Spekulationen nach Marko-Aussagen: Steht Perez' Rausschmiss schon fest?

Nach Helmut Markos aufsehenerregendem Zeitungsinterview ist Ralf Schumacher sicher, dass Sergio Perez Ende 2023 bei Red Bull rausfliegt

(Motorsport-Total.com) - Sergio Perez hat für 2024 zwar einen Vertrag als Rennfahrer bei Red Bull. Dass der auch wirklich eingehalten wird, ist aber nicht sicher. Zumal Helmut Marko, Red Bulls Motorsportkonsulent, am Ende der Sommerpause mit einem Interview mit der Kleinen Zeitung in Österreich Spekulationen über einen Fahrerwechsel angeheizt hat.

Sergio Perez erhält von Helmut Marko für 2024 partout keine Jobgarantie

"Hundertprozentig sicher ist nichts in der Formel 1. Das gibt es einfach nicht", antwortet Marko auf die Frage, ob Perez' 2024er-Vertrag gleichbedeutend mit einer Cockpitgarantie sei. "Irgendwo gibt es immer leistungsbedingte Situationen, über die es zu sprechen gilt. Wir schauen uns das an und werden in Zandvoort das weitere Vorgehen besprechen. Dann wissen wir mehr."

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Aussagen, die viele überraschen, hatten Marko und auch Teamchef Christian Horner doch zuletzt versichert, dass Perez 2024 bleiben wird und eine mögliche Rückkehr von Daniel Ricciardo von AlphaTauri zu Red Bull Racing frühestens 2025 ein Thema werden könnte.

Einer, der darüber nicht überrascht ist, ist Sky-Experte Ralf Schumacher: "Wir haben das ja schon vorhergesagt: Ein Fahrer, der so weit weg ist vom anderen, der ist einfach auf Dauer nicht tragbar. Zumal, wenn er dann nicht mal das Potenzial des Autos ausnutzt und so viele Fehler macht. Deswegen ist das für mich klar, dass Perez nicht mehr da sein muss."

Man müsse "kein Wissenschaftler sein, um herauszufinden, dass es nicht reicht, wenn man Perez' Leistung sieht", findet Schumacher. Was er damit unter anderem meint: Zwischen Monaco und Ungarn war der Mexikaner in sechs Qualifyings hintereinander nie besser als Neunter. Verstappen fuhr im gleichen Zeitraum fünfmal auf Poleposition und einmal auf Platz 2.

Hat sich Marko insgeheim schon festgelegt?

Schumacher kann sich vorstellen, dass es bei Marko und Horner insgeheim bereits eine Tendenz gibt, Perez nach Ende der Saison 2023 zu kündigen: "Es ist egal, was er jetzt herauszaubert, weil er einfach nicht konstant genug ist. [...] Ich glaube, dass das die letzte Saison für Perez bei Red Bull sein wird."

Denn: "Man darf auch nicht vergessen, dass da teamintern immer noch ein bisschen Unfriede ist. Verstappen hat sich dazu mehr als klar geäußert. Und er ist nun mal derjenige, auf den sich Red Bull konzentriert. Und das auch zurecht."

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Tatsächlich gibt es Indizien dafür, dass Ricciardo eine realistische Chance haben könnte, 2024 Perez' Platz einzunehmen. Verstappen-Ricciardo war zwischen 2016 und 2018 eine sehr erfolgreiche und zudem weitgehend harmonische Fahrerpaarung bei Red Bull. Die beiden respektieren und mögen einander. Das mag kein entscheidendes Kriterium sein, aber es hilft.

In der Sommerpause verbrachte Ricciardo einen Teil seines Urlaubs mit seiner Freundin Heidi, der Tochter von Gerhard Berger, beim Stanglwirt in Kitzbühel, belegt durch Fotos auf Social Media. Anschließend traf er sich in Graz zu einem Gespräch mit Marko. Der relativiert gegenüber der Kleinen Zeitung: "Wir haben uns gesehen. Das ist klar, wenn er nach Graz kommt."

Marko, immer schon ein Ricciardo-Fan, beschreibt den 34-jährigen Australier als "sehr positive Persönlichkeit" mit "erfolgreicher Karriere" und "unglaublicher Erfahrung". Gleichzeitig sagt er im Interview mit Sky über Perez: "Die Situation ist, dass er Leistung bringen muss. Er muss sein Qualifying verbessern."

Für den Rest der Saison 2023, so Marko, sei "alles klar". Doch für 2024 will er Perez partout keine Jobgarantie geben: "Was nächstes Jahr ist, das werden wir sehen." Auf die konkrete Frage, ob Ricciardo ein Ersatzkandidat sei, antwortet er: "Wir sind mit seiner Leistung sehr zufrieden. Ich hoffe, er hat sich nicht irgendwie die Hand verletzt."

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Ricciardo-Verletzung: Die Chance für Lawson?

Das war unmittelbar nach dem zweiten Freien Training in Zandvoort. Seither hat sich herausgestellt: Ricciardo hat sich bei seinem Crash in Kurve 3 den Mittelhandknochen gebrochen und fällt für den Rest des Wochenendes aus. Aller Voraussicht nach wird er auch in Monza in einer Woche nicht fahren können. Ein herber Rückschlag.

"Ich denke, wir müssen von Tag zu Tag schauen", sagt Horner über Ricciardos Heilungsprognose. "Er hat ein gutes Ärzteteam, das sich ihm ihn kümmert. Solche Jungs erholen sich unheimlich schnell. Das haben wir bei Lance (Stroll; Anm. d. Red.) am Saisonbeginn gesehen, und der hatte mehrfache Knochenbrüche. Daniel ist ein harter Aussie. Ich bin sicher, er wird so schnell wie möglich zurückkehren wollen."

Das gibt Red Bull die Möglichkeit, inzwischen einen weiteren Kandidaten im Renneinsatz zu erproben, nämlich den 21-jährigen Neuseeländer Liam Lawson. Der fährt derzeit eigentlich Super Formula in Japan, hat dort bereits drei Rennen gewonnen und liegt an zweiter Stelle der Meisterschaft. Sollte er in Zandvoort und womöglich auch Monza überzeugen, wird der Druck auf Perez noch größer.

Für Lawson ein Sprung ins kalte Wasser, "aber dafür ist er hier", sagt Horner und ergänzt: "Er ist der Ersatzfahrer für beide Teams, genau wegen solcher Szenarien. Er ist das Auto noch nie gefahren, hat nur ein Training vor dem Qualifying, auf einer der schwierigsten Strecken. So ist die Formel 1. Du kriegst deine Chance, und dein Glück ist das Pech eines anderen. Aber ich bin sicher, er wird das gut machen."

Trotzdem: Ricciardo, sagt Helmut Marko, sei ein möglicher Kandidat für 2024. Wahrscheinlich der naheliegendste. Aber: "Wir haben auch noch Lawson", betont er. "Man muss immer auch einen Plan B haben. Aber vordergründig geht es darum, mit Perez auch nächstes Jahr zu absolvieren." Nachsatz: "Dafür braucht es die Leistung."

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Wäre Ricciardo wirklich besser als Perez?

Ob Ricciardo im Red Bull wirklich besser performen würde als Perez, stellt Ralf Schumacher indes in Frage: "Das weiß ich nicht. Das glaube ich nicht mal unbedingt", sagt der Sky-Experte. "Tolle Erfahrung, ja. Wir wissen, er kann Autofahren. Aber er muss sich auch wohlfühlen."

Und weiter: "Die Teams werden näher zusammenrücken. Dann muss man zwei Fahrer haben, die zusammenarbeiten und das Team nach vorn bringen. Ich glaube, das ist im Moment mit Perez und Verstappen nicht mehr wirklich gewährleistet. Man weiß: Wenn Max einmal eine Entscheidung getroffen hat, dann ist das glaube ich schwer. Das allein wird schon ein Punkt sein, warum Perez nicht bleiben kann."

Freitag: Ricciardo verpasst GP, Verstappen rastet aus!

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Verstappen hat Hülkenberg im zweiten Training in Zandvoort übel beschimpft. Und Ricciardo muss das Rennen verletzungsbedingt auslassen. Weitere Formel-1-Videos

Kommentare, die von Perez abprallen: "Ich lese nicht, was die Leute über mich oder meine Karriere sagen. Ich habe bewiesen, was ich kann, und das ist erst ein paar Monate her. Es ist leicht für die sogenannten Experten, solche Dinge zu sagen. Ich verstehe das. So läuft das im Sport. Aber als Sportler ist es wichtig für mich, solche Dinge nicht zu beachten."

Perez hat prominente Fürsprecher im Team

Zumal es teamintern durchaus auch Perez-Fürsprecher gibt. Ja, die emotionale Eskalation in der Saison 2022 (angeblich absichtlicher Crash im Monaco-Qualifying, Verstappens Retourkutsche samt Streit in Brasilien) hat Spuren hinterlassen. Red Bull hat aber auch nicht vergessen, wie Perez im legendären WM-Finale 2021 wie ein Löwe für Verstappen gekämpft hat.

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Und: "Wollen wir mal nicht vergessen, dass 'Checo' in Aserbaidschan gewonnen hat, nicht wahr?", erinnert Chefingenieur Paul Monaghan. "Er hat das Auto in Miami auf Pole gestellt, und danach gewann Max die Oberhand. Es wird zwischen den beiden immer ein wenig hin und her gehen. Aber 'Checo' hat sich von schlechten Rennen nie unterkriegen lassen."

"Ja, er denkt nachher drüber nach, ärgert sich, dass es nicht sein bestes Rennen war. Das ist sein gutes Recht. Aber dann kommt er zum nächsten Rennwochenende und hat sein Selbstvertrauen wieder, zwitschert fröhlich vor sich hin und sorgt für gute Stimmung im Team. Er ist ein wunderbares Mitglied dieses Teams, und wir werden ihn mit allem unterstützen, was wir haben."

Zumal aus Sicht der Ingenieure noch etwas für Perez spricht: "Was seine Set-up-Präferenzen betrifft, will er ganz ähnliche Dinge wie Max. Das macht uns das Leben mit diesem Auto leichter. Die Unterschiede sind sehr klein, weniger als mit dem 2021er-Auto. Sie liegen da wirklich sehr eng beisammen", erklärt Monaghan.