Lewis Hamilton: Dieser Motorschaden macht mich nicht stärker
Die gleiche Motorensituation wie Nico Rosberg für die letzten Rennen: "Wenn ich so stark weiterfahre", sagt Lewis Hamilton, "können gute Dinge passieren"
Lewis Hamilton hat die Hoffnung auf den WM-Titel noch nicht aufgegeben. Der Rückschlag in Malaysia tut aber immer noch weh. Jetzt durch die Highlights des dramatischen 16. Saisonlaufs klicken!
Mercedes verpasst beim Heim-Grand-Prix von Hauptsponsor Petronas den vorzeitigen Gewinn der Konstrukteurs-WM. Red Bull feiert stattdessen einen Doppelsieg: Daniel Ricciardo gewinnt sein viertes Formel-1-Rennen und beendet eine über zweijährige Durststrecke.
Das erste Drama bereits am Freitagmorgen: Wegen eines defekten Entlüftungsventils, durch das Benzin nach außen dringt, geht der Renault von Kevin Magnussen in Flammen auf. Die Mechaniker retten aber das Chassis - und nach dem Eingreifen des Putztrupps kann der Däne im zweiten Training schon wieder fahren.
Hamilton schreibt Geschichte: Mit seiner 57. Pole qualifiziert er sich zum 100. Mal für die erste Startreihe. Das hat vor ihm nur Michael Schumacher (116 Mal) geschafft. Dessen Streckenrekord von 2004 ist jetzt ausgelöscht. Und Nico Rosberg verweist er zwei Wochen nach der empfindlichen Schlappe von Singapur klar auf Platz zwei.
Der Start in Sepang: Hamilton kommt am besten weg, Rosberg nimmt außen Kurs auf den zweiten Platz. Aber innen drängelt sich Sebastian Vettel mit Geschwindigkeitsüberschuss an den beiden Red Bulls vorbei. Vettel sei "verrückt", schimpft Max Verstappen und nennt den Deutschen am Funk sogar einen "Idioten", ...
... der Ferrari-Pilot rempelt Verstappen an und schiebt Rosberg in einen Dreher. "Nico kann nichts dafür", entschuldigt sich Vettel (später auch am Telefon), stuft die Aktion aber als Rennunfall ein. Die Rennleitung sieht das anders: Rückversetzung um drei Startpositionen für Japan.
Als wäre er nicht schon genug gestraft: Während Rosberg zwar auf den 17. Platz zurückfällt, das Rennen aber mit einem unbeschädigten Auto fortsetzen kann, ist Vettels Arbeitstag schon in der ersten Runde zu Ende. Es ist seine vierte Nullnummer 2016. So viele hat er zuletzt 2010 angeschrieben.
Auch weiter hinten scheppert's: Daniil Kwjat schiebt Magnussens Renault von hinten an, der rutscht daraufhin in den Haas von Esteban Gutierrez. Die großen Start-Gewinner sind Esteban Ocon (Manor) und Fernando Alonso (McLaren), die je zehn Positionen gutmachen.
Die starken Verstappen-Longruns haben es schon am Freitag angedeutet: Hamilton hat Mühe, sich von Verfolger Ricciardo zu lösen. Es dauert bis in die sechste Runde, ehe er den Australier erstmals aus der DRS-Sekunde abschütteln kann. Verstappen wiederum knackt relativ rasch Sergio Perez und Kimi Räikkönen.
Während der virtuellen Safety-Car-Phase wegen des Abflugs von Romain Grosjean (Bremsdefekt) kommen Verstappen und Rosberg zum ersten Boxenstopp. Die Rechnung geht auf: Verstappen dreht mit frischen Reifen die schnellste Runde und hat bei einem Boxenstopp-Delta von 24 Sekunden nur 16,7 Sekunden Rückstand auf Leader Hamilton.
Pech hat Nico Hülkenberg: Weil Force India beide Autos gleichzeitig an die Box ruft und es bei Sergio Perez harkt, muss der Deutsche warten. Für Rosberg, der eine furiose Aufholjagd startet, ist er nur Kanonenfutter. Am Ende belegt Hülkenberg Platz acht, Perez wird Sechster. Der Vorsprung auf Williams in der Konstrukteurs-WM wächst.
Nach einem tollen Manöver gegen Valtteri Bottas, der in Sepang mit Einstoppstrategie Fünfter wird, bleibt Rosberg bei den ersten beiden Stopps jeweils knapp hinter Räikkönen. In Runde 38 ist der "Iceman" aber fällig - mit einem Überraschungsangriff, der Rosberg eine Zehn-Sekunden-Strafe einbringt. Toto Wolff tobt: "Eine unnötige Strafe!"
Eine Runde später spitzt sich das Red-Bull-Teamduell zu: Verstappen attackiert mit den um sechs Runden frischeren Reifen Ricciardo, der aber kann in Kurve 5/6 geschickt kontern und bleibt vorne. Was die beiden noch nicht ahnen: Es ist der Zweikampf, der über den Sieg beim Grand Prix von Malaysia entscheidet, ...
... denn in Runde 41 verraucht der Mercedes-Motor von Spitzenreiter Hamilton, mit 22,6 Sekunden Vorsprung. "Oh no, no!", schluchzt er, und Sportchef Wolff sackt in der Garage in sich zusammen. Hamilton deutet später Verschwörungstheorien an: "Die Motoren gehen immer nur bei mir kaputt. Irgendjemand will nicht, dass ich Weltmeister werde!"
Ein bisschen später klingt das ganz anders: Mit "irgendjemand" habe er "eine höhere Macht" gemeint, und in Mercedes habe er allergrößtes Vertrauen. Natürlich. Aber in der Weltmeisterschaft hat er nun 23 Punkte Rückstand auf Rosberg. "Jetzt muss Lewis schon fast jedes Rennen gewinnen", glaubt Wolff.
Vorentscheidung im Kampf um den Sieg: Während der virtuellen Safety-Car-Phase holt Red Bull beide Autos gleichzeitig zum Reifenwechsel. Das sichert den Doppelerfolg ab, kostet Verstappen aber vier Sekunden. Ricciardo hat obendrein noch einen frischen Reifensatz, ...
... und fährt das Rennen von da an sicher nach Hause. Am Ende gewinnt er mit 2,4 Sekunden Vorsprung auf Verstappen. In der Fahrer-WM ist er jetzt der einzige Gegner, der einen Mercedes-Titel noch verhindern kann - zumindest rein rechnerisch. Vorsprung auf Räikkönen (P4): 44 Punkte.
Dass er den Schampus aus Ricciardos verschwitztem Schuh trinken muss, lässt Rosberg zwar den Kopf schütteln - aber er schluckt das Übel tapfer runter. Und freut sich über seine verbesserte WM-Situation, auch wenn er sagt: "Mir wäre lieber, es wäre anders passiert. Ich weiß, wie mies sich Lewis jetzt fühlen muss."
(Motorsport-Total.com) - Lewis Hamilton glaubt nicht, dass ihn die zutiefst enttäuschende Erfahrung des Motorschadens in Malaysia, der ihn den Sieg gekostet und seine WM-Chancen empfindlich reduziert hat, mental stärker machen wird: "Ich glaube, es gibt sicher Erfahrungen, die einen stärker machen", räumt er zwar ein, aber: "Es gibt auch einen Punkt, an dem du durch so eine Erfahrung zwar stärker wirst, der Nutzen davon aber im Verhältnis zum angerichteten Schaden vernichtend gering ist. Und ich hatte schon viele solche Erfahrungen. Ich bin schon ziemlich stark!"
Hamilton hatte nach fünf von 21 Rennen bereits 43 Punkte Rückstand auf seinen Mercedes-Teamkollegen Nico Rosberg. Nach zwölf Rennen wurden daraus 19 Punkte Vorsprung. Nach 16 Rennen sind es wieder 23 Punkte Rückstand. Das klingt nach viel, ist aber weniger als ein Grand-Prix-Sieg. Sollte auch bei Rosberg einmal der Defektteufel zuschlagen und Hamilton gleichzeitig gewinnen, würde er schon wieder die Führung übernehmen.
"Als wir im ersten Abschnitt der Saison diese Probleme hatten, hatte ich schon das Gefühl, dass mir der Titel durch die Finger rutscht", sagt Hamilton. Er habe sich "machtlos" gefühlt. "Dann hatte ich eine Serie guter Ergebnisse, und jetzt sind es wieder schlechte Ergebnisse - und ein ähnliches Gefühl wie zum Beispiel in Barcelona."
Ausfall mit 22,6 Sekunden Vorsprung
"Ich habe keine Ahnung, was in den nächsten fünf Rennen passieren wird. Ich kann nur so weitermachen wie dieses Wochenende, genauso fokussiert", unterstreicht der Titelverteidiger, der zum Zeitpunkt seines Ausfalls in Sepang mit 22,6 Sekunden Vorsprung in Führung lag. "Mit Leistungen wie dieses Wochenende und einem zuverlässigen Auto besteht immer noch Hoffnung. Daran glaube ich. Und Glaube ist eine mächtige Sache!"
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Chef-Renningenieur Andrew Shovlin erklärt Nico Rosberg schwieriges Rennen und Lewis Hamiltons Taktik vor dem Motorschaden
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Angst davor, in einem psychologisch angeknacksten Zustand schon in einer Woche den nächsten Grand Prix bestreiten zu müssen, hat Hamilton nicht: "Ich bin Weltmeister. Das kriege ich schon hin", sagt er selbstbewusst. Außerdem hält er fest, dass Sepang 2016 "nicht der Tiefpunkt" seiner Rennfahrer-Karriere war: "War schon mal schlimmer!"
Aber er gibt zu: "Ich fühle mich natürlich hilflos. Ich werde die Stärke in meinem Inneren finden, um in den nächsten Rennen zurückzuschlagen. Wenn ich so stark fahre wie dieses Wochenende, dann können gute Dinge passieren. Vorausgesetzt das Auto hält." Und dafür ist entscheidend, die letzten beiden Motoren in seinem Saison-Pool nicht auch noch in die Luft gehen zu lassen.
Bereit, sogar ein Freies Training zu opfern
"Ich werde alles tun, damit sie halten", sagt Hamilton. "Wenn das bedeutet, dass ich eine Session ausfallen lassen muss, dann werde ich das tun. Lasst mich wissen, was ich tun kann! Ich werde alles tun, was notwendig ist." Dass es erforderlich sein wird, ein Training auszulassen, ist jedoch unwahrscheinlich.
Denn Hamilton hat in Sachen Motorenressourcen für den Rest der Saison genau die gleichen Voraussetzungen wie Rosberg: "Trotz des Motorschadens hat Lewis für die verbleibenden fünf Rennen die gleiche Power-Unit-Stuation wie Nico - inklusive gebrauchter Power-Units, die er in den Freien Trainings einsetzen kann. Hoffentlich wird sein Programm nicht weiter beeinträchtigt", meint Technikchef Paddy Lowe.
Was nämlich schlimm wäre: Wenn alle Motoren, die Hamilton in Spa-Francorchamps neu in seinen Pool gezogen hat, von einem Produktionsfehler betroffen wären. Aber dafür gibt es bisher keine Anhaltspunkte; der Sepang-Motor wird immer noch in Brixworth untersucht. Wolff macht seinem Schützling jedenfalls Mut: "Die WM ist noch nicht vorbei. Es stehen noch immer fünf Rennen aus."