Die größte Geste der Formel-1-Historie: Wie der von vielen vergessene Peter Collins 1956 in Monza freiwillig für Juan Manuel Fangio ausstieg und auf den Titel verzichtete
Peter Collins schreibt 1956 in Monza mit der größten Geste der Formel 1 Geschichte: Der "Gentleman" überlässt Juan Manuel Fangio Auto und WM-Titel. Doch das Autodromo Nazionale di Monza hat noch weitere Dramen und Triumphe erlebt...
"Bella Italia" hat in 65 Jahren Formel-1-Geschichte kein einziges Mal im Rennkalender gefehlt. Mit Ausnahme der Saison 1980, als Imola wegen Umbauarbeiten einspringt, fand der Grand Prix stets im Hochgeschwindigkeits-Mekka Monza statt. Der Temporausch in der Lombardei beschert der Szene Sternstunden wie die von Niki Lauda und Sebastian Vettel, kostet aber auch vier Legenden das Leben: Alberto Ascari, Wolfgang Graf Berghe von Trips, Jochen Rindt und Ronnie Peterson sterben im Autodromo Nazionale.
Der erste Italien-Grand-Prix überhaupt wird aber nicht im königlichen Park ausgetragen, sondern am 4. September 1921 im unweit gelegen Brescia. Am Start sind genau sechs Autos, von denen nur drei nach 30 Runden auf dem 17,3 Kilometer langen Kurs das Ziel erreichen: Kurioserweise scheiden alle Italiener aus, während die Franzosen einen "Sweep" landen.
Schon ein Jahr später findet der Motorsport seine neue Heimat im Autodromo Nazionale, wo Pietro Bordino (im Bild) mit einem FIAT für den von den Tifosi umjubelten Premierenerfolg sorgt. Um die 800 Kilometer Renndistanz abzuspulen, braucht der Italiener knapp sechs Stunden. Damals trauriger Motorsport-Alltag: Am Vortag verunglückt der Deutsche Gregor Kuhn tödlich.
Hohe Geschwindigkeiten und unzureichende Sicherheitsbestimmungen fordern weitere Todesopfer. 1928 kommt es zur Tragödie: Emilio Materassi rast mit seinem Talbot mit über 200 km/h in eine Tribüne. Der Italiener lässt genau wie 21 Zuschauer sein Leben. Die Verantwortlichen ziehen Konsequenzen, der Grand Prix wird für zwei Jahre gestrichen und in Monza Modernisierungen vorgenommen. Im Bild: das Schwesterauto von Alberto Divo.
1950 ist der Italien-Grand-Prix das Finale der Formel-1-Premierensaison und schreibt aus weiteren Gründen Geschichte. Mit seinem Sieg macht sich Giuseppe "Nino" Farina nicht nur zum ersten Weltmeister, sondern ist bis heute der einzige Pilot, der sich die Krone in seinem Heimatland aufsetzte.
In den Folgejahren sind es erneut die Legenden, die in Monza feiern: Juan Manuel Fangio und Stirling Moss teilen von 1953 bis 1959 sechs von sieben Siegen unter sich auf. Zuvor hatte Alberto Ascari zwei Heimerfolge gelandet, doch das Schicksal nimmt eine dramatische Wendung...
1955 verunglückt der zweifache Weltmeister - damals bereits in den Diensten Lancias - bei privaten Testfahrten mit einem Ferrari-Sportwagen in Monza tödlich. Die Unglücksursache ist bis heute ein Rätsel. Unter anderem ist von Arbeitern, die waghalsig die Strecke überqueren, und einem missglückten Ausweichmanöver die Rede. Lancia zieht sich nach dem Vorfall aus dem Motorsport zurück und übergibt sein Projekt an Ferrari.
1955 wird die Parabolica erstmals befahren, die infolge eines Umbaus einer Doppelrechts vor dem Boxeneingang entsteht. Außerdem verschärfen die Organisatoren die legendären Steilkurven, die seit 1922 zum Layout gehören.
1960 siegt mit dem späteren Weltmeister Phil Hill erstmals ein US-Amerikaner in der Formel 1. Ein Jahr später reüssierte der Mann aus Florida erneut, allerdings unter dunklen Umständen - es ist das letzte Mal, dass die Steilkurven befahren werden. Ihr Abriss wird in den Neunzigerjahren verhindert, ihr Verfall dauert bis heute an.
Das Jahr 1961 geht als schwarze Stunde in die Formel-1-Geschichte ein. Auf dem Weg, sich mit einem weiteren Grand-Prix-Sieg zum ersten deutschen Formel-1-Weltmeister der Geschichte zu krönen, verunglückt Wolfgang Graf Berghe von Trips tödlich. Sein Ferrari kollidiert in der zweiten Runde bei der Anfahrt zur Parabolica mit dem Lotus von Jim Clark. Der Kölner wird aus dem Wagen geschleudert, bricht sich das Genick und ist auf der Stelle tot. Das Auto schlägt in den Fangzaun ein, was auch 15 Zuschauer das Leben kostet.
Ein Rennen für die Geschichtsbücher gibt es im Jahre 1965: Ehe Jackie Stewart im BRM als Sieger die Ziellinie überquert, gibt es im Rennen 40 Führungswechsel. Da diese Statistik in der Formel-1-Historie nicht lückenlos geführt wird, ist der Rekord nicht offiziell, aber äußerst wahrscheinlich.
Immer wieder gibt es Weltmeister made in Monza: 1966 krönt sich Jack Brabham in Italien zum Champion, 1969 ist es Jackie Stewart (Bild). Der Schotte garniert die Saison mit einem Sieg in Italien. 1973 wiederholt sich die Geschichte.
Doch die nächste Tragödie lässt nicht lange auf sich warten: 1970 kommt Jochen Rindt im Freien Training in der Parabolica von der Strecke ab, wahrscheinlich aufgrund eines Bremsdefektes. Der Einschlag in die Leitplanke ist so heftig, dass der Lotus 72 in zwei Teile zerbricht und die Beine des Österreichers freiliegen. Noch im Rettungswagen verstirbt Rindt.
1971 bekommen die Italiener einen echten Exoten der Formel-1-Geschichte zu sehen: Emerson Fittipaldis Lotus 56 mit Allradantrieb wird von einer Gasturbine befeuert.
Klares Highlight ist aber der knappste Zieleinlauf in der Geschichte der Formel 1: Peter Gethin, Ronnie Peterson, Francois Cevert, Mike Hailwood und Howden Ganley trennen auf dem Zielstrich nur 0,610 Sekunden auf den Rängen eins bis fünf. Der Abstand zwischen dem siegreichen Briten und dem Schweden beträgt 0,010 Sekunden, die damals kleinstmöglich messbare Differenz.
Schluss mit dem Geschwindigkeitswahn: 1972 kommen erstmals Schikanen, unter anderem vor der Curva Grande, zum Einsatz, um die Top-Speeds zu drosseln. Zwei Jahre später wird auch die Ascari-Passage entschärft.
Ein Feiertag in Rot: Niki Lauda erlöst 1975 die Tifosi mit dem ersten Weltmeister-Titel nach elf Jahren Durststrecke, ausgerechnet auf heimischem Boden. Es ist der erste von drei WM-Titeln des Österreichers.
Lauda ist auch 1976 der gefeierte Held der Italiener, allerdings unter ganz anderen Voraussetzungen. Nach seinem Feuerunfall auf dem Nürburgring kehrt er entstellt und von starken Schmerzen geplagt in den Grand-Prix-Zirkus zurück, um das legendäre Duell mit James Hunt nicht zu verlieren. Viele Jahre später berichtet Lauda vom Freien Training und dem Losfahren aus der Box: "In dem Moment habe ich beinahe in die Hose geschissen." Die Tapferkeit wird mit Rang vier im Rennen und einem Platz in den Herzen der Tifosi belohnt.
Die wechselvolle Monza-Geschichte schreibt wieder ein dunkles Kapitel, als 1978 Ronnie Peterson ums Leben kommt. Der Schwede fällt einer Massenkarambolage unmittelbar nach dem Start zum Opfer. Sein Lotus fängt Feuer, aus dem ihn die Fahrerkollegen James Hunt, Clay Regazzoni und Patrick Depailler befreien. Erst nach 20 Minuten ist das medizinische Personal zur Stelle, um die schweren Beinverletzungen Petersons zu versorgen. Er stirbt einen Tag später in einer Mailänder Klinik an einer Embolie, was Mario Andrettis gewonnen WM-Titel zur Nebensache degradiert.
Ayrton Senna verpasste 1984 den Italien-Grand-Prix. Weil er Konkurrent Lotus für die folgende Saison zugesagt hat, suspendiert Toleman den Brasilianer und ersetzt ihn durch Pierluigi Martini. Die Sache ist für Senna trotzdem lohnenswert, schließlich gilt seine Pole-Runde in Monza 1985 als einer der größten Momente seiner Karriere. Die technisch überlegenen Williams von Keke Rosberg und Nigel Mansell foppt er mit einer Fabelzeit.
Der 1987er Sieger Nelson Piquet stellt im Qualifying den Geschwindigkeitsrekord der ersten Turbo-Generation auf. Er wird mit 352,1 km/h geblitzt.
Der Ferrari-Doppelerfolg von 1988 mutet an wie ein italienisches Wunder. Gerhard Bergers und Michele Alboretos Coup ist der einzige Sieg der Saison, den die komplett dominanten McLaren-Stars Alain Prost und Ayrton Senna nicht einheimsen. Der "Professor" hat einen Motorschaden zu beklagen, der führende Brasilianer wird von Jean-Louis Schlesser abgeräumt. Angeblich soll die spätere Dakar-Legende nach dem Rennen von Tifosi mit Danksagungen bedacht worden sein.
Alain Prosts Sieg 1989 hat "Geschmäckle": In McLaren-Diensten und dem Wissen, in der kommenden Saison bei Ferrari unter Vertrag zu stehen, lässt er den Siegerpokal vom Podium in die Zuschauermassen fallen. Ron Dennis, der seit Menschengedenken alle Trophäen einkassiert, soll getobt und seinen Star nur wegen Sponsorengeldern sowie Siegprämien nicht direkt gefeuert haben - obwohl Erzrivale Senna in dieser Frage entschieden Politik gemacht haben soll.
Das Rennen 1994 findet beinahe nicht statt: Die lokalen Behörden weigern sich, aus Sicherheitsgründen 123 Bäume in den Lesmo-Kurven abzureißen. Im August wird offiziell abgesagt. Dank des Verhandlungsgeschicks Max Mosleys und Gerhard Bergers wird vereinbart, das Tempo im betroffenen Abschnitt zu reduzieren - die Motoren heulen doch und Damon Hill siegt.
1996 beginnt die Ära von Michael Schumacher und Ferrari. Der Deutsche kann gleich sein erstes Ferrari-Rennen in Monza gewinnen. Ein Traumstart! Doch Triumph und Tragödie liegen in Monza stets eng beisammen: 2000 wird der Streckenposten Paolo Gislimberti von einem umherfliegenden Rad erschlagen, das sich von Heinz-Harald-Frentzens Jordan in einer Massenkollision löst. Der bislang letzte Todesfall.
Die schnellste Formel-1-Runde aller Zeiten gelingt Juan Pablo Montoya 2002 im Qualifying. Im Williams-BMW absolvierte er den Umlauf in 1:20.264 Minuten und fliegt mit einem Durchschnittstempo von 259,827 km/h zur Pole-Position. Drei-Liter-V10-Motoren machen es möglich.
2005 stellt Kimi Räikkönen den bis heute bestehenden Geschwindigkeitsrekord von 370,1 km/h auf. Genützt hatte es ihm nicht viel - er landet auf Platz vier, Sieger wird Teamkollege Juan Pablo Montoya im McLaren-Mercedes.
Nach seinem Sieg 2006 verkündet Michael Schumacher seinen Rückzug aus der Formel 1...
...doch Monza ist auch die Geburtsstätte eines neuen deutschen Stars: Im lombardischen Regen verteidigt Sebastian Vettel 2008 im Toro Rosso sensationell seine Pole-Position und gewinnt als jüngster Fahrer aller Zeiten ein Formel-1-Rennen. Er ist damals 21 Jahre und 83 Tage alt.
(Motorsport-Total.com) - Geht es um den WM-Titel, dann werden aus einst guten Freunden erbitterte Rivalen. Das Wohl des Teams rückt in den Hintergrund, und wenn gar nichts mehr geht, dann fährt man dem anderen ins Auto, um ihn zu stoppen. Doch es gab in der Formel 1 eine Zeit, als tatsächlich noch echte Gentlemen im Cockpit saßen. Der größte von ihnen: Peter Collins.
Diesen Status erarbeitete sich der 1931 in Kidderminster nahe Birmingham geborene Brite vor genau 60 Jahren beim Grand Prix von Italien 1956 - mit der größten Geste, die es in der Formel 1 je gegeben hat: Der damals 24-Jährige schenkte seinem Ferrari-Teamkollegen Juan Manuel Fangio freiwillig den WM-Titel.
Vor dem Saisonfinale, das in der Steilwand von Monza ausgetragen wurde, führte der Argentinier Juan Manuel Fangio, der zu diesem Zeitpunkt schon dreimaliger Weltmeister war, in der WM mit 30 Punkten. Sein Ferrari-Teamkollege Collins und der französische Maserati-Pilot Jean Marie Behra durften sich mit je 22 Zählern Außenseiterchancen auf den Titel ausrechnen, da der Sieg damals acht Punkte und die schnellste Runde einen zusätzlichen Zähler einbrachte.
Wieso es zwischen Fangio und Ferrari kriselte
Fangio benötigte also nur zwei Punkte, um seinen Rivalen jegliche Chance zu nehmen. Im Qualifying lief alles für den Ausnahmekönner: Er sicherte sich die Pole, Behra startete als Vierter, Collins als Sechster.
"Bella Italia" hat in 67 Jahren Formel-1-Geschichte kein einziges Mal gefehlt. Der erste Italien-Grand-Prix überhaupt wird aber nicht im königlichen Park ausgetragen, sondern am 4. September 1921 im unweit gelegen Brescia. Schon ein Jahr später findet der Motorsport seine neue Heimat im Autodromo Nazionale, wo Pietro Bordino (im Bild) mit einem FIAT für den von den Tifosi umjubelten Premierenerfolg sorgt. Damals trauriger Motorsport-Alltag: Am Vortag verunglückt der Deutsche Gregor Kuhn tödlich.
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Trotz der günstigen Ausgangslage hatte Fangio bei Ferrari keinen einfachen Stand: Boss Enzo Ferrari hatte sich mit seinem Starpiloten, der nur für eine Saison den roten Renner aus Maranello pilotieren sollte, überworfen. Während der stolze Italiener nicht damit leben konnte, dass ein Pilot ähnlich viel Strahlkraft hat wie sein geliebter Rennstall, vermisste Fangio die methodische organisierte Herangehensweise, die er bei Mercedes-Benz erlebt hatte.
Collins war hingegen das Liebkind des "Commendatore". Nach dem Tod seines Sohnes Alfredo drei Monate vor dem Saisonfinale war Ferrari schwer getroffen. "Dino", wie Alfredo genannt wurde, starb an einer chronischen Muskelerkrankung. Enzo Ferrari hatte den Ingenieur an die besten Schulen Europas geschickt und ihn als Nachfolger als Unternehmensboss aufgebaut.
Collins als Liebkind des "Commendatore"
Nach dem Unglück fand Ferrari Trost in Collins, der nur zwei Monate älter war als"Dino" und eine Art Ziehsohn für den Firmenboss wurde. Die umgängliche Art des Briten und dessen Wille, sich den italienischen Lebensstil anzueignen, sorgten für zusätzliche Sympathien, während das große Ego Fangios Ferrari eher im Weg stand.
Collins im Ferrari-Lancia: Die Sympathien des Bosses waren auf seiner Seite
Schon beim Start in Monza zeigte sich, dass Fangio das Ferrari-Team nicht im Griff hatte. Anstatt den Anweisungen des WM-Leaders Folge zu leisten, hinter ihm die Mauer zu machen, beschleunigten seine Ferrari-Teamkollegen Eugenio Castellotti und Luigi Musso besser als er und enteilten dem Feld. Die Soloflucht ging allerdings schief, denn die Monza-Steilwand sorgte bei den Reifen für Auflösungserscheinungen und zwang das Duo rasch an die Box.
Nun tobte auf der Zehn-Kilometer-Strecke, auf der in einer Runde abwechselnd der Grand-Prix-Kurs und das Oval gefahren wurden, eine Windschattenschlacht zwischen Maserati-Pilot Stirling Moss, Fangio, Collins, Behra und Harry Schell im Vanwall. Fangio, der ja nichts riskieren wollte, war voll auf Titelkurs, ehe ihn ein plötzliches Problem mit der Lenkung kurz nach der ersten Rennhälfte an die Box zwang. Die Mechaniker arbeiteten verzweifelt an einer Lösung, während die Uhr tickte. Bange Sekunden für den klaren Favoriten: Fangios sicher geglaubter Titel drohte ihm doch noch zu entgleiten.
Wie Collins Fangio freiwillig den Titel schenkte
Als dann Teamkollege Musso zum plangemäßen Boxenstopp hereinkam, schien die Rettung nahe. Der in der WM ohnehin chancenlose Italiener erhielt den Befehl, wie es in dieser Zeit üblich war, sein Auto an Fangio zu übergeben. Doch der Lokalmatador, der sich noch Siegchancen ausrechnete, widersetzte sich, stieg aufs Gas und raste wieder zurück auf die Strecke.
Der historische Moment auf dem Titelblatt des Autosport-Magazins
Inzwischen war auch Behra ausgefallen, also musste Fangio nur noch seinen Teamkollegen Collins im Titelkampf fürchten. Als der drittplatzierte Brite, der einen Sieg und die schnellste Runde für den Titel benötigte, ebenfalls zum geplanten Stopp an die Box fuhr, passierte das Unglaubliche. "Als er mitbekam, dass ich an der Box feststecke, bot er mir ungefragt sein Auto an, damit ich das Rennen beenden kann", schilderte Fangio die Ereignisse an der Ferrari-Box.
Der Superstar war selbst überrascht. "Mein Ärger war plötzlich verflogen, und ich konnte mein Glück kaum fassen. Ich habe ihn umarmt und geküsst", erzählte der Argentinier. "Was für eine große Geste!" Fangio stieg ein und beendete das Rennen als Zweiter hinter Sieger Moss, doch durch die freiwillige Aufgabe von Collins wäre er ohnehin Weltmeister geworden. Kuriosum am Rande: Moss gewann nur, weil er fünf Runden vor Schluss von Luigi Liottis privatem Maserati bis zur Box angeschoben wurde. Ihm war der Sprit ausgegangen.
Warum Collins nicht Weltmeister werden wollte
Doch was hatte Collins tatsächlich dazu gebracht, seinen Traum vom WM-Titel ausgerechnet für den Teamkollegen zu opfern? "Wäre ich Weltmeister geworden, dann wäre ich von heute auf morgen berühmt gewesen", erklärte Collins. "Ich hätte gewissen Erwartungen entsprechen müssen, hätte mich immer wie 'der Weltmeister' verhalten müssen. Das Rennfahren hätte keinen Spaß mehr gemacht."
Außerdem wollte er nicht durch reines Glück den Titel abstauben: "Darauf wäre ich nicht stolz gewesen. Zudem bin ich erst 25 Jahre alt, und ich habe noch so viel Zeit, selbst Weltmeister zu werden." Eine unglückliche Fehleinschätzung des Talents aus Großbritannien, denn nach seiner noblen Geste sollte ihm das Pech an den Fingern kleben.
Monza 1956: Fangio vor dem späteren Sieger Moss und Peter Collins
Zunächst verspielte Collins die Sympathien von Boss Enzo Ferrari: Durch seinen Landsmann Moss lernte er die Broadway-Schauspielerin Louise King kennen, heiratete sie und lebte mit ihr auf der gemeinsamen Jacht in Monaco. Das Partyleben der beiden war dem "Commendatore", der die volle Konzentration auf die Scuderia einforderte, ein Dorn im Auge. Abwertend nannte er King stets "die Geschiedene". Auch bei seinem einstigen Ziehsohn wollte er einen Sinneswandel erkannt haben: "Er ist jetzt viel launischer."
Als ihn Ferrari 1958 in sein Formel-2-Team degradierte, rettete sein britischer Ferrari-Teamkollege Mike Hawthorne Collins' Karriere und drohte mit Streik, um so seinen Freund in den Formel-1-Rennstall zurückzuholen. Mit Erfolg: Collins gab seine Antwort daraufhin in Silverstone, als er vor eigenem Publikum trotz unterlegenen Materials seinen dritten und größten Sieg errang. Nur zwei Wochen später verunglückte Collins im Alter von nur 26 Jahren auf der Nürburgring-Nordschleife, als er bei einem Überschlag aus dem Boliden geschleudert wurde und gegen einen Baum prallte.