Gabriel Bortoleto: Fällt mir schwer, so schlechte Ergebnisse zu akzeptieren
Aus den Nachwuchsserien ist Gabriel Bortoleto Spitzenresultate gewohnt, doch bei Sauber muss er kleinere Brötchen backen, was ihm nicht immer leicht fällt
(Motorsport-Total.com) - Sofern man nicht im Privatjet unterwegs ist, gibt es keine Direktflüge von Japans großen Flughäfen nach Bahrain. Sauber-Pilot Gabriel Bortoleto hat den ohnehin schon komplizierten Reiseplan zwischen den ersten beiden Rennen des Tripleheaders 2025 noch erweitert - mit einem Abstecher in die Fabrik.

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Gabriel Bortoleto kämpft mit Sauber darum, nicht die rote Laterne zu bekommen Zoom Download
Das ist ein aufschlussreicher Einblick in die Herangehensweise des Formel-2-Champions, der offenbar vermeiden will, in die gleiche Falle zu tappen wie einige seiner Vorgänger. Auf jeden Lewis Hamilton, der mit Auszeichnung von den Nachwuchsserien in ein Topcockpit aufstieg, kommen mehrere Giorgio Pantanos, die ins Formel-1-Mittelfeld wechselten und in der Bedeutungslosigkeit verschwanden.
Die beiden vorherigen Formel-2-Meister, Theo Pourchaire und Felipe Drugovich, haben bislang noch nichts anderes als Tests im Formel-1-Auto absolviert.
Für Bortoleto war der Übergang besonders abrupt: Seine Entwicklung in den letzten zwei Jahren war so beeindruckend, dass es für ihn Ende 2024 praktisch nur noch die Formel 1 oder gar nichts mehr gab, was auch zu seinem Ausstieg aus McLarens Nachwuchsprogramm führte, da es dort keine freien Plätze gab.
Doch Sauber ist ein Team, das sich seit Langem schwertut, sich aus dem hinteren Teil des Feldes zu befreien.
Nach zwei Siegen und sechs weiteren Podestplätzen in der Formel 2 im Vorjahr stehen für Bortoleto in der Formel 1 bislang ein Ausfall, ein 14. und ein 19. Platz zu Buche. Immerhin schaffte er es bereits zweimal ins Q2 - ein Fortschritt, wenn man bedenkt, dass Sauber im Vorjahr praktisch ans Ende des Feldes geschweißt war.
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2005: 6 Rookies - 16. Tiago Monteiro (Jordan/7 Punkte), 18. Narain Karthikeyan (Jordan/5), 19. Christijan Albers (Minardi/4), 21. Patrick Friesacher (Minardi/3), 24. Vitantonio Liuzzi (Red Bull/1) und 25. Robert Doornbos (Minardi/0) Fotostrecke
In Australien qualifizierte er sich vor seinem deutlich erfahreneren Teamkollegen Nico Hülkenberg, schied im verregneten Rennen aber als einer von sechs Fahrern nach einem Dreher aus. In China war er im Sprint schneller als Hülkenberg, wurde aber in der letzten Runde von Jack Doohan abgeschossen. Im Hauptrennen kam er dann vor seinem Teamkollegen ins Ziel.
In Suzuka vermasselte er den Start und war damit auf einer Strecke, auf der Überholen fast unmöglich ist, chancenlos. Die Verantwortung dafür übernahm er selbst und erklärte, dass er nicht "aggressiv genug" mit der Kupplung war - und dass er bereits daraus gelernt habe.
"Muss akzeptieren, wo wir stehen"
Angesichts von Hülkenbergs Ruf, im Qualifying das Maximum aus einem Auto herauszuholen, ist es beachtlich, dass Bortoleto ihn mehrmals hinter sich lassen konnte. Doch für viele Formel-1-Rookies in Bortoletos Situation führt das Dasein als Hinterbänkler schnell in eine motivationsraubende Sackgasse, aus der sie kaum mehr herauskommen.
"Es ist sehr hart, wenn ich ehrlich bin", sagt er auf die Frage, wie er sich an diese neue Realität anpasst. "Es ist hart, weil ich aus zwei sehr guten Jahren komme, in denen ich die Formel 3 und Formel 2 gewonnen habe."
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"Aber gleichzeitig habe ich ein sehr klares Bild vom Projekt, das vor mir liegt. Ich bin nicht in die Formel 1 gekommen mit der Erwartung, sofort um Siege oder Podien zu kämpfen", so der Brasilianer. "Ich bin nicht hier, um Letzter zu sein. Ich bin nicht hier, um Zehnter zu sein. Ich bin hier, um zu versuchen zu gewinnen - wie alle anderen auch."
"Aber in meinem Kopf muss ich auch akzeptieren, wo wir jetzt stehen. Denn sobald du in diese Spirale kommst, zu hart mit dir selbst zu sein oder frustriert zu sein, weil du das nicht leisten kannst, fängst du an, immer schlechter zu performen", weiß er. "Du musst einfach alles herausholen, was du aus dem aktuellen Paket herausholen kannst."
Hülkenberg: Du brauchst das richtige Team
Einer, der genau weiß, wie das funktioniert, ist Bortoletos aktueller Teamkollege Nico Hülkenberg. Der Deutsche fährt seit 2010 in der Formel 1, aber hat es in all den Jahren immer noch nicht auf das Podium geschafft - und trotzdem gilt er als einer der beständigsten und zuverlässigsten Piloten im Feld.
"Man versucht immer, das Beste aus dem zu machen, was man hat", nickt der Deutsche. "Wir wissen in der Branche, in diesem Geschäft, dass man das richtige Team, das richtige Auto braucht. Du musst um Siege und Podien kämpfen und das konstant."
Bortoleto sei aber noch jung genug und habe alle Chancen, um die Leute zu beeindrucken und irgendwann in einem dieser Autos zu landen. "Er muss wahrscheinlich akzeptieren, dass ein Punkt oder so etwas wie ein Sieg sein kann", so Hülkenberg, der aber selbst nichts von diesem Spruch hält: "Es ist ein gutes Ergebnis und du hast dein Potenzial maximiert, aber es ist kein Sieg."
Gelingt Audi die Wende?
Bortoleto wird von einer Managementgruppe beraten, zu der auch Fernando Alonso gehört. Er weiß: Einfach abzuwarten, bis Audis Einstieg bei Sauber irgendwann ein Wunder vollbringt, ist keine realistische Option.
Das Projekt läuft bereits nicht nach Plan, und Audi hat mit einem umfassenden Personalwechsel versucht, die Wende einzuleiten: Der frühere Ferrari-Teamchef Mattia Binotto wurde als Chief Operating Officer und Technischer Direktor eingesetzt, dazu kam Ex-Red-Bull-Sportdirektor Jonathan Wheatley als Teamchef.
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Im Fahrerlager heißt es, Binotto habe sehr schnell erkannt, dass deutlich mehr im Argen liegt als gedacht - deshalb hat er sich direkt im Werk eingenistet, während Wheatley letztes Wochenende schon seine neue Rolle an der Strecke übernahm.
Für Bortoleto ist es nun entscheidend, alle Bereiche der Fahrzeugperformance zu kontrollieren, die in seiner Hand liegen: Keine Wunder, sondern das Maximum aus dem Auto an jedem Rennwochenende herausholen - und zwischen den Rennen ein positiver Einfluss für die Entwicklung sein. Daher auch der Umweg über Hinwil.
Nach Japan zu Besuch in der Fabrik
"Ich habe ein großes Problem", sagt er. "Wenn ich nicht schlafe, denke ich viel nach. Also habe ich im ersten Flug durchgeschlafen. Und im zweiten war ich drei, vier Stunden wach. Ich habe aus dem Fenster geschaut und überlegt: Ich kann jetzt nach Hause und mich ausruhen - oder ich mache etwas Sinnvolles und gehe zurück zum Team."
"Als ich gelandet bin, hat mich Mattia [Binotto] angerufen, um mit mir zu sprechen. Er war nicht in Japan und wollte wissen, wie das Wochenende lief und ein paar Themen besprechen", so Bortoleto.
"Und ich habe ihn gefragt: Denkst du, es ist sinnvoll, in die Fabrik zurückzukommen und mit dem Team zu sprechen? Und er meinte: 'Absolut, das ist sehr gut - wir freuen uns sehr, wenn du hier bist.'"
"Das war sehr positiv, weil ich viele Abteilungen besuchen, mit vielen Leuten sprechen und ein kleines Debriefing zu unseren ersten drei Saisonrennen machen konnte. Ich glaube, das war die beste Entscheidung", sagt er.
Perspektive als Motivator
Das Rennteam selbst war weiter unterwegs - Bortoleto sprach mit den Leuten in der Fabrik. Er besuchte zum Beispiel die Aerodynamikabteilung und "schaute sich die Daten genau an, um zu verstehen, was am Auto funktioniert und was nicht". Natürlich hatten die Kollegen die Daten längst - aber der persönliche Austausch ist eben doch wirksamer als E-Mails oder Videoanrufe.
Wenn der Berg nicht zum Propheten kommt, muss der Prophet eben zum Berg gehen.
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Gabriel Bortoleto (2025): Als amtierender Formel-2-Meister kommt der Brasilianer zum strauchelnden Sauber-Team. Achtungserfolge sind für ihn bereits vereinzelte Einzüge in Q2 und Siege gegen Teamkollege Nico Hülkenberg, was Bortoleto in der Anfangsphase durchaus gelingt. Fotostrecke
"Natürlich hatten wir diese Daten schon", sagt Bortoleto, "aber was sie immer wieder sagen, ist: Der Fahrer ist der beste Sensor, den ein Auto haben kann."
"Ich habe das Projekt vor mir ganz klar vor Augen - und genau das motiviert mich so sehr. Denn wenn ich keine Perspektive hätte, wie wir uns in Zukunft verbessern, dann wäre es deutlich schwieriger, damit umzugehen", so der Brasilianer.
"Du musst Leistung bringen, um in der Formel 1 zu bleiben - und ich versuche mein Bestes, genau das zu tun."
Alonso: Vor zehn Jahren vielleicht keine Chance gehabt
Für Fernando Alonso haben Rookies in der Formel 1 heutzutage ohnehin eine bessere Chance, sich zu empfehlen und langfristig in der Königsklasse zu bleiben. Denn einerseits besteht durch Simulatoren & Co. heute eine bessere Vorbereitung, zum anderen ist das Feld enger zusammen, sodass Fahrer nicht mehr Gefahr laufen, hoffnungslos am Ende des Feldes zu versauern.
Der Spanier glaubt nicht, dass einige der heutigen hochgehandelten Rookies auch eine Chance gehabt hätten, wenn sie vor zehn Jahren in die Formel 1 gekommen wären. "Ich möchte keinen Namen nennen, weil ich mich nicht erinnere, aber vor zehn Jahren gab es sicher ein paar neue Fahrer, die in die Formel 1 kamen und vielleicht ein Auto hatten, das nur um Q1 kämpfte."
"Und nach drei Jahren, in denen sie um Q1 kämpften, verschwanden sie. Sie waren nicht mehr auf dem Radar", sagt Alonso.
Bortoleto-Bewertung erst später
Derzeit könne man aber mit den Autos durchaus um Punkte und sogar Podestplätze kämpfen. "Und dann merkst du, wow, dieser Rookie ist sehr talentiert. Aber ich denke, vor zehn Jahren hatte vielleicht ein anderer Rookie nicht die Chance, ein konkurrenzfähiges Auto zu bekommen."
Wer der Beste der aktuellen Rookie-Generation ist, ist für ihn aber noch schwierig zu beantworten, weil man ein paar Jahre bräuchte, um sich zu beweisen. Ein guter Kandidat wäre für ihn eben Bortoleto, der die Formel 2 und Formel 3 in den vergangenen beiden Jahren gewonnen hat. Das Problem ist halt, dass er bei Sauber im wohl schlechtesten Auto sitzt.
"Und jetzt ist er der Letzte der Rookies. Was sagen wir dann? Er ist der schlechteste der Rookies, oder er passt sich schlechter an als die anderen, oder er ist einfach, naja, die anderen hatten zur richtigen Zeit einen besseren Platz", so Alonso. "Aber in zehn Jahren werden wir sehen, wo sie sind."