• 17. April 2020 · 13:08 Uhr

Warum der Ferrari F92A in der Formel 1 1992 wirklich floppte

Warum Ferrari in der Formel-1-Saison 1992 mit dem Modell F92A überhaupt nicht in Fahrt kam, aber die wahren Ursachen verheimlichte

(Motorsport-Total.com) - "Ferrari hat schon immer in seinem Motoren-Mythos gelebt", sagt Formel-1-Designer Jean-Claude Migeot. Er war zu Beginn der 1990er-Jahre in die Entwicklung eines nur wenig erfolgreichen Grand-Prix-Rennwagens involviert, dessen wahre Schwächen lange Zeit verheimlicht wurden. Die Rede ist vom Ferrari F92A aus der Saison 1992.

Foto zur News: Warum der Ferrari F92A in der Formel 1 1992 wirklich floppte

Jean Alesi im Ferrari F92A: Der Motor war das eigentliche Problem, nicht die Aero Zoom Download

In der Tat ging dieses Formel-1-Jahr als eines der schlechtesten überhaupt in die Historie des italienischen Traditionsteams ein: Jean Alesi und Ivan Capelli (später ersetzt durch Nicola Larini) brachten es gerade mal auf 21 WM-Punkte und nur zwei Podestplätze (mehr dazu in der Formel-1-Datenbank!). Von den hohen Ferrari-Ansprüchen war man also meilenweit entfernt - aber warum eigentlich?

Als Sündenbock wurde schon früh die besondere Aerodynamik des Fahrzeugs ausgemacht. Denn Migeot und seine Mitstreiter hatten den F92A mit einem doppelten Unterboden versehen. Diese Bauweise, so die offizielle Ferrari-Version der Ereignisse, habe das Auto in seiner Leistungsfähigkeit eingeschränkt.

Alesi und Migeot klären auf

Das wollen Alesi und Migeot so aber nicht stehen lassen. In Gesprächen mit 'Motorsport-Total.com' erklären die früheren Ferrari-Mitarbeiter, dass die Probleme des F92A aus der Saison 1992 ganz woanders lagen, nicht am Chassis, sondern vielmehr im V12-Motor der Scuderia.

Alesi meint rückblickend: "In der Verbrennungskammer des Motors traten Öllecks bei den Kolbenringen auf. Dadurch verloren wir 40, 50 PS. In guter, alter Ferrari-Tradition aber durfte man nicht sagen, dass der V12 schuld war. Man schob es also auf das Auto. Und das ist schade, weil das Konzept interessant war."


Fotostrecke: Formel-1-Flopp Ferrari F92A

In der Tat: Ferrari ging mit dem F92A bewusst einen ganz anderen Weg als die Formel-1-Konkurrenz. Designer Migeot bezeichnet das Fahrzeug als "sehr innovativ".

Beim Direktvergleich wird alles klar

Auch er macht den Motor für das schwache Abschneiden verantwortlich: "Wir mussten einen extra Öltank verwenden, nur um das Rennen mit genug Schmiermitteln beenden zu können."

Die wahren Probleme des F92A seien spätestens zur Saisonmitte 1992 klar geworden. Nachdem Ferrari-Kundenteam BMS Scuderia Italia mit dem Vorjahresmotor höhere Topspeeds erreicht hatte, führte Ferrari mit Alesi einen Direktvergleich durch: Der F92A erhielt bei Testfahrten ebenfalls den Vorjahresmotor - und war sofort deutlich schneller.

Die Teamführung war trotzdem nicht überzeugt und verschlimmbesserte den F92A laut Migeot, ohne die eigentlichen Probleme zu lösen. So verbaute Ferrari das Getriebe quer statt längs ein, "was dann aber den Luftstrom [am Heck des Fahrzeugs] ruinierte", sagt Migeot. "Kurzum: Wir wurden immer langsamer."

Warum Ferrari bei seiner Version blieb

Als einer der Aerodynamik-Verantwortlichen habe er die verbalen Prügel dafür bezogen. "Dabei hatte der F92A doch einen sehr langen, flachen Unterboden, der viel Anpressdruck generierte. Wir hätten das Konzept nur noch weiter entwickeln müssen."


Fotostrecke: Alle Formel-1-Autos von Ferrari seit 1950

Das ist aber nicht passiert. Einerseits, weil sich Ferrari den wahren Fehler nicht eingestehen wollte. Oder wie es Migeot ausdrückt: "Den V12 zu kritisieren, das wäre gewesen, wie in der Kirche zu fluchen."

"Es war offensichtlich, dass der Motor der große Hemmschuh des F92A war. Trotzdem schob man die Schuld auf die Aerodynamik."

Das besondere Autodesign

Was genau das Geheimnis dieser speziellen Aerodynamik war? Ferrari installierte einen zweiten Unterboden etwa 15 Zentimeter über der eigentlichen Grundplatte und leitete die Luft während der Fahrt genau dazwischen durch, hin zum Heckdiffusor.

Hinzu kam erstmals bei Ferrari auch eine leicht angehobene Fahrzeugnase, die den Luftstrom unter dem Auto optimierte.

Dass dieser Weg so falsch nicht gewesen sein konnte, ließ sich in den Folgejahren jedoch nicht verifizieren: Für 1993 verbot der Automobil-Weltverband den doppelten Unterboden. Später feierte das Design ein Comeback: Toro Rosso setzte 2011 beim STR6 ein ähnliches Konzept ein - übrigens ebenfalls mit Ferrari-Motor und ebenfalls ohne großen Erfolg.

Fotos & Fotostrecken
Foto zur News: Formel-1-Fahrer mit mindestens sechs Polepositions in Serie
Formel-1-Fahrer mit mindestens sechs Polepositions in Serie
Foto zur News: Nico Hülkenberg: Meilensteine der Karriere
Nico Hülkenberg: Meilensteine der Karriere

Foto zur News: Alle Formel-1-Autos von Nico Hülkenberg
Alle Formel-1-Autos von Nico Hülkenberg

Foto zur News: Formel-1-Mittelfeld-WM: So spannend wäre es  2024 ohne die fünf Topteams ...
Formel-1-Mittelfeld-WM: So spannend wäre es 2024 ohne die fünf Topteams ...

Foto zur News: Schanghai: Die Fahrernoten von Marc Surer und der Redaktion
Schanghai: Die Fahrernoten von Marc Surer und der Redaktion
Folge Formel1.de
Videos
Foto zur News: Nico Hülkenberg und Audi: "Eine einmalige Chance!"
Nico Hülkenberg und Audi: "Eine einmalige Chance!"
Foto zur News: Newey weg! Zerfällt nun Red Bull?
Newey weg! Zerfällt nun Red Bull?

Foto zur News: Stroll & Seargant fahren F1, Mick nicht: Ist das unfair, Ralf Schumacher?
Stroll & Seargant fahren F1, Mick nicht: Ist das unfair, Ralf Schumacher?

Foto zur News: Charlie Wurz: Der nächste Österreicher in der Formel 1?
Charlie Wurz: Der nächste Österreicher in der Formel 1?
Top-Motorsport-News
Foto zur News: WRC Rallye Kroatien 2024: Reifenpoker - Neuville führt knapp vor Evans
WRC - WRC Rallye Kroatien 2024: Reifenpoker - Neuville führt knapp vor Evans

Foto zur News: Remy Gardner beste Yamaha: Warum das erste WSBK-Podium so spät kam
WSBK - Remy Gardner beste Yamaha: Warum das erste WSBK-Podium so spät kam

Foto zur News: Türkischer Sim-Racer Cem Bölükbasi bekommt Chance in der Formel 2
F2 - Türkischer Sim-Racer Cem Bölükbasi bekommt Chance in der Formel 2

Foto zur News: mcchip-dkr kriegt kein GT3-Auto: "Fühle mich verarscht"
NR24 - mcchip-dkr kriegt kein GT3-Auto: "Fühle mich verarscht"
Formel1.de auf Facebook

Werde jetzt Teil der großen Community von Formel1.de auf Facebook, diskutiere mit tausenden Fans über die Formel 1 und bleibe auf dem Laufenden!

Anzeige motor1.com