Formel-1-Technik: Kühlung in Malaysia im Blickpunkt

Im tropischen Glutofen von Malaysia spielt die Kühlung eine wichtige Rolle: Mercedes denkt aber nicht an das Auto, sondern auch an die Mechaniker

von · 23.03.2015 · 16:01 Uhr

(Motorsport-Total.com) - Die Kühlung ist eine der größten Herausforderungen in der neuen Hybrid-Ära der Formel 1. Durch den Wechsel des Verbrennungsmotors (ICE) von einem V8 mit 2,4 Litern zu einem V6 mit 1,6 Litern sowie dem damit verbundenen Anstieg von Leistung pro Liter laufen die Motoren heißer. Weitere Hitze entsteht durch den Turbolader.

Die im Seitenkasten verbauten Kühler müssen in Malaysia viel leisten

Die Antriebseinheit ist gänzlich anders aufgebaut als ihr Vorgänger. Es gibt mehr Hybridsysteme, ein komplexeres Auspuffsystem und der Ladeluftkühler, der für den Turbolader benötigt wird, trägt ebenso zu den Kühlanforderungen des Autos bei.

Der richtige Umgang mit der Hitze sorgt nicht nur für ein intaktes Auto, sondern spielt auch bei der Performance und der Effizienz eine wichtige Rolle. Wenn die Hitze zum Beispiel im Auspuffbereich zwischen dem Motor und dem Turbolader gesenkt werden kann, kann diese möglicherweise durch die MGU-H zurückgewonnen werden. Dies würde zu einem erhöhten Energiegewinn und einem insgesamt höheren Effizienzgewinn führen.

Konstante Temperatur in Malaysia ein Vorteil

Auch die Fahrer müssen in der Hitze einen kühlen Kopf bewahren

Dabei gibt es zwei gegensätzliche Einflüsse. Der erste konzentriert sich darauf, dass jede der Komponenten innerhalb eines optimalen Temperaturfensters funktioniert. Der andere ist dafür verantwortlich, die Kühlsysteme so zu gestalten, dass sie keinen negativen Einfluss auf die aerodynamische Effizienz des Autos nehmen.

Gemeinsam mit anderen Austragungsorten sind die Anforderungen an effiziente Kühllösungen in Malaysia besonders hoch. Das Land ist für sein Klima bekannt und stellt in diesem Bereich sowohl für das Team als auch für die Fahrer eine der größten Herausforderungen des Jahres dar.

Anders als in Melbourne sind die Temperaturen in Sepang relativ konstant. Die Umgebungstemperatur liegt meistens zwischen 30 und 32 Grad. Somit kann die Kühlung des Autos mit recht hoher Genauigkeit maßgeschneidert werden. Während die Motoren unter diesen Bedingungen eine andere Lebensdauer aufweisen, wissen die Teams zumindest, worauf sie sich einstellen müssen. Anders als in Melbourne müssen sie nicht mit Temperaturschwankungen von bis zu zehn Grad rechnen.

Wie kühlt man das Auto im Stand?

Auch mit Laubbläsern wird den Autos Luft zugeführt

Dennoch bleibt eine merkliche Herausforderung bestehen, um ein Überhitzen ohne die Hilfe des Luftflusses rund um das Auto und in die Lufteinlässe zu verhindern - zum Beispiel im Stand. Wenn man sicherstellen kann, dass die optimalen Temperaturen so schnell wie möglich wiederhergestellt werden können, etwa nach einem Qualifying-Versuch, kann dies zu einer zusätzlichen Chance führen. Ebenso kann es von Vorteil sein, die gesamten Fahrzeugtemperaturen in der Startaufstellung auf sehr niedrige Werte zu bringen. Jedes dieser kleinen Elemente kann ein wichtiger Teil im großen Ganzen der Gesamtperformance an einem Rennwochenende darstellen.

An diesem Punkt können Onboard-Kühlsysteme eine wichtige Rolle spielen. Sie ersetzen den Luftfluss, der durch die Bewegung des Autos entsteht, durch eine künstliche Alternative. Die Umgebungstemperatur kann an Strecken wie in Sepang bis zu 40 Grad Celsius erreichen. Die Temperaturen am Auto steigen sogar auf bis zu 75 Grad Celsius und die Arbeitstemperatur der Kühler in den Seitenkästen kann mehr als 120 Grad Celsius betragen.

Dies spielt auf Strecken wie Sepang eine so wichtige Rolle, dass Mercedes den offiziellen Team-Partner ebm-papst zu Rate gezogen hat, um Hochleistungs-Ventilatoren mit hoher Effizienz zur Verfügung zu stellen. Der Einsatz von Kühlgeräten an den Seitenkästen und auf dem Überrollbügel ermöglicht eine Steigerung der Kühlung des W06 Hybrid um 518%.

Luftfeuchtigkeit spielt (für die Technik) keine große Rolle

Hinzu kommt in Malaysia die berüchtigte Luftfeuchtigkeit. Deren Einfluss auf die Kühlung des Autos ist nicht so bedeutend wie jener der Umgebungs- oder Streckentemperatur. Aus Sicht des Teams ist ihre Wirkung jedoch entscheidend.

Nico Rosberg rennt die Twin Towers hinauf

Video wird geladen…

Der Mercedes-Star gönnt sich in Malaysia ein Workout der besonderen Art: 2170 Stufen aufwärts im ehemals höchsten Gebäude der Welt Weitere Formel-1-Videos

In der Box nehmen die beiden Autos, eine Vielzahl an Mechanikern, etliche Aerodynamik-, Elektronik und IT-Spezialisten sowie die Ersatzteile und Reifen viel Platz ein. Die Vorderseite ist jedoch stets offen, sodass dort Hitze einströmen kann. In Malaysia und Singapur können die Arbeitstemperaturen in der Box sogar 40 Grad Celsius überschreiten. Die Luftfeuchtigkeit beträgt dort oft mehr als 90 Prozent.

Der Mensch spürt die Luftfeuchtigkeit besonders stark. Sie führt oftmals zu Problemen bei der Anpassung und manchmal sogar zu Atembeschwerden. Inmitten all der technischen Überlegungen vergisst man nur allzu leicht, dass in der Box und im Cockpit Menschen bei sehr schwierigen Bedingungen Spitzenleistungen erbringen.

Klimaanlage für die Mechaniker

Der entwässernde Effekt des Klimas ist bei Rennen wie in Singapur und Malaysia so stark, dass ebm-papst von Mercedes erneut damit beauftragt wurde, eine innovative Kühlungs- und Wärmeabzugs-Lösung für die Box zu entwickeln. Dies ist eine entscheidende Entwicklung zur Verbesserung der Arbeitsbedingungen für die Teammitglieder und Fahrer.

Solche Lösungen bieten nur kurzzeitig Abkühlung

Die speziell entwickelte, wassergekühlte Klimaanlage kommt beim Großen Preis von Malaysia 2015 zum ersten Mal zum Einsatz. Sie kühlt die kritischen Arbeitsbereiche der Box auf Raumtemperatur herunter. Die Einheit ist 1x2x0,9 Meter groß und besitzt ein modulares Druckluftverteilungssystem. Das Klima-Modul kann in den unterschiedlich großen Formel 1-Boxen in aller Welt eingesetzt werden.

Der Einfluss einer solchen Boxen-Kühlung wird den Fahrern nicht verborgen bleiben. Selbst bei den fittesten Piloten im Feld führt die physische Anstrengung hinter dem Lenkrad während eines typischen Malaysia-Grand-Prix zu einem Herzschlag von bis zu 170 Schlägen pro Minute. Dabei verbrennt der Fahrer bis zu 1.500 Kalorien und verliert in Folge dessen rund drei Liter an Körperflüssigkeiten.

Fahrer verlieren drei Liter Flüssigkeit im Rennen

Die schlimmsten Auswirkungen der hohen Luftfeuchtigkeit spüren die Fahrer jedoch, wenn sie an die Box zurückkehren. Dann erlischt der Luftfluss um sie herum. Stattdessen müssen sie plötzlich mit einer enormen Wärmeabweisung und Transpiration klarkommen.

In der Hitze des Gefechts gilt in Malaysia das Gesetz des Stärkeren, und zwar bei Mensch und Maschine. Darüber hinaus ist es ein Beispiel dafür, was selbst unter den extremsten Bedingungen erreicht werden kann - quasi die Essenz der Formel 1!