• 21. November 2013 · 18:47 Uhr

Lopez: "Eine einzige Frage hat Kimi-Gate ausgelöst"

Genii-Boss Gerard Lopez gibt "zum ersten Mal" alle Hintergründe zur Gehalts-Farce um Kimi Räikkönen preis - War es eine Verkettung von Missverständnissen?

(Motorsport-Total.com) - Der Fall Kimi Räikkönen beschäftigt die Formel 1 seit Monaten. Auch bei den Fans scheiden sich die Geister: Die einen haben Verständnis, dass er Medientermine schwänzt, es sich nicht gefallen lässt, wenn er am Funk auf drastische Art und Weise angewiesen wird, seinen Teamkollegen vorbeizulassen und sich schließlich zwei Rennen vor Schluss einer Rückenoperation unterzieht und damit sein Team im Sticht lässt. Der Grund: Der Weltmeister 2007 hat vom maroden Lotus-Team dieses Jahr noch kein Gehalt bekommen. Andere finden sein Verhalten trotz der Umstände unprofessionell.

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Lopez nimmt Räikkönen übel, in Ungarn das ausbleibende Gehalt bestätigt zu haben Zoom Download

Doch was lief wirklich hinter den Kulissen ab? War es gerechtfertigt, dass der beliebteste Formel-1-Fahrer der Gegenwart sein Team öffentlich bloßstellte, schließlich gibt es auch andere Piloten, deren Teams mit den Gehaltszahlungen im Rückstand sind? 'Motorsport-Total.com' hat versucht, der Sache auf den Grund zu gehen - und die Sichtweise von Genii-Boss Gerard Lopez eingeholt. "Das ist das erste Mal, dass ich alle Zusammenhänge erkläre", sagt er. "Ich bin es wirklich leid." Die Investmentfirma des Luxemburgers ist Besitzer des Lotus-Rennstalls und damit auch für die Finanzen zuständig.

Lopez beteuert: Verhältnis zu Räikkönen intakt

Er stellt klar, dass sein Verhältnis zu Räikkönen trotz der Turbulenzen der vergangenen Wochen, die vor allem seinem Team geschadet haben, nach wie vor intakt ist. "Kimi ist mein Freund", beteuert Lopez. Er zeigt eine Nachricht auf seinem Handy: "Nimm es leicht... vier bis sechs Wochen... dann gibt es eine erneute Untersuchung... Alles Gute für die letzten zwei Rennen". Das habe ihm Räikkönen geschrieben, als Lopez ihn fragte, wie so viel Zündstoff zwischen Lotus und dem Starpiloten in den Medien habe entstehen können.

Doch damit nicht genug. Auch als der 34-Jährige den Entschluss gefasst hatte, Lotus zu verlassen, und bei Ferrari unterschrieb, soll ihm durchaus bewusst geworden sein, welches Umfeld er damit aufgibt. "Er hat mich am Tag der Vertragsunterzeichnung angerufen", erinnert sich Lopez. "Mit Bedauern. Ob er es immer noch bedauert oder nicht, spielt nicht wirklich eine Rolle. Er hat mich angerufen, weil er weiß, dass er so ein Umfeld wie hier nie mehr bekommt. Das ist eine Tatsache. Nie mehr."

Hatte Räikkönen bei Lotus enorme Privilegien?

Damit spielt Lopez auf die enorme Toleranz an, die das Team aus Enstone Räikkönen entgegengebracht hat. Angeblich soll der Sieger des Auftaktrennens 2013 schon mal bei einem Teambriefing eine Zigarette geraucht oder einen Schluck getrunken haben - sein Verhalten wurde von Teamchef Eric Boullier stets geduldet.

"Er hat im wahrsten Sinne des Wortes so manche Grenzen überschritten."Gerard Lopez
Auch im Umgang mit Sponsoren trieb Räikkönen sein Team angeblich zur Weißglut. Kurz vor einem Videodreh für einen Shampoo-Sponsor des Rennstalls soll er sich die Haare kurz schneiden haben lassen. "Es war nicht einfach", seufzt Lopez, fügt aber hinzu: "Wir haben Verträge, und über gewisse Dinge dürfen wir nicht sprechen."

Er geht einen Schritt weiter: "Kimi ist schwierig", sagt er. Und bestätigt indirekt die Gerüchte, die sich im Fahrerlager halten. "Wir haben ihm ein Umfeld geboten, wo nicht nur manchmal die Grenze erreicht wurde, sondern er im wahrsten Sinne des Wortes so manche Grenzen überschritten hat. Wir haben das akzeptiert, denn er hat uns im Gegenzug auch viel gegeben. Andere Fahrer, die auch viel geben, erhalten aber nicht diese Freiheit. Wir sind diesbezüglich wohl etwas speziell."

Gehalt am Ende der Saison: War alles ausgemacht?

Dass Räikkönen aber tatsächlich kein Geld erhalten hat, darf auch als etwas speziell erachtet werden. Da darf es nicht verwundern, dass der Siegfahrer aus Espoo verschnupft ist. Lopez gibt sich aber durchaus verwundert über das Verhalten Räikkönens, Lotus öffentlich bloß zu stellten und dem Team damit einen Imageschaden zuzufügen - gerade in Zeiten, in denen ein Team ums Überleben kämpft, ein harter Schlag.

"Es gab kein schriftliches Abkommen darüber, aber wir hatten uns zumindest mündlich darauf geeinigt."Gerard Lopez
Für den Genii-Manager ist die Situation identisch mit dem Vorjahr, als sein Fahrer keinen medialen Wirbel erzeugte. "Wir haben uns darauf geeinigt, die Entwicklung des Autos auszuloten und ihn am Ende der Saison zu bezahlen", erklärt er. Hintergrund: Genii schießt laut eigenen Angaben stets am Ende des Jahres Geld zu, um damit den Schuldenberg des Teams abzuzahlen. Diese Strategie habe man sich angewöhnt, um sich während der Saison voll auf die Performance konzentrieren zu können.

Räikkönen selbst habe dieser Herangehensweise zugestimmt. Dieses Jahr sei man bei der Entwicklung laut Lopez sogar noch einen Schritt weiter gegangen, um tatsächlich um den WM-Titel fahren zu können. "Er hat nie gesagt, dass sein Gehalt das Wichtigste sei, sondern, dass sich das Team gut schlägt und er ein konkurrenzfähiges Auto hat", blickt Lopez auf die Gespräche vor der Saison 2013 zurück, wo sich die beiden aus seiner Sicht absolut einig waren. "Es gab kein schriftliches Abkommen darüber, aber wir hatten uns zumindest mündlich darauf geeinigt", verweist er auf die verspätete Gehaltszahlung.

Lopez: Thema wurde von den Medien aufgebauscht

Doch dann gerieten die Dinge außer Kontrolle. Bei den Vertragsverhandlungen wurde man sich nicht einig, weil Lotus die Option zunächst verstreichen ließ und ein anderes Vertragsmodell vorschlug. Hintergrund: Da sich das Team aus Enstone im Vorjahr selbst unterschätzte und den damals als lethargisch geltenden Finnen motivieren wollte, hatte man sich 2012 auf einen Vertrag mit enormen Erfolgsprämien geeinigt. Das kam dem Team im Nachhinein teuer. Räikkönen nahm das neue Angebot von Lotus nicht an und lief zu seinem Ex-Team Ferrari über.

"Alles ist wie im Vorjahr - außer dass Kimi diese Frage gestellt wurde und er die Frage ehrlich beantwortet hat."Gerard Lopez
"Vielleicht war unser Angebot nicht gut genug", gibt Lopez zu. "Aber ab diesem Zeitpunkt lief vieles über die Öffentlichkeit ab." Daran hat laut dem Genii-Boss Räikkönen großen Anteil: "Wenn er nicht bezahlt wird, und man fragt ihn, ob er bezahlt wurde, dann sagt er nein. Andere Fahrer sind da klüger. Und so wurde aus einer internen Angelegenheit, die noch dazu mit der Situation im Jahr davor identisch war, wahrscheinliche eine der größten Storys dieser Formel-1-Saison."

Auch mit den Medien geht er ins Gericht. "Sebastian Vettel wurde überlegen Weltmeister, das wussten wir im Vorhinein, Red Bull tat sich auch leicht - also muss man woanders Storys finden. Und 'Kimi-Gate' wurde der große Skandal. Dabei ist alles gleich wie im Vorjahr - außer dass ihm diese Frage gestellt wurde und er die Frage ehrlich beantwortet hat, was er auch im Vorjahr hätte tun können, doch niemand hat ihm die Frage gestellt."

Wie Lopez den Brand löschte

"Wir haben uns mit Kimi auf ein Bezahlungsschema geeinigt."Gerard Lopez
Die Sache nahm ihren Lauf, ehe sich sogar Bernie Ecclestone einschaltete. Der Brite übte heftige Kritik an Lotus und meinte, dass er dazu bereit wäre, Räikkönens Gehaltsanteil von Lotus' TV-Geldern abzuziehen, damit dieser zu seinem Geld kommt. In Abu Dhabi, als der Lotus-Pilot dem Medientermin am Donnerstag fernblieb, einigte man sich aber schließlich.

"Wir haben uns zusammengesetzt und gesagt: 'Wir sollten die Sache nicht den Journalisten überlassen. Was machen wir? Wann sollen wir dich bezahlen?' Und das war es", gibt Lopez Einblicke. Man habe sich nun auf ein "Bezahlungsschema geeinigt. Und das ist nicht anders als das im Vorjahr." Ecclestone habe damit nichts zu tun gehabt, meint der Luxemburger. Also alles Eitel Wonne?

Lopez verteidigt Permane-Funkspruch

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In Indien kam es trotz Funkspruchs beinahe zum Crash der Lotus-Piloten Zoom Download

Schwer zu sagen, denn beim Rennen davor waren sogar die TV-Zuschauer Zeugen gewesen, dass sich in der Beziehung zwischen Lotus und Räikkönen Risse aufgetan hatten. Räikkönen wurde von Chefingenieur Alan Permane in der Endphase des Grand Prix von Indien aufgefordert, "verdammt noch mal Platz zu machen", weil Teamkollege Romain Grosjean mit frischeren Reifen deutlich schneller fahren konnte. Räikkönen blieb allerdings stur, ließ es beinahe zur Kollision kommen, und erklärte dies später damit, dass ihm das Team in Hinblick auf seine Gage auch nicht entgegen gekommen sei.

Lopez ist der Meinung, dass auch diese Story hochgespielt wurde. "Ihr könnt euch gar nicht vorstellen, was sich Romain im Vorjahr anhören musste, als es nicht gut lief", verweist er auf die zahlreichen Kollisionen, in die der Franzose verwickelt war. "Kommt schon! Wir sind hier nicht im Kindergarten. Der Druck ist groß, und es stehen gute Ergebnisse auf dem Spiel."

Lotus stolz auf Räikkönen-Ära: Kritiker lügen gestraft

Und dann wäre da noch Räikkönens eigentümlicher Charakter, der laut Lopez ebenfalls eine Rolle spielte. "Er ist einerseits der Iceman, ein lustiger Kerl, aber er kann auf der anderen Seite auch sehr hart sein", beschreibt er seinen Piloten. "Und wenn man ihm sagt, dass er Platz machen soll, weil jemand überholen will, dann kommt das bei ihm nicht sehr gut an."

"Die Leute, die ihn jetzt verpflichtet haben, haben gesagt, dass er zu fett und nicht motiviert ist."Gerard Lopez
Trotz der leidigen Ereignisse blickt Lopez nun ohne Reue und böses Blut - und vor allem ohne schlechtes Gewissen - auf die Ära Räikkönen zurück. "Ferrari hat ihn nicht genommen, als er noch Rallyes fuhr", ist er stolz darauf, seinem Piloten zu einem erfolgreichen Comeback verholfen zu haben.

"Die Leute, die ihn jetzt verpflichtet haben - und andere -, haben gesagt, dass er zu fett und nicht motiviert ist, dass er nie wirklich motiviert war, dass er nicht hart arbeitet und die Formel 1 sich seit seinem Abgang weiterentwickelt hat", sagt Lopez. "Es ist ein extrem gutes Gefühl, dass wir bewiesen haben, die richtigen Entscheidungen zu treffen. Wir haben ihm ein Auto gegeben, mit dem er um Siege kämpfen kann. Es tut mir Leid, dass er geht, aber es freut mich, dass Ferrari herkommen und einen unserer Fahrer nehmen musste."

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