• 03. April 2013 · 17:01 Uhr

Pirelli: Weniger Risiko aus Angst vor schlechter Presse?

Pirelli im Reifendilemma: Warum die Red-Bull-Strategie fruchten könnte, wieso die erste Saisonhälfte oft turbulenter ist und weshalb die 2012er-Pneus keine Option sind

(Motorsport-Total.com) - Der Glutofen von Sepang bot ordentlich Zündstoff für die Reifendebatte, gilt der Kurs in Malaysia doch als eine der reifenmordendsten Strecken im Kalender. Pirelli wurde dort vor allem von Red Bull und Mercedes ordentlich in die Mangel genommen, weil die Gummigeneration 2013 laut Meinung der Kritiker "zu aggressiv" ist. Während man sich bei den "Silberpfeilen" nach dem Rennen etwas beruhigt hatte, ist das Weltmeisterteam mit der Lage weiterhin unglücklich - und hält damit nicht hinter dem Berg. "Die Pneus sind in Sachen Mischungen und Konstruktion grenzwertig", übte Teamchef Christian Horner heftige Kritik. "Es ist nicht schön, wenn ein Fahrer rund fünf Sekunden langsamer fahren muss als er könnte, damit die Reifen durchhalten."

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Ist der Pirelli-Reifen wirklich so problematisch, oder betreibt Red Bull Politik? Zoom Download

Er sieht vor allem sein Team als großen Leidtragenden, da Stardesigner Adrian Newey wie in der Vergangenheit bei seiner Philosophie vor allem auf viel Abtrieb setzte, diese Stärke des RB9 aber nur bedingt zum Tragen kommt, weil die Gummis der Belastung nicht standhalten. "Im Moment werden wir ein wenig dafür bestraft, dass wir ein gutes Auto haben, das vor allem in schnellen Kurven sehr gut geht", unkte Horner. "Wir geben unser Feedback an Pirelli, und die reagieren nach ihrer Einschätzung."

Zunächst forderte Red Bull sogar, dass der Reifenhersteller die alte 2012er-Konstruktion aus dem Museum holt, da diese weniger schnell abbaut. Doch die Italiener wehren sich dagegen, nur für ein Team alles auf den Kopf zu stellen und bringen das Argument der Gleichbehandlung. "Wenn man ein Team bevorzugt behandeln würde, wäre die Saison gelaufen", warnt Pirellis Motorsportchef Paul Hembery. "Sie wäre in Monza vorbei." Man möchte zunächst einmal die ersten vier Rennen abwarten, ehe man die Situation analysiert.

Allison klärt Missverständnis auf

Zudem ist man den Aufschrei in der ersten Saisonhälfte bereits gewohnt, während sich die Situation im Laufe des Jahres immer mehr beruhigt und die Rennverläufe berechenbarer werden. Dies klingt einleuchtend, denn die Team sammeln Rennen für Rennen Erfahrung mit dem "schwarzen Gold" der Formel 1 - irgendwann weiß man dann, wie man die Reifen am besten behandelt.

"Der Hauptunterschied zwischen dem Saisonanfang und dem Saisonende 2012 war nicht, dass die Leute die Reifen irgendwann verstanden haben."James Allison
Doch Lotus-Technikchef James Allison dementiert nun, dass dies der wahre Grund sei, warum die Rennverläufe jedes Jahr gegen Ende geordneter werden und sich das Kräfteverhältnis in einem gewohnten Bereich einpendelt. "Der Hauptunterschied zwischen dem Saisonanfang und dem Saisonende 2012 war nicht, dass die Leute die Reifen irgendwann verstanden haben", behauptet er gegenüber dem Blog von Formel-1-Reporter James Allen. "Das ist eine sehr oft angewendete Fehlinterpretation."

Er ist der Ansicht, dass Pirelli aus Angst vor negativer Berichterstattung dem Druck mancher Teams nachgibt und konservativere Reifenmischungen bringt: "Der Gummi war am Ende härter, als es die Streckenbedingungen erfordert hätten. Das führte aus meiner Sicht zu einigen unattraktiveren weniger spannenden Rennen in der zweiten Saisonhälfte."

Gibt Pirelli dem Druck von Red Bull nach?

Diesen Verlauf fürchtet der Brite auch für die aktuelle Saison, zumal die Gummis dieses Jahr besonders "heikel" sind: "Sie erfordern einen sorgsamen Umgang durch die Fahrer, ein sehr gut ausbalanciertes Auto und sorgen für Rennen, wo es viele Führungswechsel gibt, wo es nicht von vornherein klar ist, wer nach 60 Runden gewinnen wird, auch wenn es nach dem Qualifying so aussieht, als wäre das Kräfteverhältnis klar."

"Der Druck wird aber immer größer, und sie werden bei der Reifenwahl konservativer vorgehen."Mark Gillan
In die gleiche Kerbe schlägt der ehemalige Williams-Chefingenieur Mark Gillan. Er kann es sich nicht vorstellen, dass Pirelli gegen das Weltmeisterteam weiter Widerstand leisten und riskante Reifenmischungen zu den Rennen bringen wird. "Die Reifen waren beim Saisonstart ziemlich aggressiv", fällt ihm gegenüber James Allens Blog auf. "Da gab es eine große Diskrepanz zwischen dem weicheren und dem härteren Reifen. Der Druck wird aber immer größer, und sie werden bei der Reifenwahl konservativer vorgehen - wie gegen Ende der vergangenen Saison."

Comeback der 2012er-Reifen sehr unwahrscheinlich

Da die Pneus in der Formel 1 anno 2013 über Sieg oder Niederlage entscheiden, warnt Lotus-Technikchef Allison, man müsste die Ansichten der Protagonisten diesbezüglich mit Vorsicht genießen: "Es ist eine Tatsache, dass man auch von den anderen Formel-1-Teams keine objektiven Sichtweisen erhält. Die Ansichten von jedem in diesem Sport sind so sehr dadurch gefärbt, was gut für das eigene Team ist - das ist schließlich alles, was zählt. Daher sollte man auch mir nicht vertrauen, wenn es um eine objektive Sichtweise geht."

"Aus technischer Sicht würde es bei einer Rückkehr zur 2012er-Konstruktion einige Schwierigkeiten geben."Mark Gillan
Der Brite hat übrigens kein großes Problem mit der aktuellen Reifengeneration und findet, dass sie die Rennen spannender macht. Eine Ansicht, die zu erwarten war, schließlich gelang es Kimi Räikkönen in Melbourne, ohne Reifenprobleme mit einem Stopp weniger als die direkten Rivalen durchzukommen und das Rennen zu gewinnen - der Lotus E21 hatte mit Romain Grosjean schon bei den Wintertests mit einem Longrun bestochen, von dem andere Teams nur träumen konnten.

Anders ist die Situation bei Gillan. Der ehemalige Williams-Chefingenieur ist derzeit ein objektiver Beobachter der Szene. Er outet sich als Fan der Pirelli-Herangehensweise: "Als Zuschauer finde ich es sehr interessant, wie es ist." Er hält es übrigens für so gut wie ausgeschlossen, dass Pirelli die aktuellen Reifen in die Tonne wirft und noch diese Saison die auf die alte Konstruktion aus dem Vorjahr wechselt. "Aus technischer Sicht würde es da einige Schwierigkeiten geben - aerodynamische Probleme", glaubt er. "Die Seitenwände sind unterschiedlich. Das würde bei der Windkanalarbeit viele Probleme verursachen."

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