Reifen-Affäre: Beleidigte Kinder in der Schlangengrube

Mercedes gegen den Rest der Formel-1-Welt: Besonders die Rivalen Red Bull und Ferrari sind nach der Reifen-Affäre sauer auf die Silberpfeile

von · 25.06.2013 · 16:04 Uhr

(Motorsport-Total.com) - Es sind nur ein paar Kratzer, die der silberne Lack in der Reifen-Affäre abbekommen hat. Und nach dem recht milden Urteil hofften die Bosse bei Mercedes, ihren Angriff auf die etablierten Branchengrößen Red Bull und Ferrari ungestört fortsetzen zu können - vergeblich. In den Tagen vor dem Großen Preis von Großbritannien zoffen sich die mächtigen Männer der Formel 1 wie eifersüchtige Kinder, die sich von der strengen Mutter ungleich behandelt fühlen. Irgendwie sind alle beleidigt.

Die Atmosphäre zwischen Helmut Marko und Niki Lauda ist zurzeit vergiftet

Mercedes ist pikiert über den Vorwurf der Konkurrenz, die Silberpfeile seien durch den Ausschluss vom Young-Driver-Test im Juli in Silverstone nahezu ungeschoren davongekommen. "Alles wurde hineininterpretiert, was man nur hineininterpretieren kann. Das ist in der Formel 1 so, die Schlangengrube, die Intrigen toben im Fahrerlager immer, und der Ausgang ist das einzig Entscheidende", sagt Niki Lauda, Aufsichtsratsvorsitzender des Rennstalls. Besonders Sebastian Vettels Red-Bull-Team sei "da sehr aggressiv losgegangen auf die ganze Geschichte".

Ex-Weltmeister Lauda, das sagt er jedenfalls selbst, geht es um Gerechtigkeit. Red Bull und Ferrari glauben, dass Mercedes-Pilot Nico Rosberg das prestigeträchtige Rennen in Monte Carlo nur wegen der unerlaubten Testkilometer in Barcelona gewonnen hat. "Das stimmt einfach nicht", sagt Lauda, die Silberpfeile seien schon vorher stark gewesen.

Mercedes ist sauer, weil die Rivalen sauer sind. Und im Grunde geht es nicht um Gerechtigkeit, sondern - wie immer in der Formel 1 - um verletzte Eitelkeiten, Stolz und Macht. Wurden die Stuttgarter nach ihrem Comeback in den vergangenen Jahren wegen ihren lahmenden Boliden noch belächelt, werden Rosberg und Lewis Hamilton plötzlich als Konkurrenten ernst genommen. Da ist jedes Mittel recht, um den erwachenden Riesen kleinzuhalten.


Fotos: Mercedes-Pirelli-Test in Barcelona


Red Bull und Ferrari hatten auf eine satte Millionenstrafe und einen Punktabzug für Mercedes in der Teamwertung gehofft. Entsprechend groß ist die Ernüchterung. "Wir sind frustriert darüber, dass eine Partei in allen Punkten schuldig gesprochen und dann zu einer Strafe verurteilt wird, die sie selber vorgeschlagen hat", sagt Red Bulls Motorsportberater Helmut Marko der Tageszeitung 'Die Welt'.

Der Vettel-Vertraute witzelte bereits, dass die Teams damit fast dazu eingeladen werden, das Testverbot zu brechen. Eine wirkliche Strafe sei ja nicht zu erwarten. Allerdings habe es sich bei dieser Äußerung "um Satire gehandelt. Das war eine rein sarkastische Bemerkung. Ich wollte damit zeigen, dass man das bei einem solchen Urteil locker riskieren kann." Und auch Ferrari schimpfte: Mercedes sei "ungeschoren" davongekommen, das Urteil "verwirrend".

Lauda hatte nach dem Prozess auf "Harmonie und Ruhe" gehofft. Doch stattdessen werden die Risse zwischen Mercedes und dem Rest der Formel-1-Welt immer größer. Die Atmosphäre ist vergiftet. Auch der sonst so gelassene Mercedes-Teamchef Ross Brawn ist zunehmend gereizt. Die Kritik an dem milden Urteil der Automobil-Weltverbandes FIA wies er vehement zurück. "Die Strafe ist ziemlich hart", sagte Brawn 'Autosport', "ich denke, es ist hinterhältig, den Nachwuchsfahrertest mit einem Team-Abendessen am Saisonende zu vergleichen. Wir haben dadurch einen deutlich spürbaren Verlust." Irgendwie sind eben alle beleidigt.