• 01. September 2015 · 09:48 Uhr

Derek Bell: "Stefan Bellof war wie ein Wildpferd"

Erinnerungen zum 30. Todestag von Stefan Bellof: Ex-Porsche-Teampartner Derek Bell über die Zusammenarbeit und die angeblichen Versäumnisse des Umfeldes

(Motorsport-Total.com) - Der Spätsommer 1985 war für viele Motorsportfans in Deutschland von tiefer Trauer geprägt. Am 12. August jenes Jahres verlor Manfred Winkelhock bei einem Sportwagenrennen in Mosport (Kanada) sein Leben. Sein Formel-1- und Sportwagen-Konkurrent Stefan Bellof verstarb genau drei Wochen später bei einem Lauf zur Sportwagen-WM in Spa-Francorchamps. Dieser 1. September 1985 ist vielen Fans in Erinnerung geblieben. Bellof galt als eines der größten Talente seiner Zeit.

Foto zur News: Derek Bell: "Stefan Bellof war wie ein Wildpferd"

Derek Bell und Stefan Bellof feierten im Porsche viele gemeinsame Erfolge Zoom Download

"Ich war erheblich älter als er. Wir haben uns zum Spaß Vater und Sohn genannt. Das passte auch mit den Namen: Bell und Bellof", sagt Derek Bell im Gespräch mit 'Motorsport-Total.com'. Der Brite war 1983 und 1984 Teampartner von Bellof in der Porsche-Werksmannschaft. "Vater und Sohn" teilten sich einen Rothmans-956, der junge Deutsche lernte viel vom erfahrenen Briten. "Ich konnte damals meinen Teamkollegen wählen und habe mich bewusst für Stefan entschieden. Er war jung und dermaßen talentiert."

"Er war unfassbar schnell - und er hätte auch so unglaublich gut sein können", sagt Bell und deutet somit an, dass Bellof neben schierem Speed auch seine Schwächen hatte. "Ich bin der Überzeugung, und das habe ich oft genug gesagt, dass ihn sein Umfeld etwas im Stich gelassen hat. Er hätte kontrolliert werden müssen. Man hätte ihm wie bei einem Rennpferd quasi das Zaumzeug anlegen müssen, vielleicht sogar zusätzlich noch Scheuklappen. Als Fahrer will man immer erfahren, wie schnell es maximal geht."

Bell hatte John Wyer im Hintergrund, der ihm nicht nur seinen ersten von fünf Le-Mans-Siegen 1975 im Gulf GR8 ermöglichte, sondern den Rennfahrer aus Middlesex auch phasenweise bremste und beruhigte. Eine ähnliche Leitfigur hätte auch Bellof benötigt. "Ich werfe niemandem etwas vor, bin aber davon überzeugt, dass Stefan etwas unter Kontrolle gehalten werden müssen. Ken Tyrrell hat das gemacht. Im Tyrrell hatte Stefan kaum mal einen Zwischenfall, aber in anderen Autos."

Der Himmelsstürmer: Keine Grenzen wurden akzeptiert

"Alle wollten doch damals sehen, wie schnell er den 962 bewegen kann", sagt Bell und erinnert an Bellofs wilde Rekordjagd 1983 auf dem Nürburgring. Im Mai jenes Jahres umrundete der Gießener im Porsche 956 die Nordschleife im Training in sagenhaften 6:11.13 Minuten. Im Rennen fuhr er der Konkurrenz in großen Schritten auf und davon, verbesserte den Rundenrekord im Rennen auf 6:25.91 Minuten. Bellof wollte noch mehr, die Fans und Beobachter ebenso. Lasst das Pferd rennen.

"Ich hatte Stefan so ein ganz wenig unter Kontrolle, aber trotzdem ist der Crash damals am Nürburgring passiert. Wir lagen schon mit vier Minuten Vorsprung in Front. Das Team hätte sagen müssen, dass es reicht, aber alle wollten sehen, wie schnell es geht und wie weit wir davonfahren können. Es gibt aber für alles immer ein Limit", erinnert sich Bell an das jähe Ende der wilden Hatz in der Eifel. Bellof war ihn Führung liegend abgeflogen, hatte sich überschlagen. "Bin gefahren wie immer", so seine Aussage anschließend.


Fotostrecke: Die Karriere von Stefan Bellof

Mit der gleichen Attitüde ging Bellof an all seine Rennen. Immer das Maximum, das Limit Stück für Stück immer weiter verschieben. Das Talent bot kaum Grenzen, die Physik allerdings schon. Auf brutale Weise wurde dies am 1. September 1985 in Spa-Francorchamps deutlich, als Bellof im Porsche-internen Duell im Rennen in der Eau Rouge außen an Markenkollege Jacky Ickx vorbeiziehen wollte. "Dort kann man nicht überholen", so die einstimmige Einschätzung zahlreicher Sportwagenpiloten jener Zeit.

Die Stimmung zwischen dem jungen, wilden Bellof und dem alten Haudegen und Porsche-Platzhirsch Ickx war seit Monaten schlecht gewesen. Knackpunkt war wohl der verregnete Formel-1-Grand-Prix von Monaco 1984, in dem Bellof im unterlegenen Tyrrell auf Rang drei nach vorn fahren konnte. Der Deutsche war auf dem besten Weg, die führenden Alain Prost und Ayrton Senna zu bedrängen. Da brach der Rennleiter den Lauf plötzlich ab und setzte der Jagd von Bellof ein Ende. Rennleiter war damals ein gewisser Jacky Ickx.

Überholmanöver: Der fatale Fehler in Eau Rouge

Fortan nannte Bellof seinen Porsche-Kollegen aus Belgien nur noch "Jakob" und brachte die Le-Mans-Legende damit regelmäßig auf die Palme. Das deutsche Ausnahmetalent wollte es dem stolzen Belgier bei jeder Gelegenheit zeigen - so vielleicht auch in Spa 1985. Ein Überholmanöver gegen Ickx bei dessen Heimspiel - nicht nur irgendeines: außen in Eau Rouge am Superstar vorbei. Das wäre es gewesen. Aber es klappte nicht. Die beiden Porsches kollidierten. Bellof verstarb im Wrack des Porsche 956.

"Ich wusste sofort, dass es vorbei ist. Stefan hatte keine Chance", erinnert sich Porsche-Teamkollege Jochen Mass, der sofort zum Unfallort geeilt war. "Man sieht das Auto und weiß, was Sache ist. Man hat so etwas zu oft gesehen. So etwas kann man nicht überleben." Nur kaum jemand hätte sich ein solches jähes und tragisches Ende des beeindruckenden Aufstiegs eines neuen deutschen Motorsporthelden vorstellen können. Einige hatten es jedoch befürchtet.


Stefan Bellof - Mit Vollgas in den Tod

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"Ihm hat man den Hof gemacht, es gab unendlich viele Schulterklopfer. Ich bin nicht verbittert darüber. Was mich traurig macht, ist sein früher Tod", sagt Derek Bell. "Ich will nicht lautstark kritisieren. Ich sage rückblickend aber, dass wir hätten mehr unternehmen müssen, um ihn einzufangen. Er war ein Wildpferd, dass erst einmal gezähmt werden musste." Man hätte dem jungen Deutschen beibringen müssen, Grenzen rechtzeitig zu erkennen und zu akzeptieren, meint der Brite.

"Er hatte vorher schon ein komisches Gefühl", sagt seine langjährige Lebensgefährtin Angelika Grohs. "Er hat die Angst weggelacht, hatte aber innerlich Respekt vor Spa. Wir alle wussten, dass die Eau Rouge mit diesen Autos ein Wahnsinn ist. Ich habe an der Box gestanden, sah die beiden Porsches vorbeikommen und habe gewartet, dass ich sie nach Eau Rouge oben auf dem Berg wieder sehe. Aber sie kamen nicht. In Spa hat sich mein Leben verändert. Wir hatten noch so viel vor, aber es kam anders..."

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