• 29. März 2024 · 14:37 Uhr

Surer über Andretti-Nein: "Verstehe, dass die das Geld allein abkassieren wollen"

Wie sehr die TV-Quoten der Formel 1 im Sinkflug sind und was man dagegen unternehmen könnte: Ein Interview mit Fernseh-Urgestein Marc Surer

(Motorsport-Total.com) - Die TV-Quoten der Formel 1 befinden sich zu Beginn der Saison 2024 im Sinkflug. In Deutschland und Österreich haben bei allen drei bisherigen Rennen weniger Menschen zugeschaut als 2023. Den Saisonauftakt in Bahrain haben immerhin noch 2,3 Millionen Zuschauer bei RTL und Sky gesehen. In Melbourne (wo nur Sky übertragen hat) waren es keine 340.000 mehr.

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Formel-1-Experte Marc Surer findet, dass die Teamchefs zu kurzfristig denken Zoom Download

Kein Vergleich also zu den goldenen Zeiten der Formel 1 in Deutschland. Auf dem Höhepunkt der Schumacher-Mania, beim dramatischen WM-Finale in Jerez 1997, waren mehr als 15 Millionen TV-Zuschauer live dabei. Ein Negativtrend, der sich auch international manifestiert. Selbst im vermeintlichen Boom-Markt USA ist es kein Selbstläufer mehr, dass ein Rennen die Million knackt.

Das liegt an einer ganzen Reihe verschiedener Faktoren. In Melbourne war zum Beispiel die Startzeit lokal früher angesetzt, sodass besonders TV-Zuschauer in Europa früher aufstehen hätten müssen als in vergangenen Jahren. Und dass Max Verstappen und Red Bull mit wenigen Ausnahmen sportlich alles dominieren, trägt sein Übriges bei.

Doch es gibt Dinge, die die Formel 1 tun könnte, um für TV-Zuschauer wieder attraktiver zu werden, findet der ehemalige Grand-Prix-Pilot Marc Surer. Der wichtigste Vorschlag, für den er in einem Video auf dem YouTube-Kanal von Formel1.de Werbung macht: Rechteinhaber Liberty Media sollte "unbedingt zwölf" statt der derzeitigen zehn Teams zulassen.


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Zwar hatte sich mit Andretti ein elfter Rennstall für ein Antreten in der Formel 1 beworben, und seitens des Automobil-Weltverbands FIA wurde die Nennung des US-Teams auch akzeptiert. Doch das letzte Wort hatte Rechteinhaber Liberty Media, und der lehnte Andretti ab. Auch unter dem Druck der anderen zehn Teameigentümer.

Surer: "Eine Schande, dass Andretti nicht mitfahren darf"

"Dass die natürlich das ganze Geld allein abkassieren wollen, verstehe ich einerseits. Aber das ist kurzfristiges Denken", kritisiert Surer. "Langfristig müssen sie mehr Möglichkeiten schaffen, und es ist eine Schande, dass Andretti da nicht mitfahren darf. Das würde Amerika sicherlich motivieren."

"Jetzt haben wir einen amerikanischen Fahrer, der hinterherfährt (Logan Sargeant bei Williams; Anm. d. Red.). Wenn Andretti dabei wäre als Team, würden die auch nicht gleich vorn fahren. Aber trotzdem: Es wäre halt wieder ein Punkt, der der Formel 1 langfristig helfen würde."

Surer findet, dass die Eigentümer der bestehenden zehn Teams so gegen Andretti rebelliert haben - manche mehr, manche weniger -, sei einzig und allein damit erklärbar, dass sie sich die Profite der Formel 1 "in die eigene Tasche stecken" wollen. Wobei die Teamchefs in der Andretti-Frage eigentlich gar kein Mitspracherecht hatten.

Wie viel Geld die Teams mit der Formel 1 verdienen

Tatsache ist aber: Teams wie Mercedes, die jahrelang nicht profitabel waren, sind durch die Einführung einer Budgetobergrenze zu einer Cashcow geworden. Mercedes hat 2014 noch einen Verlust von 94 Millionen US-Dollar erwirtschaftet. Das Geschäftsjahr 2022 wurde mit 110 Millionen Dollar Gewinn abgeschlossen.

Dass Toto Wolff & Co. nur wenig Interesse dran haben, den großen Einnahmentopf der Formel 1 nicht mehr durch zehn, sondern durch zwölf zu teilen und damit ihren Profit signifikant zu reduzieren, ist einerseits nachvollziehbar. Aber Surer findet, dass das Nein zu Andretti und auch einem möglichen zwölften Team auf Kosten des Sports geht.

Kein Platz mehr für junge Fahrer

Ein Beispiel: Bei nur 20 Fahrerplätzen fanden die letzten beiden Champions der Formel 2, Felipe Drugovich (2022) und Theo Pourchaire (2023), kein Formel-1-Cockpit. Und auch Fahrer wie Mick Schumacher müssen in Rennserien wie die Langstrecken-WM WEC abwandern. "Das kann nicht sein", findet Surer.

Der 72-jährige Schweizer argumentiert: "Wenn es mehr Teams gibt, gibt es auch mehr Plätze für die Fahrer. Und dann kannst du eben einen Fahrer in ein kleines Team setzen, wie das ja Ferrari vielleicht mit Haas machen wird oder Mercedes mit Williams gemacht hat. Diese Möglichkeit würde dann erweitert werden."

Außerdem schlägt Surer vor, der Übersättigung des TV-Publikums vorzubeugen, indem man die maximale Anzahl der Rennwochenenden im neuen Concorde-Agreement, das 2026 in Kraft treten wird, festschreibt. 2024 gibt es 24 Grands Prix und sechs Sprints, also 30 Formel-1-Rennen. Das sei "definitiv zu viel", meint Surer - und schlägt 22 als Kompromiss vor.

"Früher waren es mal 16 Rennen. Das ist vielleicht ein bisschen zu wenig, weil wir jetzt einfach neue Märkte haben. Aber so um die 20 Rennen rum würde ich als ideal empfinden. Dann freut man sich auch immer aufs nächste Rennen. Dann gibt's alle 14 Tage ein Rennen, und eine Winterpause. Das würde einen idealen Rhythmus machen", argumentiert er.

Das ganze Interview mit Marc Surer über die Krise der Formel 1 und was man dagegen unternehmen könnte (23 Minuten) gibt's jetzt auf dem YouTube-Kanal von Formel1.de (Jetzt kostenlos abonnieren!) zu sehen. Surer kritisiert darin auch das technische Reglement, das seiner Meinung nach viel zu eng gesteckt ist, und lobt die 1990er-Jahre mit ihrem einprägsamen Sound als "geilste Zeit" in der Formel 1.

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