• 03. Februar 2017 · 11:40 Uhr

Ross Brawn: Habe selbst zum Mercedes-Abschied beigetragen

Der ehemalige Mercedes-Boss Ross Brawn relativiert die Kontroverse, die er mit seinem Buch selbst ausgelöst hat und beschreibt seine Autorenarbeit als Therapie

(Motorsport-Total.com) - Es heißt, Ross Brawn habe sich Ende 2013 nach seiner langen, erfolgreichen aber auch aufreibenden Karriere zurückgezogen, um dem ruhigen Hobby des Angelns nachzugehen. Dass er sich mit einem Paukenschlag von der Rute zurückmeldet, kam daher unerwartet. Noch bevor ihn Liberty Media als neuer Eigentümer der Formel 1 zum Sportchef der Königsklasse machte, gehörten ihm im Oktober vergangenen Jahres die Schlagzeilen. Seine Abrechnung mit dem Mercedes-Team ist mittlerweile beschwichtigt. Und der Brite erklärt nun, warum er sich selbst damals ins Aus katapultiert und mit seinem Buch dann therapiert hat.

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Ross Brawn hat seine Lehren aus Erfolg und Niederlage gezogen Zoom Download

"Das Buch zu schreiben hat mir geholfen zu verstehen, warum es so geendet ist", sagt er im Interview mit Sky Sports F1. "Ich gebe mir selbst für vieles, was passiert ist, die Schuld. Ich habe ein wenig den Enthusiasmus verloren, meine Schärfe, weil ich schon so lange in dem Geschäft dabei war. Ich gebe also niemandem anderen die Schuld dafür. Dennoch: Was passiert ist, war schon ein wenig enttäuschend für mich - in erster Linie die Tatsache, wie ich selbst damit umgegangen bin."

Die Vorgeschichte geht heruntergebrochen so: Nachdem Brawn bei Benetton Wunder bewirkt hatte, bei Ferrari zum technischen Messias wurde, sich eine erste Auszeit nahm um dann bei Honda erst Teamchef und dann titelgewinnender Teambesitzer wurde, mündete seine Karriere in der Rolle als Anführer des neuen, alten Werksteams Mercedes. Dort ging es nicht gleich von Beginn an bergauf und für Brawn nach drei Jahren ganz bergab. Als dann die erste Vorveröffentlichung seines Buchs "Total Competition" herauskam, schienen die Umstände seines damaligen Abschieds erstmals klarer.

Ihm seien "Leute aufgezwungen wurden, denen ich nicht vertrauen konnte", er habe es mit Kollegen zu tun gehabt, "die mich wegen ihrer Einstellung bereits enttäuscht hatten" und er habe keine Alternative zu seinem Abtritt gesehen "es sei denn, ich hätte Krieg gegen sie geführt und sie so entfernt". Die Vorwürfe gingen direkt in Richtung Niki Lauda und Toto Wolff. Nun aber relativiert er die Schuldzuweisung.


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"Es war eine Kombination von vielem", so der Brite. "Die Dinge hatten sich ja schon länger in diese Richtung entwickelt. Ich habe wahrscheinlich nicht genügend Zeit dafür investiert, um mit der Mercedes-Führungsebene zu arbeiten und ihnen die Dinge zu erklären. Norbert Haug war damals der Mercedes-Motorsportchef und ich habe eng mit ihm zusammengearbeitet. Im Rückblick hätte ich auch mit anderen Mercedes-Entscheidungsträgern mehr Zeit verbringen müssen. Ich gebe Norbert dafür überhaupt keine Schuld, er war unglaublich enthusiastisch und arbeitete mit großem Einsatz für unser Programm."

"Es waren einfach die Umstände", erklärt er weiter. "Wir hatten 2009 so ein fantastisches Jahr. Was danach kam, war dann nicht mehr so toll. Wir hatten am Ende von 2009 einfach kein Geld mehr und 2010 war dann nicht mehr so großartig. Wir hatten dann Pläne für 2011, aber auch die haben nicht so funktioniert - bis es uns schließlich gelang, die Mercedes-Führungsetage für 2012 zu einem stärkeren Bekenntnis zu überzeugen. Von da an begann es, in die richtige Richtung zu laufen. Aber da hatten sie wohl schon ein wenig den Glauben in mich verloren."

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"Ich musste in meiner Karriere viele schwierige Entscheidungen treffen", beschreibt er seine Enttäuschung. "Und ich habe sie immer geradewegs angegangen. Ich wollte nie jemanden unter Vertrag nehmen und derjenige, der ersetzt wird, erfährt es dann auf die falsche Art und Weise. In der Realität kommt es manchmal vor, dass ein Team nicht funktioniert. Dann setzt du dich hin, analysierst und findest die passenden Lösungen, die es jetzt braucht. Wenn Mercedes diese Entscheidung so getroffen hätte und den Weg so gehen wollte, dann wäre ich reif genug gewesen, das zu verstehen."


Fotostrecke: Die Geschichte des Mercedes-Teams

Mittlerweile scheinen alle Animositäten ausgeräumt. Um Brawn ist es nicht ruhiger geworden, aber die Zeiten, in denen über seine Zukunft spekuliert wurde, sind vorbei. Er tritt seinen alten Mitstreitern jetzt in neuer Rolle gegenüber - und mit erleichtertem Gewissen.

"Das Buch zu schreiben hat mir sehr gut getan", so Brawn. "Adam Parr (Co-Autor, ehemaliger Williams-Geschäftsführer; Anm. d. red.) ist eigentlich dafür verantwortlich, dass das Buch überhaupt entstanden ist. Er hatte die Idee und meinte zu mir: Wir werden über unsere Niederlagen genauso sprechen, wie über unsere Erfolge. Die Leute finden das genauso interessant und können daraus lernen. Ich habe also mit ihm über alle meine Gefühle und Emotionen gesprochen... Dieses Buch zu schreiben war tatsächlich wie eine Therapie für mich, denn es brachte mich dazu, über all die Gründe für meine Niederlagen und Erfolge nachzudenken."

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