• 21. Februar 2016 · 13:25 Uhr

Abstieg und Aufstieg des Williams-Teams

Williams erlebte im Verlauf der zurückliegenden 20 Jahre Höhen und Tiefen: Die Schlüsselmomente beginnend mit der Dominanz der 1990er-Jahre bis heute

(Motorsport-Total.com) - Eine Achtbahnfahrt über zwei Jahrzehnte. So lassen sich die zurückliegenden 20 Jahre der Teamgeschichte von Williams am besten beschreiben. Nachdem Damon Hill und Jacques Villeneuve in den Jahren 1996 und 1997 zweimal in Folge die Fahrerweltmeisterschaft gewonnen hatten begann für das britische Team auf der Suche nach seiner wahren Identität eine Phase voller Höhen und Tiefen.

Foto zur News: Abstieg und Aufstieg des Williams-Teams

Mitte der 1990er-Jahre war Williams das Team, das es zu schlagen galt Zoom Download

1996 errang Damon Hill den Fahrertitel während Williams die Konstrukteurswertung mit zwölf Siegen aus 16 Rennen klar im Griff hatte. Im Verlauf von fünf Jahren war es für das britische Team der dritte Fahrer- und der vierte Konstrukteurstitel. Hills Teamkollege, der amtierende IndyCar-Champion Jacques Villeneuve, sorgte als Formel-1-Rookie für Aufsehen, indem er bei seinem Debüt auf Anhieb auf die Pole-Position fuhr im Saisonverlauf vier Rennen sowie den Vizetitel gewann.

Der WM-Titel aber gehörte Damon Hill. "Damons Frau Georgie mit einer Pappfigur ihres Mannes durch die Boxengasse laufen zu sehen, war einfach mega", erinnert sich Claire Williams, die heutige stellvertretende Teamchefin. Die Tochter von Teamgründer Frank Williams weiß: "Jede Saison, die man als Weltmeister abschließt, ist ein Highlight. Die Stimmung im Team war damals richtig gut. Dass wir das Jahr mit dem Titelgewinn abschlossen, macht es ganz besonders - noch dazu, weil es unser letzter britischer Weltmeister war."

Der Zenit Mitte der 1990er-Jahre

Foto zur News: Abstieg und Aufstieg des Williams-Teams

1996 ging der WM-Titel an Damon Hill, 1997 an Jacques Villeneuve Zoom Download

In der darauffolgenden Saison 1997 gelang Williams zum bis heute letzten Mal das Double in Form des Fahrer- und Konstrukteurstitels. Villeneuve ließ sich nach der Kollision mit Ferrari-Pilot Michael Schumacher in der Schlussphase des Saisonfinales in Jerez als Weltmeister feiern, während Schumacher heftig bestraft wurde.

Wenige Monate zuvor hatte Villeneuve mit seinem Sieg in Silverstone dafür gesorgt, dass Williams als drittes Team nach Ferrari und McLaren dem exklusiven Klub der Teams mit 100 Rennsiegen beitrat. "Jacques' Einfluss im Team war enorm. Er war ein einerseits ein intensiver Arbeiter, aber er hatte auch eine lustige Seite", erinnert sich Claire Williams

"Seine Mechaniker liefen mit gefärbten Haaren herum. Meine schönste Erinnerung an jenes Jahr ist die, wie alle Teammitglieder nach dem Gewinn des WM-Titels mit blonden Perücken herumliefen. Das war eine tolle Geste, die viel über unser Team aussagt. Wenn die Dinge gut laufen, dann freut es Frank sehr, dass sich die Leute derart leidenschaftlich freuen können", so die Tochter des Teamchefs.

Verlust der Unterstützung seitens Renault

Foto zur News: Abstieg und Aufstieg des Williams-Teams

1998: Ohne Renault-Unterstützung muss Williams mit Mecachrome-Motoren fahren Zoom Download

In den Jahren 1998 und 1999 musste Williams auf Werksunterstützung seitens Renault verzichten. Stattdessen war das Team auf Motoren, die den Namen Mecachrome beziehungsweise Supertec trugen, angewiesen. So folgten auf zwei aufeinanderfolgende Titeljahre zwei Jahre ohne Sieg.

Ein paar wenige Podestplätze waren die Höhepunkte der schwierigen Phase mit den umbenannten Motoren, die technisch nicht auf dem neuesten Stand waren. Platz fünf in der Konstrukteurs-Weltmeisterschaft 1999 war für Williams die schlechteste Platzierung der 1990er-Jahre.

"Wenn ich an diese Jahre zurückdenken, dann muss ich sagen, dass wir die Erfolge damals wohl als selbstverständlich angesehen haben", bemerkt Claire Williams, die im Zeitraum 2011 bis 2013 eine noch schwierigere Phase aus nächster Nähe erlebte. In den Jahren 1998 und 1999 feierte Williams zwar Podestplätze. "Dennoch waren es für uns enttäuschende Jahre, was aber nach zwei Jahrzehnten im absoluten Spitzenfeld wohl verständlich ist", so Williams.

Die BMW-Jahre

Rechtzeitig für die Saison 2000 schloss sich das Williams-Team mit BMW zusammen. Neben Ralf Schumacher setzte man bei der Fahrerwahl auf Risiko und verpflichtete den direkt aus der Formel 3 kommenden Rookie Jenson Button. In der Konstrukteurs-Weltmeisterschaft errang das Team den dritten Platz, mit nur einem Podestplatz lag man gegenüber Ferrari und McLaren aber weit zurück.

Foto zur News: Abstieg und Aufstieg des Williams-Teams

2003: Mit Montoya/Schumacher um zweiten Mal en suite Vizemeister der Teamwertung Zoom Download

Zur Saison 2001 wurde Button durch den aus der CART-Serie kommenden Juan Pablo Montoya abgelöst. Nach dem ersten Sieg der Partnerschaft Williams-BMW - eingefahren durch Schumacher - und insgesamt vier Saisonsiegen beendete das Team die Konstrukteurs-Weltmeiserschaft erneut auf dem dritten Platz.

"Als Ralf und Juan Pablo gegeneinander kämpften, gab es tolle Momente", denkt Claire Williams zurück und fügt hinzu: "Es war die Zeit, als ich meinen Dienst im Team antrat. Ich arbeitete damals mit Ralf und Juan zusammen. Juan mochte ich sehr. Er wäre ganz klar Teil meiner Traum-Fahrerpaarung. Es war eine tolle Zeit, die leider nicht so zu Ende ging wie wir uns das vorgestellt hatten."

Auf dem Weg zum Vizetitel in der Konstrukteurs-Weltmeisterschaft der Saison 2002 war ein einziger Saisonsieg von Schumacher der Höhepunkt. Auf das dominante Ferrari-Team fehlten Welten. In der Saison 2003 allerdings war Montoya einer der Titelkandidaten. Eine kontroverse Regeländerung bezüglich der Reifen ließ das Pendel in der entscheidenden Phase der Saison aber wieder zugunsten von Ferrari ausschlagen.


Fotostrecke: Williams-Präsentationen seit 1994

Die Zusammenarbeit zwischen Williams und BMW ging im Anschluss an eine sieglose Saison 2005 zu Ende. Der Motorenhersteller konzentrierte sich fortan darauf, ein eigenes Werksprogramm auf die Beine zu stellen und übernahm zu diesem Zweck das Sauber-Team.

"Die Zusammenarbeit mit BMW begann mit wunderbaren Hoffnungen und Sehnsüchten, doch sie endete wohl mit einer schmutzigen Scheidung", muss Claire Williams rückblickend gestehen. "Es war eine wunderbare neue Partnerschaft, von der wir uns alle sehr viel versprachen. Es war eine aufregende Phase, doch nach einer gewissen Zeit begann die Partnerschaft zu bröckeln. Das war schade, aber so war es nun mal. Was geschehen ist, ist geschehen."

Die Jahre als Kundenteam von Cosworth und Toyota

Für die Saison 2006 wechselte Williams auf Kundenmotoren von Cosworth, doch Mark Webber und Nico Rosberg taten sich schwer, gute Ergebnisse einzufahren. Mit nur elf WM-Punkten schloss das Team die Konstrukteurs-Weltmeisterschaft auf dem achten Platz ab. Damals sah es so aus als hätte Williams den Tiefpunkt der Teamgeschichte erreicht.

Foto zur News: Abstieg und Aufstieg des Williams-Teams

2009: Nichts zu holen mit Nico Rosberg, Kazuki Nakajima und Toyota-Power Zoom Download

"Der Wechsel von einem großen Motorenhersteller und der entsprechenden Unterstützung hin zu einem unabhängigen Motorenlieferanten ohne finanzielle Mittel war natürlich schwierig", gesteht Claire Williams und spricht beim Gedanken an die Zeit nach der Ära BMW-Williams von einer "nachhaltigen Veränderung".

Ab 2007 setzte Williams im Zuge eines Dreijahresvertrags auf Kundenmotoren von Toyota. Die Ergebnisse wurden etwas besser. So sprang 2007 immerhin Platz fünf in der Konstrukteurs-Weltmeisterschaft heraus. 2008 und 2009 kam der japanische Toyota-Protege Kazuki Nakajima zum Zug. Dennoch blieben Williams-Erfolgserlebnisse zu dieser Zeit rar.


Fotostrecke: Die Williams-Story

Als sich das Team zur Saison 2010 erneut mit Cosworth zusammentat, wurde es nicht viel besser - von Nico Hülkenbergs Pole-Position beim Grand Prix von Brasilien einmal abgesehen. Kurz darauf erhielt Hülkenberg den Laufpass. Das Cockpit ging dank großer Unterstützung seitens PDVSA an den frischgebackenen GP2-Champion Pastor Maldonado.

"Es war eine Zeit, in der wir häufig den Motorenhersteller wechselten", blickt Claire Williams auf die zweite Hälfte des ersten Jahrzehnts im neuen Jahrtausend zurück. "Wir gingen von Cosworth zu Toyota und anschließend wieder zurück zu Cosworth. Es war eine Art Identitätskrise, einfach eine schwierige Phase. Man könnte diese Zeit wohl als die wilden Jahre bezeichnen. Wichtig ist, dass wir stärker daraus hervorgegangen sind." Die Saison 2011 schloss Williams auf Platz neun der Konstrukteurs-Weltmeisterschaft ab. Bis zum Aufschwung sollten dem Team aber noch weitere schwierige Jahre bevorstehen.

Aufbau neuer Fundamente

Nach umfassenden Veränderungen im Frühjahr 2011, die allen voran vom Rücktritt Sam Michaels als Technischem Direktor geprägt waren, erlebte Williams mit Mike Coughlan als neuem Technikchef eine stärkere Saison 2012. Beim Grand Prix von Spanien im Mai gelang Pastor Maldonado völlig überraschend der erste Williams-Sieg seit Montoyas Sieg dem Saisonfinale 2004 in Sao Paulo. Möglich machte es neben dem neuen Technikchef Coughlan auch die Rückkehr zu Renault-Motoren.

Foto zur News: Abstieg und Aufstieg des Williams-Teams

Renault kehrte 2011 für drei Jahre zurück, doch Pastor Maldonado saß im Cockpit Zoom Download

Fahrfehler kamen Williams in der Saison 2012 aber teuer zu stehen. Zwar hatte das Team den Speed, um die Konstrukteurs-Weltmeisterschaft im Bereich von Platz drei bis fünf abzuschließen, doch unterm Strich sprang nicht mehr als der achte Platz heraus. Die darauffolgende Saison 2013 verlief nicht zuletzt aufgrund des problembehafteten Coanda-Auspuffs sogar noch schlechter.

"Der Zusammenschluss mit einem neuen Motorenhersteller ist immer mit hohen Erwartungen verbunden", bemerkt Claire Williams und fügt hinzu: "Die Wiederaufnahme der Zusammenarbeit mit Renault sollte die glorreichen Tage zurückbringen, doch leider passierte das nicht. Das lag in erster Linie an Williams, weil es uns nicht gelang, ein konkurrenzfähiges Chassis zu bauen. Somit standen wir am Beginn einer Talfahrt. Auch teamintern war die Stimmung nicht die beste. Wir haben es aber geschafft, uns von dieser schwierigen Phase zu erholen und haben sie mittlerweile überwunden."

Der Underdog schlägt zurück

Aktuell setzt Williams auf Mercedes-Power und damit ist es dem Team erstmals seit 2003 gelungen, zwei aufeinanderfolgende Jahre in den Top 3 der Konstrukteurs-Weltmeisterschaft abzuschließen. Es hat Podestplätze, Pole-Positions und Schnellste Rennrunden gegeben. Alles, was fehlt, ist ein Sieg...

Foto zur News: Abstieg und Aufstieg des Williams-Teams

Seit 2014 wird bei Williams wieder häufiger gejubelt, bald auch über einen Sieg? Zoom Download

"Wir wissen jetzt, wer wir sind", sagt Claire Williams und will von einer Identitätskrise nichts mehr wissen. "Wir pflegen eine stabile Partnerschaft mit Mercedes und haben einige großartige neue Partner hinzugewonnen. Mein Ziel war es, dieses Team wieder zu dem zu machen, das es in den BMW-Jahren war, nämlich ein fertiges, professionelles Rennteam mit einer eigenen Identität."

Dieses Ziel sieht die stellvertretende Teamchefin als erreicht an. "Momentan befindet sich Williams in einer richtig guten Position", sagt sie und holt aus: "Wir haben uns richtig ins Zeug gelegt, um dahin zu kommen, wo wir heute stehen. Alle getroffenen Entscheidungen waren gut überlegte Entscheidungen. Nichts ist durch Glück oder Zufall passiert."

"Mitte des Jahres 2013 setzten wir flächendeckend eine konkurrenzfähige Strategie auf, der sich inzwischen alle im Team bewusst sind. Wir haben nun starke Partnerschaften und eine starke finanzielle Plattform, von der aus wir operieren können. Dennoch ist das Ganze wie immer ein fortwährender Prozess", so Claire Williams.

Fotos & Fotostrecken
Foto zur News: Alle Sieger von Sprintrennen in der Formel 1
Alle Sieger von Sprintrennen in der Formel 1
Foto zur News: F1: Grand Prix von China (Schanghai) 2024
F1: Grand Prix von China (Schanghai) 2024
Samstag

Foto zur News: Formel-1-Qualifying: Modus im Wandel der Zeit
Formel-1-Qualifying: Modus im Wandel der Zeit

Foto zur News: F1: Grand Prix von China (Schanghai) 2024
F1: Grand Prix von China (Schanghai) 2024
Freitag

Foto zur News: F1: Grand Prix von China (Schanghai) 2024
F1: Grand Prix von China (Schanghai) 2024
Technik
Folge Formel1.de
Formel-1-Quiz

In welchem dieser Jahre seiner Karriere wurde Nigel Mansell Weltmeister?

formel-1-countdown
Formel1.de auf YouTube