Analyse: Wie Alpine aus der Krise kommen kann
Alpines Formkurve zeigt nach unten und das Team hat die rote Laterne der Formel-1-Saison 2025 inne - Doch wie könnte das Team die Kurve kriegen?
(Motorsport-Total.com) - Alpine steckt zur Saisonmitte 2025 tief in der sportlichen Krise: Nach dem Grand Prix von Österreich liegt das Team mit 15 Punkten Rückstand auf Sauber am Ende der Konstrukteurswertung. Hauptursachen: eine inkonstante A525-Performance, Schwächen beim Reifenmanagement - und das Fehlen klarer Strukturen.
Zwar gelang Pierre Gasly bereits sechsmal der Sprung in Q3 - darunter ein starker fünfter Startplatz in Bahrain -, doch ebenso oft flog der Franzose bereits in Q1 raus. Die Formkurve gleicht einer Berg- und Talfahrt. In Spielberg zählte der Samstag noch zu den Höhenpunkten: Gasly qualifizierte sich als Zehnter, nutzte die Tumulte in Kurve 3 und lag nach der ersten Runde bereits auf Platz sechs. Doch der weiche C5-Reifen baute rasch ab, und nach dem ersten Boxenstopp kämpfte Gasly laut eigenen Angaben mit einem beschädigten Auto. Die Balance war dahin, der Abstieg durchs Feld vorprogrammiert.
Teamkollege Franco Colapinto erlebte ebenfalls ein gebrauchtes Rennen: Eine Kollision mit Yuki Tsunoda in Kurve 4 drehte den Argentinier, später kassierte er eine Zeitstrafe, weil er Oscar Piastri beim Überrunden in die Wiese zwang. Vielversprechende Quali-Leistungen täuschten erneut über die Schwächen im Renntrimm hinweg.
Keine Konstanz
"Wir waren einfach nirgendwo", resümiert Gasly. "Ich hab nach dem Start alles gegeben, war Sechster - aber dann kam der Einbruch. Wir müssen mit dem Auto kämpfen, das wir haben."
Gasly gilt intern als wichtige Führungsfigur, liefert seit seinem Einstieg 2023 konstante Motivation - doch selbst er dürfte langsam am Limit sein. Drei Teamchefs, mehrere Technikleiter und zwei Geschäftsführer hat er seit seinem Einstieg erlebt. Mit Steve Nielsen steht möglicherweise bereits der vierte Teamchef in den Startlöchern. Und laut Gasly sind vor der Sommerpause keine Upgrades mehr zu erwarten.
Dabei schien Alpine Ende 2024 noch auf einem besseren Weg: David Sanchez formte aus einem zu schweren Auto ein konkurrenzfähiges Paket, das zu einem überraschenden Doppelpodium in Brasilien führte. Gasly untermauerte das mit Platz fünf in Las Vegas und P7 in Abu Dhabi.
Ziele rücken in weite Ferne
Doch die plötzliche Abkehr von Ollie Oakes und das bereits länger geplante Fahrerduell zwischen Doohan und Colapinto veränderten die Dynamik erneut. Flavio Briatores Rückkehr in eine einflussreiche Rolle sorgt zwar für Schlagzeilen - doch dem Team fehlt vor allem eines: Richtung.
Lange galt Alpine als feste Größe im Mittelfeld, ein Bindeglied zwischen Topteams und Verfolgern. Doch dieser Status ist verloren gegangen - auch wegen ständiger Führungswechsel und fehlender Kontinuität. Williams und Sauber wirken derzeit strukturierter, klarer aufgestellt - und haben das Momentum auf ihrer Seite.
Alpine hingegen hat seine langfristige Vision verloren. Das frühere "100-Rennen-zum-Sieg"-Ziel klingt im Rückblick eher ambitioniert als realistisch. Heute wirkt das Team ziellos - und immer wieder kursieren Spekulationen über einen möglichen Verkauf, die offiziell dementiert werden.
Es fehlt der klare Weg
Kommt Nielsen tatsächlich an Bord, muss er langfristig planen dürfen - ähnlich wie James Vowles bei Williams oder Mattia Binotto bei Sauber, die gezielt strukturelle Defizite angingen. Bei Alpine fehlt genau dieser Ansatz. Auch die möglichen Vorteile eines Wechsels vom Renault- auf den Mercedes-Antrieb zur Saison 2026 werden das Team nur dann wirklich voranbringen, wenn gleichzeitig die technische Substanz gestärkt wird.
Ein Blick auf McLaren 2018 zeigt: Auch dort führte der Wechsel zu Renault nicht sofort zu Fortschritt - erst die Erkenntnis interner Schwächen brachte langfristige Besserung. Alpine muss denselben Weg einschlagen - mit klarer Strategie und stabiler Führung.
Auch fahrerisch ist das Bild durchwachsen: Gasly liefert, doch die zweite Fahrerseite bleibt blass. Jack Doohan zeigte 2024 zwar vereinzelt Tempo, aber keine Konstanz. Colapinto ringt noch mit der Lernkurve. Alpine sondiert bereits den Fahrermarkt für 2026: Valtteri Bottas gilt als Option, auch Sergio Perez steht angeblich auf Briatores Liste. Erfahrung soll Stabilität bringen. Was Alpine jetzt braucht, ist klar: einen guten Plan - und vor allem: den Mut, ihn durchzuziehen.