• 19. September 2015 · 09:33 Uhr

Starten von Position 60: Wie kann das bitte sein?!

'Motorsport-Total.com' erklärt das neue Regelchaos: Wann welche Antriebsstrafen ausgesprochen und wie die Piloten in die Startaufstellung einsortiert werden

(Motorsport-Total.com) - Die Strafversetzungen in der Startaufstellung treiben in der Formel-1-Saison zunehmend skurrilere Blüten. Höhepunkt der schwindelerregende Sanktionen: Die McLaren-Piloten Fernando Alonso und Jenson Button mussten beim Ungarn-Grand-Prix wegen des Wechsels von Antriebskomponenten und der Getriebe zusammen 105 Plätze zurück. Obwohl bei 20 Startern nur auf dem Papier relevant, sorgen solche Rekordbußen bei allen Beteiligten für Verwirrung. 'Motorsport-Total.com' erklärt, was Sache ist.

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Wer in welche Startbox rollt, muss in einer komplizierten Prozedur ermittelt werden Zoom Download

Das Hauptproblem: Weil mit vorschreitendem Saisonverlauf immer mehr Fahrzeuge von Strafen betroffen sind, müssen die Zeitnehmer des Formula One Management (FOM) bei der Erstellung der Startaufstellung Piloten einsortieren, die utopische Positionen einnehmen, maximal aber an das Feldende gesetzt werden können. Wer dann vom letzten Platz aus losfährt, entwickelt sich zu einem Rechenexempel. Zunächst aber zu der Frage, wie Rekordstrafen wie die von McLaren überhaupt möglich sind.

Das Sportliche Reglement für die Saison 2015 verfügt, dass pro Jahr und Auto ein Team maximal vier Antriebsstränge (fünf Antriebsstränge bei mehr als 20 Grands Prix im Kalender, was trotz des "Südkorea-Tricks" nicht zutrifft) verwenden darf. Ein solcher Antriebsstrang besteht aus sechs Einzellkomponenten (Verbrennungsmotor, Turbolader, MGU-H, MGU-K, Energiespeicher, Einheitselektronik). Sie dürfen beliebig kombiniert werden - und etwa die zweite MGU-H und die vierte MGU-K gefahren werden.

Was wird überhaupt wann und wie bestraft?

Wird eine fünfte Einzelkomponente gleich welchen Typs eingebaut, erfolgt eine Rückversetzung um zehn Plätze beim nächsten WM-Lauf. Bei jedem weiteren fünften Einsatz einer Komponente gibt es eine Rückversetzung um fünf Plätze. Analog wird bei der sechsten und allen weiteren Einzelkomponenten verfahren. Honda erhielt als Neueinsteiger nachträglich einen Joker in Form einer zusätzlichen Komponente, was sich aufgrund der häufigen Defekte bei den Japanern kaum auswirkt. Alle Strafen werden addiert.


Fotos: Großer Preis von Singapur


Eine Sonderregelung gilt für das Getriebe: Es darf nach fünf Rennwochenenden ohne jede Strafe gewechselt werden, sofern das Team einen Schaden nachweisen kann. Sollte ein früherer Wechsel fällig werden, wird der Teilnehmer mit einer Rückversetzung um fünf Positionen belegt. Ein Getriebewechsel innerhalb eines Rennwochenendes wird identisch sanktioniert. Auch in diesem Fall wird addiert.

Beispiel: Ein Pilot lässt den sechsten Verbrennungsmotor einbauen. Dafür kassiert er zehn Plätze Strafe, sofern nicht bei einer anderen Komponente bereits auf das sechste Bauteil zurückgegriffen wurde. Zeitgleich wird auch die sechste MGU-K eingebaut, was nur fünf Plätze nach hinten bedeutet. Dabei ist es nicht von Relevanz, ob der Wechsel zeitgleich erfolgt oder ob der sechste Komponentensatz bereits an einem früheren Rennwochenende angebrochen wurde. Macht unter dem Strich 15 Plätze.

Wie ergibt sich aus den Strafen eine Startaufstellung?

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Wer sein Auto qualmend parken muss, darf sich meist auf eine Strafe einstellen Zoom Download

Qualifiziert er sich für die Pole-Position, also Rang eins, werden die 15 Positionen addiert und der Pilot muss das Rennen vom 16. Startplatz aus aufnehmen. Die Probleme beginnen, wenn er das Qualifying als Zehnter abschließt. Dann ergäbe sich rechnerisch der 25. Startplatz, den vielleicht als Asphaltmarkierung geben mag, nicht aber im Grid, der mit dem letzten Auto endet - mit Rang 20. Ein Übertrag in den nächsten Grand Prix und zusätzliche Bußen in Form von Durchfahrts- und Zeitstrafen während des Rennens wurden abgeschafft.

Komplizierter ist die Situation, wenn mehrere Piloten bestraft und die in die Startaufstellung einsortiert werden müssen. Dafür werden die Positionen wie im oben genannten Fall mit den Strafen aufsummiert und die Fahrer mit "virtuellen" Startplätzen über 20 gemäß der Höhe dieses Wertes am Feldende einsortiert. Beispiel: Pilot A ist 15. und erhält zehn Plätze Strafe, was den Wert 25 ergibt. Pilot B ist 13. und erhält 20 Plätze Strafe, was den Wert 33 ergibt. Heißt: A startet als 19., B startet als 20.

Was geschieht, wenn ein Startplatz doppelt belegt ist?

Was jedoch, wenn die Addition eine niedrige Position als 20 ergibt, die bereits einem Konkurrenten gebührt? Beispiel: Pilot A mit einer Strafversetzung um zehn Plätze, der im Qualifying Fünfter wird, wäre 15. in der Startaufstellung. Es gibt aber bereits einen 15., der vorrückt und von Platz 14 losfahren darf. Die Regel lautet: Es erhält derjenige den Vorzug, der sich den Rang per Rundenzeit gesichert hat. Haben zwei Fahrer ihre Position aufgrund einer Strafversetzung inne, ist die Sache nicht klar geregelt.


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Grundsätzlich ausschlaggebend ist der Zeitpunkt einer Sanktion. Wer zuerst bestraft wird, wird zuerst nach hinten versetzt und kann folglich von der Buße eines Konkurrenten wieder profitieren. Beispiel: Pilot A wechselt am Freitag den Energiespeicher, erhält eine Strafe und kommt in der Addition von Qualifyingergebnis und Rückversetzung auf den virtuellen Rang 30. Bei Pilot B ist das genauso der Fall, er hat aber erst am Samstagvormittag die MGU-H ausgetauscht. A startet als 19., B startet als 20.

Wie wird ein Vergehen zeitlich bestimmt?

Doch so simpel wie das Planspiel ist die Realität nicht. Erstens ist nicht klar, wie Vergehen terminiert werden. Bei sportlichen Vergehen wie dem Blockieren eines Konkurrenten lässt es sich noch recht einfach bewerkstelligen, doch in der Antriebssaga gibt es Probleme: 2015 verwendete die FIA in offiziellen Dokumenten sowohl die Meldung des Komponententauschs als Zeitpunkt (liegt häufig schon vor dem Beginn des Fahrbetriebs) als auch den ersten Einsatz des neuen Bauteils auf der Strecke.

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Muss ganz genau hinschauen: FIA-Rennleiter Charlie Whiting Zoom Download

Die zweite Methode führt im Gegensatz zur ersten (häufig werden die Dokumente gesammelt veröffentlicht) nicht zu Dopplungen, da die Ausfahrt aus der Boxengasse genau bestimmt werden kann. Trotzdem: Beide Möglichkeiten zur Bestimmung des Zeitpunktes sind den Regeln zufolge möglich und werden durch die Artikel 28.4 und 28.6a respektive den Artikel 36.2c des Sportlichen Reglements begründet. Bislang kam es aber noch nicht zu der Situation, dass die Handhabung für einen Startplatz entscheidend gewesen wäre.

Zweitens sind die Rekordstrafen nicht auf ein Vergehen, sondern auf mehrere zurückzuführen, die alle zu unterschiedlichen Zeitpunkten begangen oder sanktioniert werden. Ausschlaggebend ist dann die letzte ausgesprochene Einzelstrafe. Wer diese zu einem späteren Zeitpunkt erhält, muss in der Startaufstellung einem virtuell identisch platzierten und ebenfalls sanktionierten Konkurrenten den Vorzug lassen.

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