Bonuspunkt ab 2025 weg: Hat er eigentlich überhaupt etwas gebracht?
Der Bonuspunkt für die schnellste Runde fällt ab 2025 wieder weg, doch hat er seit seiner Einführung 2019 überhaupt einen Einfluss auf die WM gehabt?
(Motorsport-Total.com) - Die Formel 1 hat für die Saison 2025 eine Rolle rückwärts gemacht und den Bonuspunkt für die schnellste Rennrunde wieder gestrichen. Dieser war 2019 nach 60 Jahren wieder eingeführt worden, nachdem zuletzt 1959 ein Bonuspunkt für die schnellste Runde vergeben worden war.
Damals führt die nur sekundengenaue Zeitnahme dazu, dass immer wieder mehr als ein Fahrer den Bonuspunkt bekam, der dann unter den Fahrern aufgeteilt wurde. So kam es unter anderem auch dazu, dass 1954 in Silverstone gleich sieben Fahrer zeitgleich gewertet wurden - jeder bekam einen Siebtelpunkt.
Ganz so kurios waren die sechs Jahre, in denen der Bonuspunkt seit 2019 vergeben wurde nicht. Trotzdem sorgte das System dafür, dass Fahrer kurz vor Schluss in die Box fuhren, um anderen Fahrern den Punkt wieder zu klauen. Das mag im WM-Kampf sinnvoll sein, wenn man ihn sich selbst holen kann, zuletzt wurde der sportliche Gedanke aber zwei Mal ad absurdum geführt.
In Singapur wurde Daniel Ricciardo an die Box zitiert, um sich auf frischen Reifen die schnellste Rennrunde zu holen. Er selbst lag außerhalb der Top 10, konnte den Punkt selbst also nicht bekommen. Doch Red Bull stellte damit über sein B-Team sicher, dass Max Verstappens WM-Rivale Lando Norris den Zähler nicht bekam.
In Austin machte Esteban Ocon auf Platz 15 liegend das gleiche und verwehrte damit Franco Colapinto dessen erste schnellste Rennrunde - immerhin konnte Alpine so verhindern, dass Konkurrent Williams in der WM weiter davonzieht.
Doch hatte der Bonuspunkt für die schnellste Runde in den vergangenen Jahren überhaupt einen Einfluss auf ein Meisterschaftsergebnis? Das wollen wir uns an dieser Stelle einmal anschauen.
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1. Guanyu Zhou (Großbritannien 2022): Schon am Start von Silverstone wird der Alfa-Romeo-Pilot Opfer einer Berührung zwischen Pierre Gasly und George Russell. Der Brite berührt Zhou, der sich überschlägt und am Ende sogar zwischen Reifenstapel und Fangzaun landet. Fotostrecke
2019
2019 gingen 19 von 21 schnellste Runden in die Wertung ein. Lediglich Kevin Magnussen (Haas) in Singapur und Valtteri Bottas (Mercedes) in Brasilien kamen nicht in die Top 10.
Die meisten schnellsten Runden drehte damals Lewis Hamilton (Mercedes) mit sechs, gefolgt von Ferrari-Pilot Charles Leclerc mit vier und Max Verstappen (Red Bul) mit drei. Sebastian Vettel (Ferrari), Bottas und Pierre Gasly (Red Bull) kamen auf je zwei Bonuspunkte.
Um es kurz zu machen: Auf die WM hatte das alles überhaupt keinen Einfluss. Weder in der Fahrer- noch in der Konstrukteurs-WM ergaben sich dadurch irgendwelche Verschiebungen.
2020
Anders sieht es hingegen im Coronajahr 2020 aus, wo McLaren-Pilot Carlos Sainz beim Großen Preis der Steiermark seine einzige schnellste Runde des Jahres holte - und das genügte, um in der Gesamtwertung auf Platz sechs vor Alexander Albon (Red Bull) zu landen, der keine schnellste Runde aufweisen konnte.
Denn durch Sainz' Bonuspunkt hatten beide Fahrer am Ende 105 Zähler - weil Sainz aber mit Rang zwei in Monza das bessere Einzelergebnis aufzuweisen hatte, wurde er vor dem Thailänder gewertet. Weitere Änderungen gab es aber nicht.
Die meisten schnellsten Rennrunden holte erneut Mercedes-Fahrer Lewis Hamilton (6) vor Max Verstappen (3), Daniel Ricciardo (Renault/2), Valtteri Bottas (2) und Lando Norris (McLaren/2). Auch George Russell wurde bei seinem einzigen Mercedes-Auftritt in Sachir mit dem Bonuspunkt bedacht.
2021
Interessant dürfte für viele der Blick auf die Saison 2021 sein, die vom harten WM-Duell zwischen Lewis Hamilton und Max Verstappen bestimmt wurde, das erst in der letzten Runde der Saison entschieden wurde.
Am Weltmeister hätte das aber nichts geändert, weil beide sechs schnellste Runden in der Saison geholt hatten. Hamilton hätte zwar einen Punkt Rückstand weniger, weil Verstappen den Bonuspunkt nach dem Reifenschaden in Baku nicht bekam, angesichts von acht Punkten Rückstand hätte das aber bei weitem nicht gereicht.
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Durch seinen Punkt in Sotschi konnte sich zudem Lando Norris einen Punkt von Charles Leclerc absetzen. In der Gesamtwertung machte das aber keinen Unterschied, da Norris auch bei Punktgleichheit durch seine besseren Einzelergebnisse vor dem Ferrari-Piloten auf Position sechs gewesen wäre.
Bottas (3), Perez (1), Ricciardo (McLaren/1) und Gasly (AlphaTauri/1) bekamen ebenfalls Bonuspunkte, vier Mal wurde der Zusatzzähler nicht vergeben: an Verstappen in Baku, Perez in Silverstone und Bottas in Mexiko. Beim verregneten Abbruchrennen in Belgien wurde entschieden, überhaupt keine schnellste Runde anzuerkennen, da lediglich hinter dem Safety-Car gefahren wurde.
2022
Auch unter dem neuen Ground-Effect-Reglement 2022 hätte sich erst einmal nichts geändert. Sowohl bei den Fahrern als auch bei den Teams gab es durch die Bonuspunkte keine Verschiebungen.
Die meisten schnellsten Runden holte Weltmeister Max Verstappen (5) vor Mercedes-Pilot George Russell, von dessen vier schnellsten Runden aber nur drei zählten - abzüglich der in Singapur. Charles Leclerc (3, übrigens alle in den ersten drei Rennen), Sergio Perez (3), Lando Norris (2), Carlos Sainz (2) und Lewis Hamilton (2) bekamen ebenfalls Zähler.
Alfa-Romeo-Pilot Guanyu Zhou war zwar in Japan der Schnellste, Rang 16 qualifizierte den Chinesen aber nicht für eine Verbesserung auf dem Punktekonto.
2023
Das gleiche Schicksal ereilte ihn ein Jahr später beim Saisonauftakt in Bahrain, als er ebenfalls wieder die schnellste Runde drehte, auf Position 16 aber nichts dafür bekam - so wie Oscar Piastri (McLaren) in Monza.
Alle anderen Runden wurden mit einem Punkt belohnt, sorgten aber natürlich ebenfalls nicht für einen neuen Weltmeister. Denn Verstappen holte nicht nur den Titel, sondern mit neun schnellsten Rennrunden auch die meisten aller Piloten.
Aber: Auch wenn für die anderen Piloten nicht so viele Zähler übrig blieben, änderte sich in der WM doch etwas. Die schnellste Runde von Fernando Alonso (Aston Martin) in Zandvoort - seine einzige in diesem Jahr - brachte dem Spanier gleich zwei WM-Positionen ein!
So kam er wie Charles Leclerc, der keine einzige holte, auf 206 Punkte und wurde dank der besseren Einzelergebnisse WM-Vierter. Hätte er den Bonuspunkt nicht geholt, wäre er aber sogar noch hinter Lando Norris gelandet, der auf 205 Punkte kommt und wiederum die besseren Ergebnisse als Alonso vorzuweisen hatte.
Hätte es aber keine Bonuspunkte gegeben, dann hätte Norris aber auch einen Zähler weniger und wäre in der Endabrechnung doch einen Punkt hinter Alonso. Somit war Alonsos Bonuspunkt im Einzelfall zwar zwei WM-Plätze wert, ohne die Regel wäre es aber nur einer gewesen.
Und mehr noch: Ohne Zusatzzähler hätte Mercedes im vergangenen Jahr nicht Rang zwei bei den Teams belegt. Denn durch Lewis Hamilton (4) und George Russell (1) bekam man fünf Punkte dazu, Ferrari belegte aber nie Rang eins der Rundentabelle - und hatte im Endeffekt drei Punkte Rückstand.
2024
Ob die Bonuspunkte in dieser Saison eine Auswirkung haben werden, wird sich erst am Ende der Saison zeigen. Generell ist die Verteilung aber ziemlich gerecht, da Charles Leclerc auf drei, Max Verstappen, George Russell und Lewis Hamilton auf je zwei und Carlos Sainz und Sergio Perez auf je eine schnelslte Runde kommen.
Nur Lando Norris hat mit aktuell vier schnellsten Runden ein paar mehr und hätte somit 49 statt 47 Punkte Rückstand auf Verstappen.
Insgesamt lässt sich daher sagen, dass der Einfluss des Bonuspunktes auf die Meisterschaft in den vergangenen Jahren gering war. Nur zwei Mal hatten Fahrer dadurch eine bessere Platzierung in der Gesamtwertung. Die größte Veränderung gab es wohl 2023 bei den Konstrukteuren, wo sonst Ferrari statt Mercedes Vizemeister geworden wäre.