Symonds: "Der Marussia hätte 2003 alles gewonnen"

Marussias Technikchef Pat Symonds ist überzeugt, dass der MR02 noch vor zehn Jahren alles gewonnen hätte und spricht über die Entwicklung der letzten 30 Jahre

von Norman Fischer · 16.07.2013 08:58

(Motorsport-Total.com) - Marussias Technikchef Pat Symonds ist in seinem Bereich ein alter Hase. Schon 1982 folgten bei Toleman seine ersten Formel-1-Versuche. Als Renn- und Chefingenieur erlebte der Brite beim Team, das später in Benetton und Renault umgewandelt wurde, seine erfolgreichste Zeit, bis seine Laufbahn nach der Crashgate-Affäre eine erzwungene Auszeit nehmen musste. Mittlerweile ist Symonds am Ende des Feldes angekommen, bei Marussia erwartet ihn die schwierige Aufgabe, mit geringem Budget und Personal zurechtzukommen.

Pat Symonds muss sich bei Marussia nicht an einen großen Personalstamm gewöhnen

Im Vergleich zu Teams wie Red Bull, Ferrari oder Mercedes kann das kleine Team aus Banbury mit seinem Budget von 62 Millionen Pfund (rund 71 Millionen Euro) und dem Personalangebot von 180 Leuten heute nicht mithalten, und auch der MR02 ist 2013 nicht konkurrenzfähig. Das wirft die Frage auf, was Marussia mit dem gleichen Wagen vor zehn, 20 und 30 Jahren hätte bewerkstelligen können. Die überraschende Aussage: "Wir hätten alles gewonnen. Sogar 2003", sagt Symonds gegenüber 'auto motor und sport'. Der Marussia sei somit stärker als der Ferrari 2003-GA, der Williams FW25 oder der McLaren MP4-17D.

"Natürlich gab es 2003 viel stärkere Motoren als heute und andere Reifen. Das müssen wir abziehen", relativiert der Brite ein wenig. "Aber ich kenne die Unterschiede an Abtriebswerten. Unser Marussia hat deutlich mehr Abtrieb als der 2003er Renault, obwohl sich seitdem die Regeln zu Ungunsten der Aerodynamik geändert haben." Die Entwicklung in zehn Jahren Formel 1 macht es möglich.

Symonds glaubt, dass die heutigen Spitzenautos sogar den Boliden von 2008 in puncto Abtrieb weit überlegen sind. "Dabei waren damals die Aerodynamikregeln viel freizügiger. Allein 2009 wurden uns durch die Regeländerungen 50 Punkte Abtrieb gestohlen", sagt er. Und Marussia vor 30 Jahren? "1983 hätte man Ihnen magische Kräfte nachgesagt, hätten Sie einen Marussia produziert", so Symonds.

Doch die Zeiten ändern sich eben und die Entwicklung schreitet unaufhaltsam voran. Bei Benetton habe er vor 20 Jahren noch mit rund 200 Leuten im Team auskommen müssen, zehn Jahre später bei Renault waren es schon 400. Und auch heute stocken die Topteams mächtig auf: 650 Mitarbeiter soll beispielsweise Red Bull in seinem Rennteam beschäftigen. Die vielen Ingenieure seien auch der Grund, warum man heute kaum noch technische Probleme an den Fahrzeugen sieht - anders als in den 90er Jahren.

"Es waren einfach nicht genügend Ingenieure vorhanden, Probleme zu beheben", erzählt Symonds. "Da hat halt dann die Standfestigkeit der Autos gelitten." Und natürlich spielte auch das kleinere Budget eine Rolle. "Das wird heute nicht mehr akzeptiert. Es wird analysiert, analysiert und nochmal analysiert, bis der Grund für einen Schaden oder für verlorene Rundenzeit gefunden ist." Doch mit der Aufstockung der Budgets kam nicht nur die Verbesserung der Zuverlässigkeit - auch das Entwicklungstempo wurde massiv angezogen. Kleine Teams können da fast nicht mehr mithalten.

Schon zehn Jahre her: 2003 holte Fernando Alonso in Ungarn seinen ersten Sieg

"Wenn ich auf die Mitte der 90er Jahre zurückblicke, als Benetton mit Michael Schumacher zwei Mal Weltmeister wurde, dann hätten Sie sich schwer getan den Unterschied dieses Benettons zwischen dem ersten und dem letzten Rennen zu sehen", so Symonds. "Vielleicht hatte sich der Frontflügel ein bisschen geändert", spricht er die unterschiedlichen Zeiten an. Heute spräche man hingegen von zwei komplett unterschiedlichen Autos. "Du bist gezwungen, jedes Rennen ein bis zwei Zehntel zu finden, sonst wirst du überrollt."

Die Teile dafür werden mit viel Liebe zum Detail über teure Systeme ausgearbeitet, 70 Leute beschäftigt Marussia allein im Designbüro. Symonds erinnert sich da gern an alte Zeiten bei Toleman. "In den 80er Jahren hatten wir vier Leute im Designbüro", schildert er fast ungläubig über die Unterschiede von damals zu heute. "Ich habe den ersten Computer für Toleman 1983 beim Detroit-Grand-Prix gekauft. Er war in den USA billiger als in England. Dann hatte ich den Computer und musste erst einmal lernen, wie er für unsere Zwecke funktioniert. Es ist die Detailversessenheit, die alles so viel größer und teurer gemacht hat."