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Wie wäre die Formel-1-WM 2018 ohne die Fehler von Sebastian Vettel und Ferrari gelaufen? Wir haben Rennen für Rennen nachgerechnet. Und sind zu einem erstaunlichen Ergebnis gekommen ...
Australien: Perfekter Saisonauftakt für Vettel, der von einem Taktikfehler der Mercedes-Mannschaft profitiert, Hamilton hinter sich hält und erstaunlich souverän gewinnt. Realer Punktestand: 25:18 für Vettel gegen Hamilton. Fehlerbereinigt: 25:18.
Bahrain: Wieder lässt Vettel nichts anbrennen, diesmal auch mit dem klar schnellsten Auto. Dass Ferrari bei Räikkönens Boxenstopp patzt, sich ein Mechaniker verletzt und der Finne aufgeben muss, verhilft Hamilton zu Platz drei. Realer Punktestand: 50:33. Fehlerbereinigt: 50:31.
China: Ferrari fällt auf einen Mercedes-Undercut mit Bottas herein, was Vettel die Führung kostet und ein Katastrophenrennen auslöst, das mit einem Abschuss durch Verstappen endet. Selbst wenn es gegen die clevere Red-Bull-Taktik nicht gereicht hätte, wäre Platz drei drin gewesen. Realer Punktestand: 54:45. Fehlerbereinigt: 65:41.
Aserbaidschan: Vettel greift nach einer Safety-Car-Phase kurz vor Ende nach dem führenden Bottas, verschätzt sich aber und fällt mit durchgebremstem Vorderrad auf Platz vier. Dass der Finne mit Reifenschaden ausfallen würde und er am Sieg schnuppert, erfährt er erst später. Realer Punktestand: 66:70. Fehlerbereinigt: 90:59.
Spanien: Mercedes dominiert das Wochenende, Vettel holt mit Platz drei das Maximum heraus. Realer Punktestand: 78:95. Fehlerbereinigt: 105:84.
Monaco: Daniel Ricciardo ist trotz defektem Antriebsstrang nicht zu schlagen, ein tadelloser Vettel wird Zweiter. Realer Punktestand: 96:110. Fehlerbereinigt: 123:99.
Kanada: Mutmaßlich Ferraris stärkstes Saisonrennen und ein souveräner Sieg von Vettel. Realer Punktestand: 121:120. Fehlerbereinigt: 148:109.
Frankreich: Die erste von vier Kollisionen hat Vettel, als er nach dem Start übermotiviert in Bottas rauscht und sich den Frontflügel demoliert. Dazu hagelt es eine Fünf-Sekunden-Strafe und er wird nur Fünfter. Mercedes ist für Ferrari zu schnell, aber Platz drei war allemal möglich. Realer Punktestand: 131:145. Fehlerbereinigt: 163:124.
Österreich: Vettel wird drei Plätze zurückversetzt, weil er Sainz im Qualifying behindert hat, profitiert im Rennen aber von einem Mercedes-Taktikfehler und einem Ausfall Hamiltons. Verstappen, vor dem Vettel ohne die Strafe gestartet wäre, gewinnt. Der Sieg wäre drin gewesen. Realer Punktestand: 146:145. Fehlerbereinigt: 188:124.
Großbritannien: Räikkönen räumt Hamilton ab und macht Vettel das Gewinnen einfacher. Letztlich ist es aber ein brillantes Manöver gegen Bottas, das dem Deutschen nach einer Gala den Sieg sichert. Realer Punktestand: 171:163. Fehlerbereinigt: 213:144.
Deutschland: Vettels offensichtlichster Fehler 2018, als er bei einsetzendem Regen in der Sachs-Kurve sein Auto in Führung liegend ins Kiesbett feuert und wie verrückt auf sein Lenkrad trommelt. Es profitiert Hamilton, der den Siege erbt. Realer Punktestand: 171:181. Fehlerbereinigt: 238:162.
Ungarn: Im Qualifying verhindert starker Regen eine mögliche Ferrari-Pole, im Rennen ist Hamilton zu clever. Ein verpatzter Boxenstopp bedeutet für Vettel , dass er lange hinter Bottas hängt und an der Spitze nicht mehr angreifen kann. Er wird nur Zweiter. Realer Punktestand: 189:213. Fehlerbereinigt: 263:181.
Belgien: Ein tolles Überholmanöver auf der Kemmel-Geraden gegen Hamilton bringt Vettel in Führung, eine tadellose Leistung schließlich auf das Siegerpodest. Realer Punktestand: 214:231. Fehlerbereinigt: 283:207.
Italien: Beim Ferrari-Heimspiel in Monza ist Vettel wieder übermotiviert und kollidiert kurz nach dem Start mit Hamilton. Er dreht sich und fällt zurück, holt aber noch Platz vier. Da Ferrari im Qualifying schneller gewesen ist: verschenkter Sieg, der an Hamilton geht. Realer Punktestand: 226:256. Fehlerbereinigt: 308:225.
Singapur: Ein Mauerkuss im Training beschert Vettel einen verkorksten Start in das Wochenende, gegen Hamilton wäre aber auch mit besserem Set-up kein Kraut gewachsen. Dass Verstappen vor ihm landet und er nur Dritter wird, ist aber einem Taktikfehler geschuldet. Realer Punktestand: 241:281. Fehlerbereinigt: 326:250.
Russland: Mercedes wieder viel zu schnell und Vettel schuldlos daran, dass Teamorder-Sieger Hamilton ihn im Rennen - trotz grenzwertigem Verteidigungsmanöver - nach einem Taktikfehler wieder überholt. Platz drei ist das Maximum. Realer Punktestand: 256:306. Fehlerbereinigt: 344:275.
Japan: Im Qualifying schickt Ferrari Vettel in Q3 mit Intermediates auf die Bahn, obwohl es dafür viel zu trocken ist. Unter dem gestiegenen Druck begeht er einen Fahrfehler in der Spoon-Kurve und landet nur auf Platz neun ...
... im Rennen fegt er nach vorne, attackiert jedoch Verstappen viel zu wild. Vettel dreht sich erneut und fällt an das Ende des Feldes zurück. Mit havariertem Auto rettet er Rang sechs, hätte aber locker als Dritter hinter den Mercedes ins Ziel kommen können. Realer Punktestand: 264:331. Fehlerbereinigt: 359:300.
USA: Im Training fährt Vettel bei roter Flagge zu schnell und wird um drei Plätze zurückversetzt. Im Rennen greift er auf dem Weg nach vorne Ricciardo an, kollidiert und kreiselt abermals. Der sichere Sieg im schnellsten Auto ist verbockt, Platz vier kein Trost. Realer Punktestand: 276:346. Fehlerbereinigt: 384:312.
Mexiko: Prima Rennen von Vettel und Platz zwei hinter dem unantastbaren Verstappen. Aber der WM-Titel ist in der realen WM-Wertung futsch. Fehlerbereinigt hätte der Heppenheimer ihn in Mexiko aber gewonnen. Realer Punktestand: 294:358. Fehlerbereinigt: 402:324.
Brasilien: Ein Sensorproblem bremst Vettel im Rennen ein, weshalb er von Startplatz zwei auf den sechsten Rang zurückfällt, während Hamilton mit Glück gewinnt - kein Vorwurf. Realer Punktestand: 302:383. Fehlerbereinigt: 410:349.
(Motorsport-Total.com) - "Zieldurchfahrt beim Mexiko-Grand-Prix 2018: Sebastian Vettel wird Zweiter, sichert sich aber vorzeitig den fünften WM-Titel seiner Formel-1-Karriere. Letztlich entscheidet der Ferrari-Fahrer das monatelange Duell mit seinem Mercedes-Rivalen Lewis Hamilton dank 78 Punkten Vorsprung nach 19 Rennen komfortabel für sich." Die Sätze sind reine Fiktion und natürlich nie berichtet worden. Es hätte aber so kommen können, hätten Vettel und die Scuderia ein fehlerfreies Jahr hingelegt.
Wir haben Rennen für Rennen nachgerechnet, wie viele Punkte dem Deutschen durch Fahrfehler, Regelverstöße und taktische Pannen seiner Ingenieure durch die Lappen gegangen sind - und wie viele Zähler Hamilton so nicht geerbt hätte (im Detail in unserer Fotostrecke nachzulesen!). Das Ergebnis ist erstaunlich. Vettel hätte die WM-Führung nach seinem Auftaktsieg in Australien nicht abgegeben und hätte sich in Mexiko - wie beschrieben - bei einem Stand von 402:324 gekrönt.
Einige Punkte gingen für Vettel durch Fahrfehler ohne Fremdeinwirkung flöten, zum Beispiel beim gescheiterten Angriff auf Valtteri Bottas in Aserbaidschan, bei seinem Crash auf feuchter Fahrbahn beim Deutschland-Grand-Prix oder bei seinem Mauerkuss im Freien Training von Singapur, der wertvolle Zeit für die Set-up-Arbeit kostete. Gleich viermal verbockten Vettel Kollisionen und anschließende Dreher die Sonntage - und allesamt gingen sie mindestens teilweise auf seine Kappe.
Er crashte mit Valtteri Bottas in Frankreich, mit Lewis Hamilton in Italien, mit Max Verstappen in Japan und mit Daniel Ricciardo in den USA. Mit der FIA hatte Vettel auch seine liebe Mühe, als er in Österreich wegen Behinderns und ebenfalls in den USA wegen zu schnellen Fahrens unter roter Flagge zurückversetzt wurde. Unaufmerksamkeiten, die heftige Konsequenzen nach sich zogen.
Und dann gab es noch Ferrari-Pannen: missratene Strategie-Entscheidungen in China und Singapur, eine nicht nachzuvollziehende Reifenwahl im Japan-Qualifying und ein verpatzter Boxenstopp bei Teamkollege Kimi Räikkönen in Bahrain, von dem Hamilton profitierte. Eine lange Liste von Pleiten und Pannen, denen brillante Auftritte in Kanada, Großbritannien und Belgien gegenüberstehen.
Kein Wunder also, dass Ex-Pilot Martin Brundle sagt, dass 2017 Ferrari die WM verloren hätte, 2018 aber Vettel höchstpersönlich. Jackie Stewart geht im Gespräch mit der 'Bild'-Zeitung einen Schritt weiter und erklärt, dass der viermalige Champion im Alter von 30 Jahren "seinen Zenit überschritten" hätte. "Er hat nich mehr diesen hundertprozentig klaren Kopf wie früher", so Stewart.
Für Vettel war Singapur der Wendepunkt der Saison. "Fortan war das Auto nicht schnell genug, um mit Mercedes mitzuhalten", betont er die technische Weiterentwicklung der Silberpfeile, fasst sich aber auch an die eigene Nase: "Andere Vorfälle sind hinzugekommen. Fehler, die wir begangen haben. Fehler, die ich begangen habe." Allerdings wäre ohne die Schnitzer zuvor der Vorsprung so groß gewesen, dass Ferrari die WM nur noch hätte nach Hause tragen müssen - hinter Mercedes.
Hinzu kommt, dass sich die Scuderia und Vettel riskante Manöver hätten sparen können, die auch wieder Punkte kosteten. "Wer Druck macht, macht mal zu viel Druck", weiß Vettel. Er hadert auch mit dem psychologisch ungünstigen Zeitpunkt, an dem Mercedes Auftrieb bekam - nämlich in Ungarn, als Hamilton einen designierten Ferrari-Erfolg stibitzte. "Es wäre toll gewesen, mit einem Sieg in die Sommerpause zu gehen, zumal wir da nicht das schnellste Auto hatten", hadert Vettel.
Immer wieder nivelliert Vettel rückblickend sein Hockenheim-Malheur. "Ich habe mir in diesem Jahr gröbere Schnitzer geleistet, auch wenn es der folgenschwerste war", meint er. Und auch an Ferraris taktische Fehlschläge wagt er sich nicht heran. Eher hätten die Italiener es versäumt, das Auto im Saisonverlauf so auf Vordermann zu bringen, dass es mit Mercedes' Entwicklungstempo mithält.