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Wut auf Alpine vor Motoren-Wechsel zu Mercedes: "Feige" und "herzzerreißend"
Ein Ex-Mitarbeiter von Alpine packt vor der anstehenden Einstampfung des F1-Motorenprojekts aus: Jahrelanges Missmanagement von De Meo und Rossi?
(Motorsport-Total.com) - Die meisten Geschichten haben zwei Seiten: Man kann die "Umstrukturierung" bei Alpine so verkaufen, wie es Noch-Teamchef Bruno Famin am Donnerstag in der Pressekonferenz vor dem Großen Preis von Belgien in Spa tat: Als "Projekt" und nötigen Wandel für "größere Ziele".
© Motorsport Images
Teamchef Famin muss unangenehme News überbringen - und darf dann gehen Zoom Download
Worte, die angesichts der Vorgänge im Hintergrund bei Renaults-Sportwagentochter tatsächlich etwas grotesk klangen - kamen sie doch aus dem Mund eines Mannes, der in der gleichen Pressekonferenz eingestehen musste als Teamchef quasi mit Ansage entmachtet worden zu sein. Die Revolution frisst ihre eigenen Kinder ...
Oder aber man bewertet die ganze Situation um die Motorenschmiede Alpines in Viry-Châtillon, in der aktuell über 500 Mitarbeiter um ihre Jobs bangen, so wie Pierre Chauty. Der ehemalige Rechtsmanager des Teams meldete sich mit einem wütenden Posting auf LinkedIn zu Wort - und ließ dabei kein gutes Haar an der aktuellen Teamführung und ihren Vorgängern.
"Ich bin schwer niedergeschlagen und verärgert über Alpines jüngste Entscheidung, sich von Renaults F1-Motoren zu trennen, und sich Mercedes zuzuwenden. Als ehemaliger Mitarbeiter trifft mich dieser Ausgang besonders hart", schreibt Chauty, und plaudert damit gleich mal aus, was ihm seine in der Firma selbstredend bestens vernetzten Quellen offenbar über Alpines neuen Aggregatspartner erzählt haben.
"Unverzeihliches Versagen": Harte Kritik an De Meo
Berichte über eine Liaison zwischen Mercedes und Alpine halten sich schon länger hartnäckig, die gute Beziehung von Toto Wolff und Flavio Briatore, der als Sonderberater neuerdings das Zepter über dem Formel-1-Projekt der Franzosen schwingt, tut dabei ihr Übriges.
Chauty macht aus seinem Herzen angesichts dieser Vorgänge keine Mördergrube: "Diese Situation ist ein direktes Resultat der desaströsen Führung von Luca de Meo, dem CEO der Renault-Gruppe. De Meos Versagen, die Fehler, die mehr als zweieinhalb Jahre lang von Laurent Rossi begangen wurden, zu erkennen und zu berichtigen, ist unverzeihlich", schreibt der Ex-Mitarbeiter des Teams.
Rossi war bereits vor einem Jahr als Alpine-CEO entmachtet worden. Die tiefen Spuren der Verwüstung, die er laut Chauty bei Alpine hinterlassen hat, scheinen jedoch bis heute sichtbar zu sein: "De Meos fehlendes Eingeständnis seiner eigenen Fehler, und seine schlechte Einschätzung, Rossi überhaupt installiert zu haben, haben Alpine und der ganzen Renault-Gruppe erheblich geschadet", so Chauty.
Schwere Vorwürfe gegen Alpines ehemaligen CEO
"Zudem hatte De Meo noch nicht mal die Courage, das Ende des Formel-1-Motorenprogramms selbst zu verkünden, was seine Feigheit und mangelndes Verantwortungsbewusstsein zeigt", schreibt der ehemalige Rechtsmanager, nur um auch gegen Rossi nochmal nachzulegen:
"Wenn wir über Feigheit sprechen, Laurent Rossis Amtszeit als CEO von Alpine ist ein weiteres Beispiel für schwache Führung und das komplette Vermissenlassen von Menschlichkeit. Er hat unzählige Mitarbeiter aus rein politischen Gründen abgesägt, dabei vor allem diejenigen ins Auge gefasst, die er zu nah an der vorherigen Führung wähnte."
Nicht schwer herauszulesen ist aus dem Posting Chautys, dass auch er sich zu diesen Leuten zählt: Dabei habe Rossi, wie eben auch De Meo, nicht persönlich mit den geschassten Mitarbeitern gesprochen, "sondern die Drecksarbeit der Personalabteilung überlassen", behauptet Chauty. Dem ehemaligen CEO wirft er deshalb unter anderem "miserable ethische Standards" vor.
Noch schlimmer sei jedoch das Resultat dieser Vorgehensweisen für das Unternehmen gewesen: "Seine Entscheidungen haben zu einem signifikanten Verlust an Talent und Erfahrung geführt, der die Marke und das F1-Team in seine momentane missliche Lage geführt hat." Kurzum: Rossi habe Alpine massiv runtergewirtschaftet ...
Laurent Rossi: Nur von Alain Prost demaskiert?
Auch Alpines ehemaligen Sonderberater Alain Prost will Chauty in seinem Posting nicht vergessen: Der viermalige Weltmeister habe schließlich vor Rossis "Inkompetenz und Arroganz" gewarnt, nur um kurze Zeit später vom damaligen Boss vertrieben zu werden. "Alains Kritik hallt bei vielen von uns nach, die die internen Turbulenzen aus erster Hand mitbekommen haben", so Chauty.
Prost könne man dafür nicht genug danken: "Ich bewundere seinen Einsatz, diese Probleme ans Licht zu bringen, da er die einzige Person mit genügend Legitimität und Bekanntheit war, um anständige Aufmerksamkeit zu erzeugen (von der rechtlichen Freiheit, das zu tun, ganz zu schweigen ...)", erklärt der ehemalige Rechtsmanager.
Er selbst habe in den letzten Monaten seiner eigenen Amtszeit bei Alpine "unzählige Male ethische Bedenken geäußert und die Richtung infrage gestellt, in die wir bewegt wurden", erklärt Chauty, und fügt hinzu: "Ich habe sogar in Erwägung gezogen, damit an die Presse zu gehen, aber zu diesem Zeitpunkt schien es niemanden zu interessieren."
Im Nachhinein werfe es sich vor, damals "nicht noch mehr Aktivismus gezeigt zu haben", bekennt Chauty, ungeachtet der seiner Meinung nach ohnehin geringen Erfolgsaussichten für ein derartiges Unterfangen. So bleibt bei ihm vor allem Verbitterung über das bevorstehende Aus von Renaults Motorenprojekt in der Formel 1 über:
"Alpines Partnerschaft mit Mercedes mag technische Vorteile bringen, aber die menschlichen Konsequenzen sind desaströs. Der Verlust von fähigem und erfahrenem Personal ist ein Rückschlag, von dem sich Alpine, und potenziell die ganze Renault-Gruppe, nicht erholen wird. Die Folge für die mehr als 500 Mitarbeiter in Viry-Châtillon", schreibt Chauty in seinem emotionalen Eintrag, seien nichts weniger als "herzzerreißend".
Immerhin: Jobs sollen laut Famins Aussagen in der Pressekonferenz am Standort im Süden von Paris keine abgebaut werden - wie das allerdings genau ablaufen soll, das wissen die Entscheider bei Renault und Alpine im Angesicht der Liquidierung des eigenen F1-Motorenprojekts aktuell wohl selbst noch nicht.