• 04. März 2016 · 06:08 Uhr

Editorial: Die goldene Rookie-Generation der Formel 1 2001

Von einem schüchternen Spanier, einer Toilette in Finnland und einem geplatzten Interview in Südafrika: Erinnerungen an die Rookies der Formel-1-Saison 2001

(Motorsport-Total.com) - Liebe Leser,

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Das erste Interview: Dieter Rencken und Kimi Räikkönen im Jahr 2001 Zoom Download

auf den Tag genau heute vor 15 Jahren hat Michael Schumacher am Beginn seiner vierten erfolgreichen WM-Kampagne den Grand Prix von Australien gewonnen. Das Rennen war ein bemerkenswertes, und das vor allem aus zwei Gründen. Weniger wegen Schumachers Sieg, sondern eher wegen des tragischen Todes von Streckenposten Graham Beveridge. Beveridge hatte unglaubliches Pech und wurde durch ein kleines Loch im Sicherheitszaun von einem Rad von Jacques Villeneuves BAR erschlagen.

Aber Melbourne 2001 war auch die Geburtsstunde dreier großer Champions. Insgesamt vier neue Fahrer gaben an jenem Tag ihr Formel-1-Debüt: Enrique Bernoldi (Arrows), ein Brasilianer aus dem Red-Bull-Kader, sollte wenig später schon wieder in der Versenkung verschwinden. Aber Fernando Alonso (Spanien/Minardi), Juan Pablo Montoya (Kolumbien/Williams) und Kimi Räikkönen (Finnland/Sauber) wurden Fixsterne am Formel-1- beziehungsweise Motorsport-Himmel.

Fernando Alonso ist heute zweimaliger Formel-1-Weltmeister (2005 und 2006) - und die meisten Experten sind der Ansicht, dass er mit dem richtigen Material schon einige Titel mehr auf seinem Konto haben könnte. Er galt jahrelang als komplettester Rennfahrer im Feld - ein Ruf, den er bei McLaren-Honda langsam zu verlieren droht. Alonso ist ein Meister der politischen Klaviatur, ein Mann mit Charisma, einer, der polarisiert. Aber als ich mein erstes Interview mit ihm führen durfte, war er noch ein schüchterner kleiner Junge.

Fernando Alonso: Als Minardi-Fahrer Ferrari abgesagt

Geld verdiene er noch nicht groß, sagte er mir damals, am Rande des Grand Prix von Österreich, und für Mädchen und Partys habe er keine Zeit. "In meiner Heimat und bei den Rennen bin ich berühmt, weil ich Formel-1-Fahrer bin, aber das Leben verändert sich nicht gravierend. Es ist wie immer", erklärte er. Das war noch vor dem millionenschweren Ferrari-Vertrag, vor der Ehe mit dem spanischen Popstar Raquel del Rosario (die 2011 geschieden wurde), vor der Liaison mit Lara Alvarez, der Ex von Real-Madrid-Kicker Sergio Ramos. Der schüchterne Junge von damals ist heute ein weltweiter Sport-Superstar.


Fotostrecke: Melbourne 2001: Die Rookie-Sternstunde

Mit seinen überragenden Leistungen im schwächelnden Minardi weckte er früh das Interesse der Topteams. Ferrari war an ihm dran, wollte ihn 2002 bei Prost parken, später als Nachfolger von Rubens Barrichello ins Werksteam holen. Aber hinter den Kulissen zog bei Alonso Flavio Briatore die Fäden, und der hatte vor, ihn nach einem Jahr als Testfahrer bei Renault zum Werksfahrer zu machen.

Alonso, O-Ton Mai 2001: "Ich habe im letzten Dezember mit Ferrari Gespräche geführt, aber das Angebot war für mich nicht interessant, weil sie mich zwei Jahre lang zu Prost gesteckt hätten. Im Augenblick habe ich einen Vertrag mit Minardi, also kommt Ferrari sowieso nicht in Frage. Prost wäre nicht gut gewesen, daher habe ich für Renault unterschrieben, was meiner Meinung nach für meine Zukunft die bessere Wahl war."

Exklusives Interview mit Paul Stoddart

Der Spanier, übrigens bei seiner Premiere zweitjüngster Grand-Prix-Pilot aller Zeiten, fuhr 2001 in Diensten von Paul Stoddart. Der australische Geschäftsmann hatte Gabriele Rumi das finanziell völlig marode Minardi-Team abgekauft und binnen sechs Wochen ein Auto gebaut. Alonso packte in Faenza selbst mit an. Stoddarts neuem Projekt gab er gute Chancen: "Vielleicht schafft er es nicht ganz nach oben, aber so wie Sauber oder BAR - warum nicht? Ich glaube, dass er der Richtige dafür ist."

Stoddart verfehlte dieses Ziel, aber Red Bull wurde Alonsos Vorhersage Jahre später unter dem neuen Teamnamen Toro Rosso doch noch gerecht. Trotzdem gibt es heute kaum einen geeigneteren Gesprächspartner als Stoddart, um über die ersten Schritte Alonsos in der Formel 1 zu sprechen. Wir haben Kontakt zu ihm aufgenommen und ein ausführliches Interview geführt. Darin erzählt er unter anderem, wie Alonso beim Zusammenbau seines ersten Formel-1-Autos selbst mitgeholfen hat und wie es zu einer denkwürdigen Kollision mit Nigel Mansell bei einem Showrennen kam.

Kimi Räikkönen: Herausforderer von Michael Schumacher

Nach den Alonso-Titeln 2005 und 2006 auf Renault war 2007 Kimi Räikkönen dran. Der Finne kam als Nachfolger von Michael Schumacher zu Ferrari, und es heißt, dass sich Schumacher das damals nicht mehr selbst aussuchen konnte, sondern Luca di Montezemolo unbedingt den jungen Finnen haben wollte. Der wäre 2003, also mitten in den goldenen Ferrari-Jahren, auf McLaren beinahe zum ersten Mal Champion geworden, verlor das Duell mit Schumacher in einem dramatischen Finale in Suzuka aber hauchdünn mit 93:91.

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Kimi Räikkönen wechselte nach nur einem Jahr von Sauber zu McLaren Zoom Download

Mein Kollege Dieter Rencken war bei der Autosport-Show in Birmingham 2001 der erste Journalist, der Räikkönen nach dessen Präsentation als Sauber-Stammfahrer interviewen durfte. "Kimi war sehr ruhig, aber nicht schüchtern", erinnert er sich. "Er hatte einen festen Händedruck und man konnte in seinen Augen sehen, wie selbstbewusst er war." Eine Erinnerung, die sich mit den Schilderungen von Josef Leberer deckt, der den damals 21-Jährigen in einem knüppelharten Trainingscamp in Österreich auf die Strapazen der Formel 1 vorbereitet hat.

Im Interview mit meinem Kollegen verriet Räikkönen 2001 auch, welche Opfer seine Familie dafür bringen musste, dass er Autorennen fahren konnte. Weil die Räikkönens nicht wahnsinnig wohlhabend waren, bedeutete das unter anderem, dass das Geld für den Neubau einer Toilette lieber in die Rennfahrerei investiert wurde. Also mussten die Räikkönens weiterhin nach draußen gehen, um ihr Geschäft in einer außerhalb des Hauses untergebrachten Toilette zu verrichten, ohne Heizung im kalten Finnland.

Juan Pablo Montoya: Schon vor der Formel 1 ein Star

Juan Pablo Montoya begegnete Dieter zum ersten Mal im Winter 2000/01 bei Testfahrten in Kyalami. Unser heutiger Vor-Ort-Reporter arbeitete damals für das südafrikanische Fernsehen und sollte alle anwesenden Fahrer für einen Beitrag interviewen, Deadline am frühen Freitagabend. Mehrmals ging er auf Montoya zu, alle anderen Fahrer waren im Handling problemlos. Aber der neue Williams-Pilot, als Indy-500-Sieger schon ein Star, bevor er in die Formel 1 kam, lehnte immer wieder ab: Er habe jetzt keine Zeit.

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Juan Pablo Montoya war schon ein Star, bevor er 2001 in die Formel 1 kam Zoom Download

Dieter, von den Starallüren des Kolumbianers etwas genervt, versuchte sein Glück beim damaligen Williams-Pressesprecher Nav Sidhu, der nicht selbst in Kyalami war, aber per Telefon intervenierte. Montoya erklärte sich nach langem Hin und Her am späten Freitagabend bereit, das Interview zu führen - aber da war es längst zu spät, weshalb es nicht stattfand. Heute ist bekannt: Er wollte sich für das Interview einen seiner vertraglich vereinbarten zehn PR-Tage anrechnen lassen.

Ein paar Monate später trafen die beiden beim Grand Prix von Brasilien wieder aufeinander. Dieter wollte gerade in die Williams-Hospitality, Montoya kam gerade heraus - und die beiden rempelten sich in der engen Tür unabsichtlich an. Montoya stellte grinsend fest, wen er da gerade berührt hatte, und meinte augenzwinkernd: "Wenn du jetzt Zeit hast, können wir das Interview machen." Dieter, 15 Jahre später: "Danach hatten wir nie wieder ein Problem miteinander."

Exklusives Interview mit Patrick Head

Manchmal störrisch und flegelhaft, aber auch charmant - und vor allem unglaublich talentiert: So erinnert sich Williams-Mitgründer Patrick Head in unserem ausführlichen Interview an Montoya. Head geht in dem hochinteressanten Gespräch unter anderem auf Themen wie den Gehaltsunterschied zu Ralf Schumacher oder einen Zwischenfall in Magny-Cours 2003, der zum Bruch zwischen Fahrer und Team geführt hat, ein.

Alonso, Montoya, Räikkönen: Der 4. März 2001 war die Geburtsstunde einer goldenen Rookie-Generation in der Formel 1. Wir widmen diesem Anlass 15 Jahre später ein umfangreiches Themenspecial. Und fragen uns, ob wir in 15 Jahren mit den Herren Haryanto, Palmer und Wehrlein auch wieder so viel Arbeit haben werden...

Christian Nimmervoll

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