• 05. April 2017 · 10:25 Uhr

"Eigenartiges Prozedere": Red Bull kritisiert FIA-Beweisumkehr

Helmut Marko wundert sich darüber, dass erstmals ein Team beweisen muss, dass ein verwendetes System legal ist: "Ein eigenartiges Prozedere"

(Motorsport-Total.com) - Jeder ist solange als unschuldig anzusehen, bis seine Schuld nachgewiesen ist: So lautet einer der wichtigsten juristischen Grundsätze. In der Formel 1 gelten seit 2017 aber offenbar eigene Gesetze. Denn im Streit um die innovativen Radaufhängungs-Systeme von Mercedes und Red Bull mussten nicht die FIA-Inspektoren den Beweis dafür finden, dass die Systeme illegal sind, sondern die unter Verdacht stehenden Teams mussten der FIA beweisen, dass sie nicht gegen das Reglement verstoßen. Und prompt hatte beim Saisonauftakt in Australien weder Mercedes noch Red Bull die sogenannte "Wunder-Radaufhängung" an Bord.

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Die Radaufhängung des Red Bull RB13 sorgte zuletzt für Diskussionen Zoom Download

Bei Red Bull ist man über die sogenannte Beweislastumkehr der FIA verwundert: "Ein eigenartiges Prozedere", kritisiert Motorsportkonsulent Helmut Marko im Interview mit 'Motorsport-Total.com'. "Normalerweise bist du im Zweifelsfall unschuldig. Hier ist es genau umgekehrt. Wenn es Zweifel gibt an der Legalität, bist du schuldig. In der Rechtsprechung habe ich so etwas noch nie erlebt. Die FIA wusste sich nicht mehr anders zu helfen. Der Druck von Ferrari war sehr groß."

Denn inzwischen weiß man: Ferrari hat die FIA solange mit Anfragen zu dem Thema bombardiert, bis der Verband sich gezwungen sah, mit der Beweislastumkehr auf Mercedes und Red Bull zuzugehen. Hinter den Ferrari-Anfragen steckte System: Mit jeder beantworteten Anfrage, selbst wenn sie verneint wurde, konnte zumindest ein Verdacht, wie die Radaufhängung funktionieren könnte, ausgeschlossen werden. So wollte man sich dem Geheimnis der Konkurrenz systematisch annähern.

Wie funktioniert die "Wunder-Radaufhängung"?

Ganz genau weiß nämlich bis heute kaum jemand, wie das System eigentlich funktioniert. Bekannt ist lediglich, dass es sich um eine (im Prinzip legale) Fortsetzung des (inzwischen verbotenen) FRIC-Konzepts handelt. Während bei FRIC das Fahrwerk vorne und hinten sowie diagonal vernetzt war, ist 2017 nur noch eine Vernetzung des linken mit dem rechten Vorderrad sowie des linken mit dem rechten Hinterrad erlaubt.

Die gemessene Kraft, mit der die Radaufhängung einfedert, wird an einen Computer gesendet. Der wiederum kann aus diesen Daten schließen, wo sich das Auto gerade befindet, also auf einer langen Gerade oder mitten in einer Kurve - und die Radaufhängung entsprechend härter oder weicher einstellen. Angeblich kann sogar die Bodenfreiheit dynamisch reguliert werden, was höhere Topspeeds ermöglicht. Im Grunde genommen verfolgt das das Prinzip einer aktiven Radaufhängung.

System wiegt mehr als normale Radaufhängung

An der Hinterachse ist ein Verbau eines solchen Systems kein Hexenwerk, dementsprechend sind bereits mehrere Teams damit ausgestattet. Vorne, wo weniger Platz ist, ist die Sache etwas komplizierter. Auch wegen des Einsatzes einer zusätzlichen Hydraulikfeder, die irgendwo untergebracht werden muss. In Summe ist so eine "Wunder-Radaufhängung" um rund eineinhalb Kilogramm schwerer als ein konventionelles System, heißt es.


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Sowohl Mercedes als auch Red Bull verwenden das System schon seit 2016; in Melbourne wurde es von keinem der beiden Teams eingesetzt. Aber: "Das war nicht der Grund, warum wir so langsam waren", stellt Marko klar. "Die Aufhängung wurde bei uns im Vorjahr vielleicht nur in 50 Prozent der Rennen genutzt."

"Weil sie so kompliziert abzustimmen ist, dass wir damit zu keinem Ergebnis kamen. In einer Kurve hat's funktioniert, in der nächsten nicht - aber sie hat nie kontinuierlich funktioniert", so der Österreicher. Ein Thema, das Mercedes aufgrund eines Erfahrungsvorsprungs auf diesem Gebiet schon besser im Griff hat. Daher tut Mercedes der Verzicht mutmaßlich mehr weh als Red Bull.

Red Bull gibt zu: Aufhängung hätte wenig geändert

Bei Red Bull macht "der Zeitgewinn dieser Aufhängung bei weitem nicht die halbe Sekunde wett, die uns auf Chassis-Seite in Melbourne gefehlt hat", gibt Marko zu. Weil das System zu schwer ist und der RB13 in Melbourne ohnehin noch übergewichtig war? "Mit den fünf Kilo von der MGU-K ist das Gewicht ein Thema. Aber bis China ist das neutralisiert", winkt der 73-Jährige ab. Es sind andere Gründe, die gegen einen Einsatz sprechen.

Zum Beispiel die Angst vor einem Protest: "Wir hatten genug andere Probleme, um das auch noch aufzureißen. Von Ferrari-Seite wäre sicher ein Protest gekommen. Wir glauben, dass wir dem standgehalten hätten. Aber nachdem Mercedes sie nicht verwendet hat, haben wir das auch nicht getan. Und für das erste Rennen wäre es von der Öffentlichkeitswirkung her sicher sehr schlecht gewesen", sagt Marko.

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