• 03. Januar 2019 · 08:02 Uhr

Michael Schumachers Erfolgsgeheimnis: "Garstig nur hinter den Kulissen"

Loyalität und Arbeitsmoral als andere Nintendo spielten machen Schumacher laut Ross Brawn zur Formel-1-Legende - An schmutzigen Manövern sei er mitschuldig

(Motorsport-Total.com) - Während seiner aktiven Formel-1-Laufbahn machte sich Michael Schumacher nicht nur Freunde. Als er in seiner ersten Karriere bei Benetton und Ferrari die größte Erfolge feierte, polarisierte der spätere Rekord-Weltmeister im und außerhalb des Fahrerlagers - wegen seines (zu) selbstsicheren Auftretens und seines Hangs zu grenzwertigen Manövern. Teamintern hätte die Sache anders ausgesehen, erzählt sein damaliger Technikchef Ross Brawn dem Formel-1-Podcast 'Beyond the Grid'.

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Schon bei Benetton ein Vorbild in Sachen Arbeitsmoral: der junge Schumacher Zoom Download

Vielmehr eilte Schumacher ein Ruf als integerer Profi voraus. "Ich könnte mich nicht erinnern, dass er sich jemals außerhalb des Teams über etwas beschwert hätte. Er war keiner, der zu den Journalisten gerannt ist, wenn ihn etwas gestört hat", sagt Brawn. Schon als er im Alter von 23 Jahren zu Benetton kam, verstand Schumacher, dass er es sich nicht mit seinen Verbündeten verscherzen durfte.

"Leute, die mit ihm zusammengearbeitet haben, haben nie schlecht über ihn geredet", meint Brawn und denkt an Jock Clear. Als Williams-Techniker und Intimus von Jacques Villeneuve lange natürlicher Feind Schumachers, waren sie 2011 bei Mercedes plötzlich gezwungen, an einem Strang zu ziehen. Aus "etwas wie einer Hassliebe" hätte sich eine enge Freundschaft entwickelt, sagt Brawn.

Der Grund für die Loyalität des Teampersonals zu Schumacher war nicht nur, dass sich der Starfahrer ernsthaft für das Privatleben der Mechaniker interessierte und sich häufig nach dem Wohl der Familie erkundigte. Er war ein Arbeitstier und ging in Sachen Hartnäckigkeit, Moral und Fleiß mit gutem Beispiel voran. "Viele andere Piloten haben es nicht hinbekommen", erinnert sich Brawn.


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Er denkt an Schumachers Benetton-Teamkollegen Johnny Herbert, der nach Niederlagen Abstand zu seinem Job suchte. "Er hat einfach mit seinem Nintendo gespielt", so Brawn. "Als ich das gesehen habe, war ich schockiert. Ich hätte gedacht, er würde eingehend mit den Ingenieuren diskutieren." Als der als Lebemann und faul verschrieene Eddie Irvine bei Ferrari erkannte, warum Schumacher so erfolgreich war, hätte er sich etwas abgeschaut und sei viel professioneller geworden.

Trotzdem wäre ein WM-Titel durch den Nordiren bei der Scuderia "unterschiedlich" aufgenommen worden, meint Brawn mit Blick auf die Saison 1999 als sich Schumacher bei seinem Unfall in Silverstone die Beine brach, lange aussetzen musste und Irvine die Chance zum Abstauber hatte: "Wir hätten den Titel gerne mitgenommen, aber Michael war derjenige, der ihn verdient gehabt hätte."

Besonders deutlich wurde Schumachers unbändiger Wille - manche mögen ihn Verbissenheit nennen - während der Saisons 2005 und 2006. Als Ferrari aufgrund von Regeländerungen hinter Fernando Alonso und Renault zurückgefallen war, ließ der Deutsche nicht locker. Schon am Montagmorgen nach den Rennen telefonierte er stundenlang mit Brawn, um auszuloten, welche Auswege aus dem Dilemma es gibt - manchmal erst nach einer Phase, in der er sich erst abkühlen musste.

"Hinter verschlossenen Türen konnte er garstig werden", weiß Ross Brawn, erkennt im Streben nach Perfektion aber Schumachers große Qualität und sein Formel-1-Vermächtnis: "Michael hat neue Standards gesetzt. Ich mag meine Spuren hinterlassen haben, aber Michael noch etwas mehr."

Das gilt auch für die Fitness: Es kam vor, dass Schumacher seinem Team in der Schlussphase eines Rennens über Funk erklärte, er hätte die schnellste Runde gefahren. Er hätte es in einer bestimmten Kurve auf einer TV-Leinwand gesehen - auch wenn er sich gelegentlich mit Bruder Ralf verwechselte. "Er hatte immer geistige Kapazität in der Hinterhand", so Brawn. "Die meisten anderen mussten alles investieren, um ihren Job erledigen zu können." Er hätte Schumacher nie müde erlebt.

Doch es gab Schattenseiten. Brawn sagt über Schumachers Rammstoß gegen Villeneuve im Saisonfinale 1997 in Jerez, dass er Ausdruck innerer Anspannung (und des Frusts im Fall eines Misserfolges) gewesen wäre, die seinen Schützling getrieben hätte. "Als er zurück an die Box gekommen ist, war er überzeugt, dass Villeneuve der Böse wäre. Er hat rumgeschrien, dass er disqualifiziert werden müsste, weil er ihm reingefahren wäre." Für Brawn allerdings eine verständliche Reaktion.

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Schumachers Verhältnis zu Mika Häkkinen war geprägt von jeder Menge Respekt Zoom Download

"Ich kann ihn dafür nicht kritisieren", meint er und erwähnt, dass Villeneuves Teamkollege Heinz-Harald Frentzen Schumacher zuvor taktisch aufgehalten und ihm eine dicke Krawatte beschert hätte. Es schimmert Kritik an sich selbst und Ferrari durch: "Wir haben das Spielchen doch erfunden."

Nicht die einzige schräge Wahrnehmung und nicht die einzige Szene, für die Brawn sich selbst in die Pflicht nimmt. Auch das Parkmanöver im Monaco-Qualifying 2006 ist eine solche Situation: "Ich hätte ihm da klarmachen sollen, dass wir die Pole-Position nicht so dringend brauchten."

Im Kreise der Formel-1-Fahrer war Schumachers ambivalenter Charakter offenbar kein so großes Problem wie es in der Öffentlichkeit den Anschein hatte - zumindest für einige Rivalen wie etwa Mika Häkkinen. "Wenn er Michael etwas zu sagen hatte, tat er es in einem Vier-Augen-Gespräch", sagt Brawn. Diese Diskretion schätzte Schumacher am Finnen. Sätze wie "Er ist ein Vollidiot, weil er die Kurve zweimal nicht richtig genommen hat" seien in Boxen an der Tagesordnung. "Die Fahrer haben Meinungen übereinander und Auffassungen, wer gut ist und wen sie respektieren."

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