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Meinung: Tsunoda unter Druck - war Red Bulls Fahrerwechsel gerechtfertigt?
Yuki Tsunoda steht nach seinem Aufstieg ins Red-Bull-Team unter genauer Beobachtung - Ist er wirklich die bessere Wahl als Liam Lawson?
(Motorsport-Total.com) - Drei Rennen, zwei Punkte auf dem Konto. Auf den ersten Blick sehen Yuki Tsunodas Ergebnisse nicht viel anders aus als die von Liam Lawson zu Beginn der Saison, was Red Bull damals dazu veranlasste, die Fahrer zu tauschen.
Tsunoda bekam endlich seine Chance im Red-Bull-Werksteam - nach vier kompletten Saisons und zwei Rennen dieser Saison im Juniorteam. Doch die Aufgabe erweist sich als schwierig. Herausragende Ergebnisse bleiben bislang aus.
Ein magerer zwölfter Platz in Japan, zwei Punkte in Bahrain und ein Crash in der ersten Runde in Dschidda sind keine Resultate, auf die ein Red-Bull-Fahrer stolz sein kann. Dennoch hat er zumindest mehr Potenzial gezeigt als Lawson, etwa indem er Q1-Ausscheidungen vermied und zweimal Q3 erreichte.
Aber macht der Japaner genug Fortschritte, um seinen Vorgesetzten zu zeigen, dass sie mit der Beförderung richtig lagen? Unsere internationalen Experten von Motorsport.com, einer Schwesterseite von Motorsport-Total.com, gibt seine Einschätzung ab.
Ronald Vording: Ein solider Start, der Verfeinerung braucht
Als ich Helmut Marko nach seinem bisherigen Eindruck von Yuki Tsunoda fragte, antwortete er: "Positiv, aber er muss auch unter Druck in Q3 liefern lernen."
Tatsächlich war Tsunodas Q3-Leistung in Dschidda nicht ideal, aber allein die Tatsache, dass er zweimal in Folge Q3 erreichte, ist bereits ein großes Plus. Tsunoda ist sogar der erste Fahrer im zweiten Red Bull, dem das seit über einem halben Jahr gelungen ist. Das sagt viel über die Probleme aus, die das Team mit dem zweiten Cockpit hatte.
Tsunoda zeigte seinen Wert sofort, indem er "einfach da war" - und Verstappen einen entfernten Windschatten bot, der sich als entscheidend für die Poleposition herausstellte. Genau solche Dinge suchen die Red-Bull-Verantwortlichen.
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Tief im Innern weiß jeder, dass das Team aus Milton Keynes dieses Jahr nicht um den Konstrukteurstitel kämpfen wird, aber jede Hilfe für Verstappen auf dem Weg zu seinem fünften Fahrertitel in Folge ist bei Marko und Horner willkommen.
Tsunoda muss diesen Weg einfach weitergehen: regelmäßig in Q3 einziehen, solide Punkte holen und dem Team helfen, wo er kann. Die einzige Gefahr ist, dass er über das Limit geht und das ohnehin schwer zu fahrende Auto crasht - während er versucht, die letzten Zehntel im Vergleich zu Verstappen zu finden.
Doch er sollte seinen Teamkollegen nicht zu sehr im Blick haben. Wenn Tsunoda die Ruhe bewahrt, kann er zeigen, dass seine Beförderung vielleicht doch die richtige Entscheidung war - auch wenn der Umgang mit Lawson weiterhin als hart gilt.
Roberto Chinchero: Die richtige Wahl - nur zu spät
Den richtigen Teamkollegen für Max Verstappen zu finden, ist ein Problem, das Red Bull seit vielen Jahren hat. Die Entscheidung, das zweite Cockpit des RB21 Yuki Tsunoda anzuvertrauen, ist das neueste Kapitel in einer langen Seifenoper.
Aber in diesem Fall war es die richtige Wahl. Yuki hat sich bei Racing Bulls die nötige Erfahrung angeeignet und ist nun in der Lage, sich den Herausforderungen und dem Druck bei Red Bull zu stellen. Wir haben gesehen, dass er an den letzten beiden Rennwochenenden Q3 erreichte. Das verdeutlicht: Je besser er das Auto versteht, desto eher wird er in der Lage sein, Punkte für das Team zu holen.
Die Entscheidung für Tsunoda war korrekt. Der Fehler wurde im letzten Dezember gemacht, als Helmut Marko und Christian Horner entschieden, Liam Lawson zu befördern - obwohl er nie eine komplette Formel-1-Saison bestritten hatte.
Ohne die nötigen Grundlagen war Lawson einer nahezu unmöglichen Aufgabe ausgesetzt - und wurde nach nur zwei Rennwochenenden gedemütigt.
Red Bull sucht weiterhin den neuen Verstappen, indem man die Methode repliziert, die bei Max funktioniert hat - und nur bei ihm. Dabei verbrennt man Fahrer, die unter anderen Bedingungen vielleicht deutlich mehr hätten leisten können.
Jose Carlos de Celis: Die Leistung hinkt hinterher
Yuki Tsunodas erste Rennen mit Red Bull haben Hoffnungen geschürt, die sich bislang erfüllt blieben. Nach seinen ersten Punkten in Bahrain endete sein Sonntag in Dschidda bereits wenige Sekunden nach dem Start - nicht ideal, wenn man alle schnell davon überzeugen will, dass man die richtige (vielleicht überstürzte) Wahl war.
Ja, bis zum dritten freien Training in Saudi-Arabien schien er näher an Verstappen dran zu sein. Doch dann kam das Qualifying mit fast einer Sekunde Rückstand, was bei Red Bull unter Helmut Marko nie akzeptabel war. Trotzdem qualifizierte er sich in den Top 10, was ihn in eine Position brachte, um im Rennen Punkte zu holen - und damit seine Beförderung dann doch noch zu rechtfertigen.
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Tsunodas Vorteil ist ein zweifacher: Einerseits zeigt Liam Lawson bei Racing Bulls ebenfalls nicht, dass seine Degradierung ungerechtfertigt war. In Dschidda wurde er erneut vom jungen Isack Hadjar geschlagen - möglicherweise der nächste Kandidat, falls Red Bull einen weiteren Wechsel in Betracht zieht.
Andererseits gilt: Zwei Fahrerwechsel im selben Jahr - das wäre selbst für Red Bull zu viel. Solange das Team nicht plant, ihn aus dem RB21 zu werfen, hat Tsunoda Zeit - aktuell noch 19 Rennen und damit deutlich mehr, als Lawson gegeben wurde.
Doch rein zahlenmäßig hat Tsunoda nur zwei Punkte mehr geholt als Lawson - obwohl er ein Rennen mehr bestritten hat (zwei Punkte in drei Rennen versus null Punkte in zwei Rennen). Das ist kaum der Beitrag, den Red Bull sich wünscht - insbesondere im Kampf um die Fahrerwertung mit Verstappen, während man gleichzeitig Gefahr läuft, auf Platz vier in der Konstrukteurswertung zurückzufallen.
Oleg Karpov: Am Rande des Durchbruchs, aber der Druck steigt
Man kann sagen, dass Tsunodas erste Einsätze für Red Bull nicht großartig waren. Aber es gibt mildernde Umstände, die dafür sprechen, dass seine Leistungen gerade noch akzeptabel waren. Er wurde kurz vor einem Tripleheader ins schwierigste Cockpit der Formel 1 katapultiert - kein besonders einladendes Szenario.
Das größte Problem bisher war das Qualifying. Tsunoda hat zwar zweimal Q3 erreicht, aber der Abstand zu Verstappen ist weiterhin zu groß - und er saß in allen drei Rennen hinter langsameren Autos fest. Daran muss vorrangig gearbeitet werden, und Red Bull hat versucht, das mit einer Testsession vor Miami auch zu tun.
Tsunoda braucht eindeutig mehr Zeit. Die vorsichtigen Kommentare der Red-Bull-Bosse deuten darauf hin, dass sie etwas Druck von ihm nehmen wollen, nachdem es sich für Liam Lawson als unmöglich erwies, damit umzugehen. Es gibt Anzeichen, dass Tsunoda kurz vor einem Durchbruch steht, da er in einigen Sessions bereits ein gutes Tempo gezeigt hat - aber er muss es auch in den entscheidenden Momenten umsetzen.
Das anstehende Formel-1-Wochenende in Miami ist ein Sprintwochenende. Das hießt: weniger Trainingszeit, aber mehr Gelegenheiten, sich in wichtigen Sessions zu beweisen. Genau das muss Tsunoda nutzen. Doch der nächste Schritt ist zwingend notwendig - je länger er auf sich warten lässt, desto größer wird der Druck.