda-Mann ist es Wrights Job, das Team daran zu erinnern, was der Motorhersteller sich von den Trainings erwartet.

Schließlich beginnt um 10 Uhr das erste Freie Training mit einer Installationsrunde. Das ist der erste Check, ob der Bolide nach dem Zusammenbau am Donnerstag Schwierigkeiten aufweist oder nicht. Danach wird die Motorabdeckung heruntergenommen, um auch optische Checks durchzuführen, die nur anhand der Daten in dieser Form nicht möglich sind.

Wright sitzt während der Sessions an seinem Computer und ist mit dem Funk verbunden. "Während der Installationsrunde musst du dich auf alle Systeme konzentrieren. Du musst sicherstellen, dass alle gut funktionieren. Das kannst du in der Garage nicht checken."

Pause? "Erst wenn die Sessions vorbei sein"

Zum Beispiel: "Bis der Fahrer nicht mit Vollgas fährt, hast du nicht genügend Belastung, um zu wissen, das wirklich nichts falsch läuft." Das sei für ihn als Motoringenieur die unruhigste Phase des Tages. Fährt der Pilot schließlich schnelle Runden oder Longruns, dann fokussiert er sich auf das Energiemanagement und die Performance.

Nach dem Training findet wie üblich eine kurze Nachbesprechung statt, in dem alle Beteiligten ihre Erkenntnisse schildern. "Haben wir also ein paar Dinge getestet am Motor, dann werde ich das kommentieren, wie es gelaufen ist." Danach werden die Daten analysiert und ausgearbeitet, was am Nachmittag noch gemacht werden soll.

Um 12:30 Uhr ist aber zunächst das Mittagessen geplant. "Bei Honda bereiten sie Bento Boxen vor, die wir uns im Kühlschrank in der Garage holen können." Die könne man praktischerweise zum Arbeitsplatz mitnehmen und während des Essens Meetings lauschen oder Daten anschauen.

Toro-Rosso-Ingenieure

Nach jedem Trainings am Freitag gibt es eine Nachbesprechung

"Man gönnt sich erst eine Pause, wenn die Sessions vorbei sind. In der Vorbereitung zwischen dem ersten und zweiten Training nützt man so viel Zeit wie möglich, daher macht man nicht extra eine Pause für das Mittagessen."

Das zweite Freie Training mit Beginn um 14 Uhr lässt nur wenig Zeit zur Datenanalyse des FT1 zu. Am Nachmittag werden dann die wirklich wichtigen Tests durchgeführt. Wie Wright erklärt, sei das erste Training eher zur Akklimatisierung gedacht, die repräsentativen Zeiten mit scharfen Motormodi werden erst am Nachmittag gefahren. Vor allem zu Beginn der Session werden Runden mit wenig Sprit im Tank geprobt.

"Die sind dazu da, damit sich der Fahrer fürs Qualifying vorbereiten kann. Aber am Ende des Trainings fahren so ziemlich alle Longruns. Dazu wird viel Sprit getankt und eine Rennsimulation absolviert." Auch das Aufwärmen der Reifen und Trainingsstarts werden geübt.

Von einem Meeting ins nächste ...

"Wir haben spezielle Startmodi zum Beispiel, da müssen wir sichergehen, dass die auch funktionieren", verrät der Brite. Auch nach dem zweiten Training gibt es eine Nachbesprechung über die Vorkommnisse.Besonders wichtig ist laut Wright aber das Meeting der Ingenieure um 19 Uhr. Denn dabei werden die Daten der Longruns und Qualifyingrunden analysiert. "Wir schauen uns die Stärken und Schwächen im Vergleich zu unserer Konkurrenz an." Außerdem wird ein Plan für das dritte Training am Samstagvormittag erstellt.Für die Honda-Crew ist außerdem der Motorwechsel am Freitagabend von großer Bedeutung. Da in den ersten Trainings ein alter Motor verwendet wird, kommt für Samstag der Rennmotor ins Heck. Nur das ERS bleibt im Auto.Nach dem Wechsel ist von 19 bis 21 Uhr Zeit für das Abendessen, das als Buffet im Honda-Motorhome zur Verfügung gestellt wird. "Meistens gibt es japanische Speißen", verrät Wright und ergänzt: "Es ist wirklich sehr lecker!"

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Doch auch nach dem Abendessen wird noch weitergearbeitet. Denn der Rennmotor, der verbaut wurde, muss ebenfalls gestartet werden. "Wir versuchen das immer, so früh wie möglich zu schaffen. Für uns war's das dann, aber nicht für das Team."Denn die Mechaniker von Toro Rosso müssen danach noch das Auto fertig zusammenbauen, das Set-up einstellen und zur FIA-Waage bringen. Dort findet die technische Abnahme statt. Obwohl für die Honda-Ingenieure ihr Tagwerk getan ist, wartet um 20 Uhr noch ein Honda-Meeting."Die Ingenieure beider Teams kommen in die Hospitality, da diskutieren wir dann Dinge, die in einem Team passiert sein mögen und im anderen nicht. Es geht um Dinge, auf die wir achten müssen." Und auch danach wartet noch ein Meeting mit dem Aerodynamiker des Teams, in dem die Kühlung besprochen wird.Spätestens um Mitternacht müssen die Ingenieure die Rennstrecke laut Reglement verlassen. "Meistens verlassen wir die Strecke gegen 23 Uhr, danach gehe ich sofort ins Bett. Man steht so gegen 6 Uhr auf und geht gegen Mitternacht ins Bett, also ein recht langer Tag." Den Wecker für Samstagfrüh hat er bereits gestellt ...

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Re: Hinter den Kulissen bei Honda: Das Tagebuch eines Ingenieurs

Beitrag von chrisspeed » 26.08.2019, 08:07

Sehr schöner Bereicht.
Schade, dass das überhaupt nicht kommentiert wird.

Und dann reg sich die Community wieder über Click Bait und Fahrer Bashing Artikel auf.....
Frag den Forum- User! Er wusste morgen bereits, was gestern geschehen wird.

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Re: Hinter den Kulissen bei Honda: Das Tagebuch eines Ingenieurs

Beitrag von Spocki » 26.08.2019, 11:16

chrisspeed hat geschrieben:Sehr schöner Bereicht.
Schade, dass das überhaupt nicht kommentiert wird.

Und dann reg sich die Community wieder über Click Bait und Fahrer Bashing Artikel auf.....
Ich finde es auch sehr interessant.

Was im übrigen auch interessant ist, dass viele ja sehnsüchtig auf die zeiten der freien Trainings warten und sich schon ausmalen, wer die Pole holt. Mein Tipp: spielt mal das F1 2019 spiel! Dort ist es enorm wichtig, Daten für die Ingenieure während der Trainings zu sammeln. Dabei gerät völlig in den Hintergrund, die schnellste Zeit zu fahren. Man muss zwar auch schnelle Sektorzeiten fahren, aber das ist auch nur eine Aufgabe von vielen. Je mehr Daten man sammelt, desto besser kann das Auto weiterentwickelt werden. Manchmal kann man so auch gar keine schnelle Zeiten fahren.
Das deckt sich ein bisschen auch mit dem, was hier im Artikel geschrieben wird: es ist wichtig Daten zu sammeln und zu analysieren. :)

Seitdem ich das Spiel spiele, sind die FT-Bestzeiten gar nicht mehr wichtig. Ich versuche eher mehr über die Datenanalyse der Ingenieure zu erfahren, weil das einen besseren Aufschluss auf Qualifying und Rennen zeigt, als die Bestzeit.

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Re: Hinter den Kulissen bei Honda: Das Tagebuch eines Ingenieurs

Beitrag von EffEll » 26.08.2019, 12:49

chrisspeed hat geschrieben:Sehr schöner Bereicht.
Schade, dass das überhaupt nicht kommentiert wird.

Und dann reg sich die Community wieder über Click Bait und Fahrer Bashing Artikel auf.....
Ja, ich hab ja schon oft angemerkt, dass das Kommentieren der Artikel, die man für überflüssig, falsch oder unpassend hält, alles andere als zielführend ist. Aber gerade da sammeln sich mehrere Seiten in wenigen Minuten an, nur weil gefühlt jeder sich über das Geschriebene beschwert. Genau deshalb gibt es ja u.a. diese "Boulevard und Sonstiges"-Artikel. Die bringen ordentlich Traffic und Klicks.

Der Artikel ist wirklich interessant. Übrigens musste ich einen "Fachbegriff" googeln:
"[...] aber zunächst das Mittagessen geplant. 'Bei Honda bereiten sie Bento Boxen vor,' [...]"
Kannte den Begriff tatsächlich nicht. XD
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Re: Hinter den Kulissen bei Honda: Das Tagebuch eines Ingenieurs

Beitrag von Formula_1 » 26.08.2019, 13:02

Ich sehe das etwas anders mit den Kommentaren. Für mich ist das eine Möglichkeit, sich mit anderen über das Thema auszutauschen. Wenn ich einen interessanten Artikel lese, dann gibt es da eigentlich nicht mehr allzu viel hinzuzufügen und wenn es eigentlich keine oder kaum Kommentare gibt, spricht das meiner Meinung nach dafür, dass sich zu dem Thema keine Nachfragen ergeben und alle Leser einer Meinung sind (oder keine dazu haben).
In diesem Fall finde ich den Artikel aber nicht mal unbedingt so interessant, habe ich so direkt zwar noch nicht gehört/ gelesen, aber andererseits auch nicht anders erwartet. Dass da nicht pünktlich um 15.00 Uhr der Hammer fällt, ob das Auto nun fertig geworden ist oder nicht, dass war mir schon klar... ;)

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Re: Hinter den Kulissen bei Honda: Das Tagebuch eines Ingenieurs

Beitrag von EffEll » 26.08.2019, 13:18

Formula_1 hat geschrieben:Ich sehe das etwas anders mit den Kommentaren. Für mich ist das eine Möglichkeit, sich mit anderen über das Thema auszutauschen. Wenn ich einen interessanten Artikel lese, dann gibt es da eigentlich nicht mehr allzu viel hinzuzufügen und wenn es eigentlich keine oder kaum Kommentare gibt, spricht das meiner Meinung nach dafür, dass sich zu dem Thema keine Nachfragen ergeben und alle Leser einer Meinung sind (oder keine dazu haben).
In diesem Fall finde ich den Artikel aber nicht mal unbedingt so interessant, habe ich so direkt zwar noch nicht gehört/ gelesen, aber andererseits auch nicht anders erwartet. Dass da nicht pünktlich um 15.00 Uhr der Hammer fällt, ob das Auto nun fertig geworden ist oder nicht, dass war mir schon klar... ;)
Wenn du noch eine Weile dabei bleibst, wirst du merken, welche Artikel/Kommentare und ellenlange Streitgespräche etc. wir meinen.
Theoretisch hast du natürlich recht.
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Re: Hinter den Kulissen bei Honda: Das Tagebuch eines Ingenieurs

Beitrag von Formula_1 » 26.08.2019, 13:44

EffEll hat geschrieben: Wenn du noch eine Weile dabei bleibst, wirst du merken, welche Artikel/Kommentare und ellenlange Streitgespräche etc. wir meinen.
Theoretisch hast du natürlich recht.
Och, das ist mir durchaus bewusst... ;) :D Ich bin schon deutlich länger "dabei", als mein Registrierungsdatum vermuten lässt. Aber sehr lange Zeit nur als passiver Mitleser.
Den Teil des "Aufregens" bei anderen Beiträgen meinte ich auch gar nicht so sehr, ich meinte viel mehr, dass man deshalb nicht als "Ausgleich" dann etwas zu einem Thema schreibt, zu dem es eigentlich nichts zu sagen gibt.

PS: Bento Boxen kenne ich auch nicht, fällt mir gerade wieder ein, dass ich das auch vorhin schon nachgucken wollte :D Falls es noch jemand nicht kennt, hier direkt der Link (ohne selber googeln zu müssen... ;) ) : https://de.wikipedia.org/wiki/Bentō

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