Warum Ferrari nicht gegen Mercedes' DAS-System vorgehen will
Man nimmt es hin, aber der Konkurrenz nicht krumm: Ferrari-Teamchef Mattia Binotto erklärt, weshalb er keinen Protest gegen Mercedes' DAS plant
(Motorsport-Total.com) - "Ich persönlich habe mir noch nicht im Detail angesehen, um was es dabei geht", sagt Mattia Binotto. Der Ferrari-Teamchef weiß aber natürlich längst vom großen Thema im Fahrerlager der Formel 1: Die Rede ist von der neuen zweiaxialen Lenkung bei Mercedes, zu Englisch "Dual Axis Steering" und abgekürzt schlicht DAS. Und Ferrari lässt Mercedes damit einfach gewähren.
Er habe derzeit nicht vor, gegen die neuartige Lenkung zu protestieren, versichert Binotto. Denn der Weltverband (FIA) habe der Vorrichtung den Segen gegeben. Das reiche Ferrari erst einmal aus.
"Wir haben volles Vertrauen in die FIA", sagt Binotto. "Ich bin mir ziemlich sicher, dass sie bereits die richtige Entscheidung getroffen haben oder dass sie das noch tun werden. Ich vertraue ihrem Urteil vollkommen." Er selbst habe daher keinen Grund, die Legalität des Mercedes-Systems anzuzweifeln.
Ferrari will Klarheit von der FIA
Allerdings hat Binotto durchaus Gesprächsbedarf beim Weltverband angemeldet: "Wir werden eine Klarstellung einholen." Für Ferrari sei es "natürlich wichtig", DAS zu verstehen, um gegebenenfalls weitere Schritte einzuleiten.
Weitere Schritte - das könnte vor allem eine Eigenentwicklung sein, wie Binotto erklärt. Er könne derzeit aber nicht abschätzen, "ob das sinnvoll wäre oder nicht", weil ihm schlicht zu wenige Informationen über DAS vorlägen.
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Bevor sich Ferrari also auf eine kostspielige und zeitfressende Neuentwicklung einlasse, müsse erst einmal deren Potenzial abgeklopft werden. "Wir reden hier ja von einem komplett neuen Design, das erst einmal konzeptioniert werden müsste, dann designt, produziert und schließlich homologiert. Es muss auch sicher sein", sagt Binotto.
Wann Ferrari selbst DAS haben könnte
Der langjährige Ferrari-Technikchef macht eine einfache Rechnung auf: "Wenn wir all das anstreben würden, dann könnten wir es bis Saisonmitte fertighaben, aber nicht früher. Erst einmal müssen wir aber verstehen, wie es funktioniert, und welche möglichen Leistungsvorteile es bietet. Derzeit wissen wir all das nicht."
"Wir werden uns zweifelsohne damit beschäftigen und uns mit der Frage auseinandersetzen, ob wir es sinnvollerweise entwickeln sollten oder nicht", so Binotto.
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Wenn sich Ferrari darauf einlasse, dann aus gutem Grund. Denn schon jetzt steht fest: 2021 wird Mercedes' DAS-System nicht mehr erlaubt sein. Eine Eigenentwicklung könnte Ferrari - nach Binottos Rechnung - also gerade mal für eine halbe Saison lang nutzen.
Was DAS überhaupt bringen könnte
Aber was bringt DAS überhaupt? Diese Frage vermag Binotto noch nicht zu beantworten. Er spricht nur generell über den neuen W11-Silberpfeil und meint: "Mercedes hat sicherlich ein gutes Auto. Sie haben schon gezeigt, dass es schnell ist."
Überhaupt gäbe es trotz der konstanten Regeln einige Neuerungen zu beobachten. "Die Fahrzeuge sind gespickt mit Innovationen", sagt Binotto. "Ein paar Lösungen, die wir jetzt am Mercedes sehen, wurden vom Ferrari übernommen - und umgekehrt."
DAS stehe deswegen so im Rampenlicht, weil es eben "sichtbar" sei, wie Binotto weiter erklärt. In der Tat: Die Mercedes-Fahrer müssen das Lenkrad nach hinten ziehen und nach vorne drücken, um DAS zu aktivieren und zu deaktivieren. Das ist vor allem auf den Onboard-Aufnahmen gut zu erkennen.
"Wird es die Formel 1 auf den Kopf stellen? Ich glaube nicht", sagt Binotto abschließend. "Es ist einfach ein Teil des Gesamtpakets und ich halte Mercedes' Paket für gut."