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Helmut Marko fürchtet um die WM: "Speed bei Max war zu langsam"
Max Verstappen erbt durch späten Crash in Baku einen schmeichelhaften fünften Platz - auf WM-Rivale Lando Norris büßt er trotzdem weiter wertvolle Punkte ein
(Motorsport-Total.com) - Zwar verliert Max Verstappen am Sonntag in Baku nur drei WM-Punkte gegenüber Titelrivale Lando Norris, doch im Hause Red Bull herrscht nach dem Großen Preis von Aserbaidschan trotzdem Katerstimmung: "Es ist frustrierend, besonders, wenn man sich anschaut, wo Lando sich qualifiziert hat, dass wir ihn heute nicht geschlagen haben", sagt Red-Bull-Teamchef Christian Horner: "Immerhin hat er keine großen Punkte geholt."
© Motorsport Images
Max Verstappen kommt in Baku auf einem schmeichelhaften fünften Platz an Zoom Download
Auch Motorsportberater Helmut Marko ist nach dem Rennen in Sorge: Sein Schützling sei am Sonntag lange im DRS-Zug hinter Alex Albon festgesteckt, habe dort viel Zeit verloren, obwohl er "über eine Sekunde" hätte schneller fahren können, erklärt Marko bei ServusTV: "Durch die DRS-Situation ist er nicht vorbeigekommen, und das hat uns dann in die Arme von Norris getrieben. Aber generell war unser Speed bei Max zu langsam."
Zwar habe Verstappen zwischendurch auch schnelle Runden gezeigt, "aber er konnte es nicht kontinuierlich fahren. Dann wollten wir zum Schluss auf die schnellste Runde gehen, das ist durch diesen Unfall auch wieder daneben gegangen", sagt Marko mit Blick auf die späte VSC-Phase nach dem Crash zwischen Carlos Sainz und dem zweiten Red Bull von Sergio Perez.
Dass der Mexikaner Verstappen bis zu seinem Unfall eigentlich das ganze Wochenende über im Griff hatte, überrascht den Grazer indes nicht: "Beide sind mit einem verschiedenen Set-up gefahren. Das Set-up von Checo hat funktioniert, der war über die komplette Renndistanz in einem Abstand von ein bis drei Sekunden hinter Leclerc. Das konnte Max überhaupt nicht", verrät der Grazer bei Sky.
"Sobald der innerhalb von ein oder zwei Sekunden gekommen ist, waren nach ein, zwei Runden die Bremsen überhitzt. Der Reifenverschleiß war ein wesentlich höherer. Theoretisch war der Unterschied nicht so, aber in der Praxis hat sich das massiv ausgewirkt", nimmt Marko seinen Weltmeister in Schutz. Teamchef Horner bläst in das gleiche Horn: "Ich denke, wir haben bei Max eventuell etwas ans Auto, das offenbar nicht so gut funktioniert, und auch den Reifen ziemlich geschadet hat, als er so lange in dieser Gruppe gekämpft hat."
Während Perez einen guten Rhythmus und ein gutes Set-up gefunden habe, hätte sich Verstappen auch im Rennen nicht wohlgefühlt im Auto: "Ich denke, es wird im Nachhinein eine große Untersuchung geben, um festzustellen, was die Unterschiede zwischen beiden Autos waren, die eigentlich recht subtil sind. Aber er war heute einfach nicht so zufrieden wie Checo. Das müssen wir also anschauen und verstehen", sagt Horner.
Verstappen bereut Änderungen: "Wie ein Go-Kart"
Verstappen selbst übernimmt dafür durchaus auch Verantwortung: "Ich denke, wir haben einfach den Preis für die Änderungen bezahlt, die wir gestern vorm Qualifying vorgenommen haben", sagt der Weltmeister - eine Entscheidung, die das Auto "einfach wirklich schwer zu fahren" gemacht habe, die aber "unsere Seite" der Garage so beschlossen habe: "Wir gewinnen und verlieren als Team. Wir dachten, es wäre eine gute Richtung, aber am Ende war es das nicht."
Stattdessen sei sein Auto zu sehr rumgesprungen, habe sich teilweise angefühlt "wie ein Go-Kart. Immer, auf jeder Achse, war immer ein Rad in der Luft, in allen langsamen Kurven", verrät Verstappen bei Sky, und erklärt: "Dann hast du natürlich auch gar keinen Grip. Das war eigentlich mein Problem. Dann bin ich natürlich auch viel gerutscht, und dann hast du viel mehr Reifentemperatur aufgebaut, und auf einer Strecke wie hier in Baku kannst du das nicht machen."
Kein Wunder, dass Verstappens Fazit am Sonntag nicht rosig ausfällt: "Ich meine, wenn man sich mein Rennen anschaut, war wahrscheinlich alles einfach das Worst-Case-Szenario." Immerhin einer nachträglichen Strafe für das Überholen unter VSC nach der Zieldurchfahrt entgeht Verstappen, kommt mit einer Ermahnung der Stewards davon. So gesehen, findet auch Motorsportberater Marko: "Also für all das, dass wir dann nur drei Punkte in der Fahrer-WM verloren haben, ist das noch glücklich würde ich sagen."
Zufriedenstellend sei die Situation mit Blick auf die Weltmeisterschaft für ein erfolgsverwöhntes Team wie Red Bull aber natürlich keinesfalls: Gerade in Sachen Konstrukteurs-WM, deren Führung Markos Mannen in Baku nun endgültig aus der Hand geben mussten, gibt sich der Grazer keinen Illusionen hin: "Ehrlich gesagt: Ja", lautet Markos Antwort auf die Frage, ob er die Team-WM innerlich schon aufgegeben habe.
Zumindest hat der Österreicher aber die leise Hoffnung, dass McLaren sich im weiteren Saisonverlauf erneut selbst im Weg stehen könnte: "Das Positive ist, dass Piastri punktemäßig sehr nahe an Lando dran ist. Also von wegen Team- oder Papaya-Ordnung, da wird es nicht so schnell eine Klarheit geben", glaubt der Red-Bull-Berater.
Red Bull und das große Zittern vor Singapur
In Sachen Fahrer-WM für Verstappen müsse man aber vor allem selbst wieder aktiver in Geschehen eingreifen, als das zuletzt möglich war: "Wir müssen Speed finden und das Auto muss in der Abstimmung leichter zu bewerkstelligen sein. Wir sind aber zuversichtlich, mit dem was wir hier gesehen haben, dass wir das schaffen, und dass wir auch aus eigener Kraft diese Fahrer-WM gewinnen", erklärt Marko, der findet: "Es geht in die richtige Richtung."
Grund für die Zuversicht liefert unter anderem die positive Rückmeldung nach dem Unterbodenwechsel: "Das Gesamtverhalten ist besser", bekräftigt auch Verstappen trotz des frustrierenden Ausgangs für ihn am Sonntag, und erklärt in Bezug auf den "guten Schritt", den sein Team dahingehend gemacht habe: "Ich hatte wieder mehr Verbundenheit zum Auto. Leider haben wir die dann, mit den Änderungen, die wir vorgenommen haben, wieder verloren."
So bleiben schwarz auf weiß unterm Strich 59 Punkte Vorsprung auf Norris stehen, bei noch sieben ausstehenden Rennen: "Also ja, ich glaube, der Vorsprung ist immer noch gut", sagt Verstappen. Parallelen zu seiner ersten WM-Saison 2021, als Mercedes-Star Lewis Hamilton im Saisonendspurt mit Siebenmeilenstiefeln auf den Niederländer aufholte, will er aber nicht erkennen: "Nein, weil es 2021 wirklich nur zwischen zwei Fahrern war, wir waren bei den meisten Rennen Erster und Zweiter, der Rest weit abgeschlagen."
Dieses Jahr sei das ganz anders, wenngleich Verstappen einräumt, dass es auch etwas Gutes habe, dass sich die vielen verschiedenen Sieger der letzten Rennen im Verfolgerfeld gegenseitig die Punkte wegnehmen: "Das ist bestimmt so, aber ich mag es natürlich trotzdem nicht, wenn ich selbst immer nur Sechster werde. Wir müssen etwas besser werden, aber ich denke, das haben wir heute auch schon gezeigt, zum Beispiel mit Checo, der etwas zufriedener war, dass das Auto bisschen besser performt hat."
Will er in der WM nicht weiter unter Druck geraten, muss das dann am kommenden Wochenende in Singapur auch Verstappen auf der Strecke umsetzten - kein leichtes Unterfangen, war doch selbst im dominanten 2023-er Jahr ausgerechnet Singapur der einzige Kurs, auf dem Red Bull sich der Konkurrenz geschlagen geben musste. Kein Wunder also, dass Marko vor dem Trip in die asiatische Metropole schon Bange ist: "Vor Austin fürchte ich, wird es nicht gelingen, dass wir da einen Schritt vorwärts machen. Also müssen wir noch Singapur überstehen."
Zusätzlich erschwert wird die Mission für Red Bull dabei auch durch die Folgen der Perez-Sainz-Kollision in Baku: "Wir müssen schauen, wie hoch der Schaden beim Checo ist, das heißt wie viele Teile haben wir überhaupt?", sagt Marko, und verrät: "Wir hatten einige Sachen, kleinere, geplant für Singapur, aber durch diesen Crash ist die Situation wieder völlig neu zu bewerten." Genauso wie im Anschluss an Singapur mit Sicherheit auch wieder der Blick auf die WM-Stände - bleibt abzuwarten, wie groß der Punktevorsprung Verstappens dann noch ist ...