Wer letzte Nacht am besten geschlafen hat: Donald Trump

Make McLaren Great Again! Lando Norris feiert in Miami seinen ersten Sieg - und lässt sich dabei von Donald Trump für billige Wahlkampfpropaganda missbrauchen

von Frederik Hackbarth · 06.05.2024 08:42

(Motorsport-Total.com) - Liebe Leserinnen und Leser,

Fingerzeig der anderen Art: Donald Trump macht Lando Norris (wieder) "great"

eines muss man Donald Trump ja lassen: Sich mit seiner Gesichtsfarbe ausgerechnet McLaren für den Besuch im Fahrerlager der Formel 1 auszusuchen, das ist schon ganz feiner Humor. Zak Brown und Andrea Stella können sich noch so viel Papaya anziehen, optisch kann zweifelsohne niemand das Team so gut repräsentieren wie der Ex-Präsident der USA, der gerade wieder wild entschlossen nach der Macht greift.

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Vielleicht stellte sich der Rennstall aus Woking auch deshalb nicht quer, als sich Trump am Sonntag in Miami quasi selbst bei ihnen einlud: "McLaren ist ein unpolitisches Unternehmen, aber wir erkennen das Amt des Präsidenten der Vereinigten Staaten an und respektieren es. Deshalb haben wir die Bitte, unsere Garage am Renntag zu besuchen, gemeinsam mit dem Präsidenten der FIA und den CEOs von Liberty Media und der Formel 1 angenommen", hieß es in einem lauwarmen Statement des Teams.

Obwohl man sich offenbar zu einer Erklärung für den Trump-Auftritt genötigt sah, der natürlich besonders in den Sozialen Medien für viel Aufruhr sorgte, kam McLaren dann auch nicht umhin mitzuteilen: "Wir fühlen uns geehrt, dass McLaren Racing als Repräsentant der Formel 1 ausgewählt wurde."

Nun, andere im Fahrerlager, wie etwa Ex-Formel-1-Pilot und ORF-Experte Alex Wurz, glaubten nach Lokalaugenschein im Miami-Paddock, die große Ehre lag vor allem daran, dass die McLaren-Box schlichtweg am logistisch günstigsten, weil nahegelegensten vom Eingang des Football-Stadions lag, durch das Trump und seine Heerscharen von stark um die Sicherheit des polarisierenden Politikers besorgten Personenschützern die Formel-1-Blase betraten.

Trump-Heimspiel sorgt schon im Vorfeld für Ärger

Dass mit Zak Brown ein Amerikaner Teamboss bei McLaren ist, sicher auch kein schlechtes Argument bei der Wahl der Location für den medienwirksamen Wahlkampfauftritt im Umfeld der gerade in den USA so boomenden Königsklasse: Netflix sei Dank. Wo er die Leute am Ende des Tages abholt, dürfte Trump dabei recht egal sein - nur gut 100 Kilometer von seinem Wohnsitz in Mar-a-Lago entfernt, war das Formel-1-Rennen aber natürlich ein echtes Heimspiel für den passionierten Golfer aus Florida.

Ob Trump Zak Brown hier wohl gerade die Nummer von Stormy Daniels zeigt?

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Schon im Vorfeld hatte es Ärger um Trumps Besuch gegeben: Der reiche Immobilienmakler Steven Witkoff, seines Zeichens ein einflussreicher Geldgeber der Republikaner, hatte den Präsidentschaftskandidaten nicht nur in seine Loge beim Miami-Grand-Prix eingeladen, sondern mit den übrigen Tickets für eben diese auch versucht Wahlkampfspenden für Trump einzusammeln.

Schlappe 250.000 Dollar Eintrittsgeld sollten interessierte Besucher dabei berappen, pro Kopf versteht sich - klar, die Kasse ist aktuell ja auch relativ leergefegt nach diverse kostspieligen Gerichtsurteilen gegen Trump in den vergangenen Wochen und Monaten. Immerhin: Den Organisatoren vor Ort gelang es dieses Vorhaben zu unterbinden. Daran, dass Trumps Auftritt am Ende aber irgendwie doch noch ein Erfolg wurde, konnten auch sie nichts ändern.

Denn ausgerechnet Lando Norris' Premierenerfolg bescherte McLaren-Besucher Trump schlussendlich viel positiv konnotierte Publicity, wie die Schnappschüsse von ihm bei der überschwänglichen Gratulation an den Sieger zeigen. Wie gut Bilder von Formel-1-Stars neben Politikern zumeist altern, kann man sich dieser Tage beispielsweise an den Podiumsfotos der vergangenen Jahre aus Sotschi mit Wladimir Putin anschauen.

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Weitere Formel-1-Videos

Trump jedenfalls ließ am Sonntag keine Zweifel aufkommen, wer Norris den nötigen Goldstaub für sein erstes Mal ganz oben auf dem Podest ins Cockpit gepustet hatte, passt die ganze Geschichte doch viel zu gut in sein seit jeher beliebtes Narrativ des Machers: Er allein muss es gewesen sein, der Norris endlich zum Durchbruch und dem ersten Sieg verhalf!

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"Glücksbringer" Trump: Norris fühlt sich geehrt

"Er meinte, er sei mein Glücksbringer, weil es mein Sieg wurde", erklärt Norris leicht verlegen auf der Pressekonferenz nach dem Rennen und lacht: "Ich weiß nicht, ob er jetzt zu noch mehr Rennen kommt." Dass der selbsternannte Heilsbringer Norris vor dem Grand Prix in Wahrheit gar nicht zu Gesicht bekommen hatte, geschenkt ...

"Ich habe ihn vor dem Rennen ehrlich gesagt nicht gesehen, weil ich mit meinen Rennvorbereitungen beschäftigt war. Aber er hat mich danach gesehen und kam zu mir, um mir zu gratulieren", verrät Norris. "Ich denke, es ist eine Ehre, denn wann immer so jemand da ist, muss es eine Ehre für einen sein, dass er zu dir kommt und sich Zeit in seinem Leben nimmt, um dir Respekt dafür auszudrücken, was du geleistet hast", sagt der Brite.

Trump mit Sieger Norris - im Hintergrund: Die netten Herren vom Secret Service

"Es waren viele coole Leute hier dieses Wochenende. Donald ist jemand, für den man in vielerlei Hinsicht eine Menge Respekt haben muss", so Norris, der außerdem findet: "Für jemanden dieses Kalibers, der anerkennt was du tust und mit welcher Arbeitsethik du Dinge angehst, muss man dankbar sein und das war ich. Ein cooler Moment."

Wirklich, Lando? Ich für meinen Teil fühlte mich bei der nächsten Propagandashow auf US-Boden ja irgendwie mehr an den Super Bowl vergangenen Februar in Las Vegas erinnert, als die Anwesenheit von Musik-Megastar Taylor Swift weit mehr Bohei verursachte, als der Sieg der Kansas City Chiefs von ihrem Footballer-Freund Travis Kelce.

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"Gratulation an Taylor Swift zum Gewinn von Super Bowl 58. Was für eine atemberaubende Performance", hatte Tennis-Star Andy Murray damals so schön passend getwittert - und damit bewiesen, dass es auf der Insel durchaus Sportler gibt, die sich sehr wohl kritisch mit Dingen auseinandersetzen und auch nicht verlegen sind, entsprechend ihren Mund aufzumachen.

Lando Norris sei es im Freudentaumel um seinen langersehnten ersten Grand-Prix-Sieg selbstredend verziehen, aber alteingesessene Formel-1-Fans werden sich trotzdem denken: Was waren das noch für Zeiten, als der Typ mit der roten Kappe, der allen anderen im Fahrerlager die Show stiehlt, Michael Schumacher oder Niki Lauda hieß ...

Euer Frederik Hackbarth

P.S.: Wer letzte Nacht am schlechtesten geschlafen hat, nämlich Daniel Ricciardo, und was das mit dem langsamen Ausbrennen einer Kerze zu tun hat, das hat mein Kollege Christian Nimmervoll in der Schwesterkolumne aufgeschrieben, die ihr hier nachlesen könnt.