Günther Steiner verteidigt Haas-Weg: "Die einzige Möglichkeit, Fuß zu fassen"
Der frühere Haas-Teamchef Günther Steiner verteidigt die Taktik, so viel wie möglich von Ferrari zu übernehmen: Eine andere Chance auf Erfolg sah er beim Einstieg nicht
(Motorsport-Total.com) - Als Haas 2016 in die Formel 1 kam, wählte der Rennstall einen unüblichen Weg. Anstatt alles in Eigenregie zu bauen, ging man eine Partnerschaft mit Ferrari ein und übernahm so viele Teile wie möglich von der Scuderia. Spöttisch bekam man den Namen B-Team von Ferrari und machte sich bei der Konkurrenz damit nicht gerade beliebt.
Doch der damalige Teamchef Günther Steiner verteidigt die Vorgehensweise, denn aus seiner Sicht sei es damals die einzige Möglichkeit gewesen, in der Formel 1 als neues Team mitzuhalten.
"Das war der einzige Weg, in der Formel 1 Fuß zu fassen", sagt er im Podcast James Allen on F1 und verweist auf die zuvor gescheiterten neuen Teams wie HRT, Caterham und Virgin, die nach ihrem Einstieg 2010 nur wenige Jahre durchhielten und heute kein Teil der Königsklasse mehr sind.
"Sie sind alle gescheitert, und dabei waren es intelligente Leute mit einem guten Batzen an Geld. Das waren alles keine Idioten oder dumme Leute, das waren intelligente, gute Leute, aber es ist so schwierig, in der Formel 1 von null auf zu beginnen", so Steiner.
"Und ich habe nicht gesehen, wie es funktionieren kann, wenn wir einfach nochmal das Gleiche machen", sagt er. "Denn wir hatten nicht mehr Geld und sind auch nicht intelligenter als die anderen, die es versucht haben. Warum sollten wir also erfolgreicher sein?"
Darum habe Haas nach einem anderen Weg gesucht, in der Formel 1 Erfolg zu haben. Die Lösung bestand in einer engen Partnerschaft mit Ferrari, bei der man so viele Teile wie möglich - sogenannte listed parts - von der Scuderia bezieht und nur die notwendigsten Dinge selbst macht. Das war damals vom Reglement so gedeckt.
Steiner: Für mich zeigt das Respekt vor anderen
Der Erfolg war dabei klar ersichtlich: Schon in den ersten beiden Rennen fuhr Romain Grosjean auf die Positionen sechs und fünf, am Saisonende stand mit 29 Punkten der achte WM-Platz. Ein Jahr später folgten noch regelmäßigere Top-10-Platzierungen und 47 Punkte, mit denen es ebenfalls wieder Rang acht gab.
Haas' beste Saison folgte 2018, als man sensationelle 93 Punkte holte und Fünfter wurde - vor Teams wie McLaren. Allerdings war der Haas-Weg in der Formel 1 nicht unumstritten.
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"Nach uns haben sie die Tore geschlossen, weil es hieß: 'Günther ist hier reinspaziert und hat dadurch einen Vorteil, weil niemand es zuvor probiert hat'", sagt Steiner. "Wir hatten nichts Illegales gemacht, wir haben nur die Regeln ausgenutzt."
Er betont: "Für mich war das immer der Respekt vor anderen Leuten. Ich habe sie angesehen und gedacht: Diese Leute haben Geld, sie haben gute Mitarbeiter, sie sind intelligent - und sie haben Probleme. Warum sollte ich also denken, dass ich es besser machen kann? Ich habe weniger Geld, und ich sage nicht, dass wir intelligenter waren. Wir mussten einfach einen anderen Weg finden."
Fünften Platz 2018 nicht genug zelebriert
Danach folgte allerdings der Absturz. An Rang fünf kam Haas nicht mehr annähernd ran. Nur einmal lag man in späteren Saisons besser als auf dem vorletzten Platz.
"Wenn du nicht mehr Fünfter bist, dann merkst du erst, wie gut das war", sagt der Südtiroler. "Wenn du Fünfter bist, dann fragst du dich: Warum bin ich nicht Vierter? Und plötzlich bist du wieder Neunter und denkst: Wow, das war gut letztes Jahr. Wir haben das nicht genügend gefeiert."
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Auch heute noch bezieht Haas so viele Teile wie möglich von Ferrari, doch in dem Ausmaß wie früher ist das nicht mehr möglich. Zudem hat durch die Budgetgrenze ein neues Businessmodell in der Formel 1 Einzug gehalten.
"Mit der Budgetgrenze funktioniert es jetzt am besten, wenn du so viel wie möglich auf die beste Art und Weise selbst machst", sagt Steiner. Allerdings brauche man dazu die besten Leute und die besten Arbeitsbedingungen mit den besten Anlagen - und da liegt aktuell der Nachteil der kleineren Teams.
Was Steiner über die aktuellen Erfolge denkt
Das muss Steiner aber nicht mehr interessieren, denn seine Zeit als Teamchef von Haas endete vor der Formel-1-Saison 2024. Der Vertrag des Südtirolers wurde nicht mehr verlängert, stattdessen übernimmt jetzt Ayao Komatsu die Geschicke des Rennstalls - und macht das bislang ganz gut, denn Haas liegt aktuell auf dem siebten WM-Rang. Das wäre nach Platz fünf 2018 die beste Platzierung.
Freut sich Steiner darüber, dass sein Ex-Team nach ihm Erfolg hat? "Ich freue mich für die Leute da", sagt er. "Ich kenne viele von ihnen und habe einige von ihnen ja selbst angestellt, von daher freue ich mich für sie. Sie haben schwierige Jahre hinter sich, von daher ist es immer gut, wenn sie ein gutes Ergebnis haben."
Ansonsten versuche er in seiner Rolle als TV-Experte aber neutral zu sein, weil sich das sonst nicht vereinbaren lasse. "Ich muss komplett unparteiisch sein", stellt er klar. "Und wenn ich für den einen bin, dann ist ein anderer sauer, und dann verliere ich Freunde. Ich möchte aber keine Freunde verlieren."