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Die Formel 1 ist ein sich immer weiter drehendes Karussell: In den vergangenen Jahrzehnten gab es zahlreiche Teamübernahmen und Umbenennungen, doch nur zwölf Mannschaften gründeten sich - so wie die US-amerikanische Haas-Mannschaft - seit dem Jahre 1990 neu. Unter den Pionieren befanden sich massenhaft Traumtänzer, viele Superreiche und ein Weltkonzern, aber auch zwei echte Motorsport-Enthusiasten. Nur fünf der oft chronisch klammen Mannschaften schafften es, WM-Punkte zu holen. Drei Teams gewannen sogar Grands Prix. Überlebt haben nur vier Projekte, davon lediglich eines in der ursprünglichen Form. Wir erzählen die Storys hinter dem verrückten Dutzend.
Life (1990): Das italienische Projekt glänzte kaum - schon gar nicht durch Bescheidenheit. Life brachte 1990 nicht nur sein eigenes Formel-1-Team an den Start, sondern konstruierte auch einen eigenen Zwölfzylinder-Motor mit 3,5 Litern Hubraum und exotischer W-Bauweise. Gründer Ernesto Vita (der für die Teambezeichnung seinen Nachnamen aus dem Italienischen ins Englische übersetzte) erlebte sein Waterloo: In 14 Grands Prix qualifizierte sich das einzige an den Start gebrachte Auto nicht ein einziges Mal - auch nicht, als die Mannschaft auf einen V8 von Judd umsattelte. Die leidtragenden Piloten waren erst Gary Brabham, später Bruno Giacomelli. Für die beiden wohl mehr Erlösung als Trost: Schon vor dem Saisonende war Life mausetot.
Modena (1991): Ein heimliches Werksteam trat 1991 seinen Dienst an. Lamborghini und sein damaliger Mutterkonzern Chrysler besaßen einen Zwölfzylinder-Motor und kamen zu einem Chassis wie die Jungfrau zum Kinde. Weil ein mexikanischer Traumtänzer sein Projekt namens GLAS fallen und die Italiener auf den Entwicklungskosten sitzen ließ, entschlossen sich die Verantwortlichen, ein eigenes Auto ins Rennen zu schicken. Modena, benannt nach der Heimat der Marke und aufgrund der trüben Erfolgsaussichten nicht nach ihr selbst, war geboren!
An der Spitze stand der Gründer des Sportartikel-Herstellers Fila, der große Summen in das Projekt pumpte. Seine Lira hätte er sich besser gespart: Obwohl Nicola Larini beim Saisonauftakt in den USA als Siebter (mit fünf Runden Rückstand!) gleich das beste Resultat für Modena einfuhr, fehlten ihm und Eric van de Poele fortan regelmäßig bis zu zehn Sekunden auf die Pole-Zeiten. Es gelang kaum noch eine Qualifikation und das Geld ging endgültig zuneige, als sich Lamborghini von dem Projekt distanzierte. Ende 1991 wurde zugesperrt.
Jordan (1991): Eine der wenigen Erfolgsstorys schrieb ein verrückter Ire namens Eddie Jordan. Der gelernte Bankier brachte sein mit zwei Titeln durch Johnny Herbert und Jean Alesi dekoriertes Formel-3000-Team in der Saison 1991 in die Königsklasse. Ein Motorendeal mit Ford und ein Sponsorenvertrag mit Pepsi waren die Grundlage, den Jordan 191 mit Routinier Andrea de Cesaris und Betrand Gachot zu melden. Dass der Belgier wegen einer angeblichen Reizgas-Attacke auf einen Londoner Taxifahrer hinter Gitter wanderte, verhalf Michael Schumacher zu seinem Formel-1-Debüt. Es folgten 250 Rennteilnahmen mit vier Grand-Prix-Siegen, verrückten Ideen und der Geburt der Boxenluder, ehe Jordan 2005 für 60 Millionen US-Dollar an die Midland-Gruppe verkaufte.
Sauber (1993): 1967 fuhr Sauber mit einem Volkswagen Käfer zur Arbeit, bis ihn ein Freund dazu überredete, ihn tunen zu lassen und an Clubrennen teilzunehmen. Eine Passion war geboren. Nach Gründung des Mercedes-Juniorteams in der Sportwagen-WM wagte der Schweizer 1993 den Einstieg in die Formel 1: Karl Wendlinger und JJ Lehto waren die ersten Piloten des indirekt über Motorenpartner Ilmor von Mercedes unterstützten Projekts, das sofort erfolgreich war: Der Finne holte beim Saisonauftakt in Südafrika WM-Punkte. Wenn auch oft knapp bei Kasse, ermöglichten Deals mit Petronas und BMW Sauber später große Erfolge - auch als Talentschmiede. Bis heute stehen 403 Grand-Prix-Teilnahmen und ein Rennsieg (als BMW-Werksteam) zu Buche.
Pacific (1994): Ein Team, das in jeder Nachwuchsserie, an der es teilnimmt, gewinnt, muss doch auch in der Formel 1 reüssieren, oder? Pustekuchen! Als sich 1993 Ex-Mechaniker und Neo-Teamchef Keith Wiggins ein von Reynard entwickeltes Chassis sicherte (die US-Amerikaner hatten selbst in die Königsklasse einsteigen wollen, das Vorhaben aber in Ermangelung eines Motors verworfen), begann die Irrfahrt des Pacific-Projekts. Ein Start mit dem Deutschen Michael Bartels scheiterte am dem Finanzen, 1994 griffen dann Bertrand Gachot und Paul Belmondo - der Sohn des französischen Filmstars - mit Ilmor-Power ins Lenkrad. Die Qualifikation gelang nur siebenmal, eine Zielankunft nie. Das Fiasko setzte sich 1995 mit Ford-Motoren und neuen Piloten fort, das Geld ging Pacific zum Ende des Jahres aus. Der letzte Sargnagel für die Briten.
Simtek (1994): Co-Gründer des für seine lilafarbene Lackierung und den tödlichen Unfall Roland Ratzenbergers zu zweifelhafter Prominenz gelangten Teams war der spätere FIA-Präsident Max Mosley. Das Rezept: kostengünstig im eigenen Windkanal entwickeln, wo schon zu Beginn der Neunzigerjahre im Auftrag von BMW ein Formel-1-Auto entstand. Mit dem eigenen Chassis, Ford-Power im Heck, dem Musiksender MTV als Sponsor und Rennlegende Jack Brabham als neuem Teilhaber ging es ab 1994 auf die Grand-Prix-Strecke. Das Problem: der Bolide war mit aktiver Radaufhängung fertiggestellt worden, die Technik wurde aber vor Saisonbeginn verboten. Simtek kam (unter anderem mit Bruchpilot Taki Inoue) auf keinen grünen Zweig. Als 1995 die Sponsoren den Geldhahn zudrehten, zogen sich die Briten mitten in der Saison zurück.
Forti (1995): Ein knallgelbes U-Boot unternahm in der Formel 1 seine Tauchgänge allen voran in den Tiefen des Klassements. Als Guido Forti aus seinem Juniorteam 1995 eine Mannschaft für die Königsklasse machte, besorgte ein brasilianischer Supermarkt-Boss die nötigen Millionen. Der Clou: In seinen Geschäften bot er Unternehmen von Weltrang bevorzugte Platzierung, wenn sie bei Forti einsteigen. Als Gegenleistung für die Geldbeschaffung bekam sein Sohn Pedro Diniz ein Cockpit. Mit Ex-Ferrari-Rennleiter Cesare Fiorio in der Verantwortung floppte das komplett selbst entwickelte Chassis jedoch. Weder Diniz noch Teamkollege Roberto Moreno holten WM-Punkte. Forti, das anschließend auf Luca Badoer und Andrea Montermini setzte, ging 1996 nicht nur der gelbe Lack, sondern auch das Geld aus, als ein dubioser Sponsor nicht zahlte. Arrivederci!
Stewart (1997): Um Jackie Stewart und seinen Sohn Paul von einem Formel-1-Einstieg mit ihrer Nachwuchsschmiede (für die Stewart jun. noch kurz zuvor selbst ins Lenkrad gegriffen hatte) zu überzeugen, brauchte es einen Werksdeal mit Ford und den Staat Malaysia als Sponsor. Als 1997 alles unter Dach und Fach war, bauten die Schotten an einem Standort namens Milton Keynes ihren ersten Boliden. Rubens Barrichello und Jan Magnussen hatten mit den unzuverlässigen Modellen SF01 und SF02 ihre liebe Mühe, doch der SF3 war 1999 eine kleine Wunderwaffe. Mit Cosworth-Unterstützung fuhr der Brasilianer dreimal auf das Podium, Neuzugang Johnny Herbert siegte am Nürburgring. Ford wollte mehr und kaufte das Team als Jaguar-Werksmannschaft, doch die Formkurve zeigte abwärts. Bis 2005 der Red-Bull-Konzern neues Leben einhauchte...
Toyota (2002): Ein Automobilgigant blies 2002 zum Großangriff auf die Formel 1. In ein in Köln beheimatetes Werksprojekt pumpte Toyota nach gescheiterter Le-Mans-Attacke Unsummen und testete vor dem Einstieg in die Königsklasse auf elf Grand-Prix-Kursen. Das half dem von Gustav Brunner entworfenen TF102 herzlich wenig: Obwohl beim Debüt in Australien und in Brasilien dank Mika Salo in den Punkterängen, ging Toyota schnell die Puste aus. Nach einer Spionageaffäre um Ferrari bekrabbelten sich die Japaner 2005 und hatten erstmals ein siegfähiges Auto, jedoch schrammten Ralf Schumacher, Jarno Trulli und später Timo Glock am Coup mehrmals vorbei. Als die Leistungen auf hohem Niveau stagnierten, zog Toyota Ende 2009 auch unter dem Einfluss der japanischen Regierung den Stecker - obwohl angebliche ein Wunderauto in der Garage stand.
HRT (2010): Spaniens erstes Formel-1-Team war der Traum des Ex-Rennfahrers Adrian Campos, der sich nach seiner aktiven Karriere als Fahrermanager verdient gemacht hatte. Doch ehe das erste Auto mit Dallara-Chassis und Cosworth-Motor gebaut war, fingen 2010 die Finanzprobleme an. Die Teilnahme an den Wintertests wurde abgesagt. Teilhaber Jose Ramon Carabante (verdiente sein Geld mit dem Management von NBA-Profis) kaufte die Truppe, sägte Campos ab, installierte Colin Kolles als Teamchef und taufte sie auf den Namen Hispania Racing Team (HRT) um. Mit elf Sekunden Rückstand begann das Unterfangen beim Saisonauftakt unter anderem mit Ayrton-Senna-Neffe Bruno am Steuer und es wurde kaum besser. Die Finanzprobleme nahmen in den Folgejahren Überhand und ein Käufer fand sich nicht. Im November 2012 war Schluss und es ging in die Insolvenz.
Virgin (2010): Lederjacken als Teamoutfit und das erste Formel-1-Auto, das ausschließlich am Computer entworfen wurde: Mit diesem Rezept wollte Multimilliardär und Grenzgänger Richard Branson die Königsklasse 2010 aufmischen. Doch Virgin, benannt nach seinem Firmenimperium und auf der Basis der Nachwuchsschmiede Manor aufgebaut, war von Anfang an eine Pleite. Das erste Auto des Teams hatte einen zu kleinen Tank und musste von seinen Piloten Timo Glock sowie Lucas di Grassi mit Halbgas gefahren werden, um überhaupt ins Ziel zu kommen. Auch als im zweiten Jahr der russische Autohersteller Marussia einstieg, waren WM-Punkte Fehlanzeige. Branson hatte genug und zog sich zurück, seine Mitstreiter machten weiter - bis heute oft mehr schlecht als recht.
Lotus (2010): Verwirrspiel um einen prestigeträchtigen Namen. Der malaysische Airline-Tycoon Tony Fernandes nutzte das Label der britischen Sportwagenschmiede über einen Lizenzdeal mit seinen Landsleuten der Autofirma Proton. Er brachte auch mit der Hilfe der Regierung des südostasiatischen Staates das Formel-1-Team "Lotus Racing" an den Start. Das Debüt mit Cosworth-Power war ein Reinfall, auch ein Jahr später mit Renault-PS wurde es nicht besser und es mehrten sich die juristischen Kriegsschauplätze wegen der Namensrechte. Fernandes erwarb die Autofirma Caterham und machte noch drei Jahre weiter, ehe er genug vom Hinterherfahren hatte, den Stecker zog und die Truppe ihrem Schicksal überließ.
(Motorsport-Total.com) - Ein Formel-1-Team auf die Beine zu stellen, ist schwierig. Mit einer aus dem Boden gestampften Truppe in der Königsklasse erstens zu bestehen und zweitens erfolgreich zu sein, fast ein Ding der Unmöglichkeit. 2016 stellt sich der US-Unternehmer und verdiente NASCAR-Macher Gene Haas der Herausforderung, doch das Schicksal der zwölf jüngsten Neugründungen sollte ihm eine Lehre sein. Wir haben uns angesehen, wer seit dem Jahr 1990 eingestiegen ist, ohne ein Vorgängerprojekt zu übernehmen.
Die Bilanz fällt ernüchternd aus: Nur vier Teams haben sich überhaupt in der Formel 1 gehalten, davon lediglich eines unter seinem ursprünglichen Namen. Erfolg hatten die Privatiers, die mit Undercover-Werksprojekten, Exotenmotoren Marke Eigenbau und nur auf dem PC existierenden Autos anrückten, nicht. Dafür aber große Pläne und noch größere Finanzsorgen, obwohl sie ihre mit Supermarkt-Product-Placement, Sportartikeln und NBA-Profis verdienten Vermögen investierten - oder verpulverten.
Es gab Geschichten mit Happy-End, die noch heute fortgeschrieben werden - wenn auch nicht durch einen kolossal gescheiterten Weltkonzern: Zwei Teams schafften es, schon als Privatiers Rennen zu gewinnen, ein weiteres mit der Hilfe eines Autobauers. Aus einem der Nachfolger ist sogar eine der dominantesten Kräfte der Formel-1-Geschichte geworden.