• 04. September 2023 · 05:03 Uhr

Wer letzte Nacht am schlechtesten geschlafen hat: Mick Schumacher

Wie es um die Formel-1-Karriere von Mick Schumacher bestellt ist und warum er dank eines Interviews irgendwie trotzdem einer der Gewinner von Monza ist

(Motorsport-Total.com) - Liebe Leserinnen und Leser,

Foto zur News: Wer letzte Nacht am schlechtesten geschlafen hat: Mick Schumacher

Am Telefon: Mick Schumacher mit seiner Managerin Sabine Kehm Zoom Download

bereits vergangene Woche, in der Kolumne über Logan Sargeant nach Zandvoort, habe ich Mick Schumacher thematisch gestreift. Jetzt, eine Woche später, nach dem Grand Prix von Italien 2023 in Monza, zeichnet sich ab: Selbst wenn Williams Sargeant wirklich rausschmeißen sollte, wird Mick das dann freie Cockpit wohl nicht erhalten.

Er scheint also geplatzt zu sein, der deutsche Traum vom neuen Schumacher, der in der Formel 1 gewinnt. Das sieht jetzt offenbar auch Toto Wolff ein, der bis Monza stets freundlich, aber geschickt ausgewichen ist, wenn Reporter versucht haben, ihn konkret auf Micks mögliche Zukunft anzusprechen.

Am Sonntag in Monza sagte der Mercedes-Teamchef erstmals mit einem Hauch von Endgültigkeit: "Es sind irgendwie alle Türen zu." Das sei "schade", denn: "Mick verdient es, in der Formel 1 zu fahren. Aber vielleicht ist einfach der Zeitpunkt ungünstig, dass es keine großen Wechsel gibt."

Und sogar Mick selbst klingt inzwischen so, als könne das Vorhaben, 2024 ein Renncomeback in der Formel 1 zu feiern, scheitern. In einem Interview mit Peter Hardenacke von Sky (Micks wahrscheinlich bisher bestes Interview überhaupt) räumt er ein, dass es ihm zwar nicht gefalle, einen Plan B zu haben, er sich diesen aber inzwischen trotzdem zurechtgelegt habe. Widerwillig.

Was ist Micks Plan B für 2024?

Was der Plan B ist, das verrät Mick nicht. Ob ihn Wolff und Mercedes ein weiteres Jahr ausbilden können, ist unklar. Womöglich braucht man den Platz für einen hauseigenen Junior, den Dänen Frederik Vesti, dessen Titelambitionen in der Formel 2 in Monza einen Rückschlag erlitten haben.

Dass Mick bei Mercedes niemals Rennen fahren wird, das war von Anfang an klar. Jetzt, mit der Verlängerung des Duos Hamilton-Russell bis mindestens Ende 2025, wissen das auch die letzten Optimisten.

Toto Wolff ist der große Gewinner der Saison als Ersatzfahrer. Er hat alles in seiner Macht Stehende versucht, für Mick ein Cockpit zu finden. Das ist ihm für andere Fahrer in der Vergangenheit auch schon gelungen, denken wir etwa an Esteban Ocon.

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Wolff ist jetzt der Mann, der Mick, anders als alle anderen Teamchefs, doch noch eine Chance gegeben hat, als der durch Günther Steiners Kritik bei Netflix mehr als angezählt war. Er hat, so erzählt man sich das, seinem alten Kumpel James Vowles eingeredet, dass Mick der ideale Mann für Williams wäre. Aber wenn nicht einmal Toto Wolff Williams überreden kann, wer dann?

Für Mercedes hat sich die Sache gelohnt. Das Team ist dasjenige, das für Mick die Tür aufgemacht hat, als die Türen überall sonst zu waren. Ohne Mercedes hätte Mick schon 2023 an einen Plan B denken müssen. Das werden viele Fans der Stuttgarter Marke, die ohnehin eng mit dem Namen Schumacher verbunden ist, nicht vergessen.

Wie es mit Mick jetzt weitergeht, ist unklar. Vielleicht ein weiteres Jahr als Testfahrer, von Wolffs Gnaden? Vielleicht eine andere Rennserie? Objektiv betrachtet scheint das, was wir seit Monaten prognostizieren, einzutreten, nämlich dass Mick in Sachen Formel 1 zu sehr verbrannt ist, um auf der Wunschliste vieler Teamchefs ganz oben zu stehen.

Muss Mick selbstständiger werden?

Sabine Kehm ist in den vergangenen zwölf Monaten bei so ziemlich jedem Team vorstellig geworden, das rein theoretisch einen Platz frei haben könnte. Fündig wurde sie nicht.

Vielleicht wäre das (vorläufige?) Ende der Hoffnungen auf ein Comeback ja ein guter Zeitpunkt für Mick, etwas Neues auszuprobieren. Vielleicht muss er sich dafür auch von Kehm und seiner Mutter Corinna emanzipieren.

Mick ist jetzt 24. Max Verstappen war noch keine 21, als Helmut Marko im Sommer 2018 vorschlug, dass es vielleicht eine gute Idee wäre, Papa Jos auch mal zu Hause zu lassen und alleine nach Kanada zu fliegen. Ein goldrichtiger und wichtiger Zug für Verstappens Entwicklung als Rennfahrer, wie die Beteiligten heute, fünf Jahre später, unisono sagen würden.

Kehm ist ein Medienprofi. Sie hat es geschafft, Micks Papa Michael professionell durch seine aktive Karriere zu begleiten und sicherzustellen, dass die "Message-Control" sitzt. Wie sie die Zeit nach Michaels Skiunfall gemeistert hat, verdient allergrößte Anerkennung. Zumal viele Beobachter dabei eins vergessen: Michael ist nicht nur ihr Klient, sondern auch ihr Freund. Und Kehm nicht nur Medienprofi, sondern auch Mensch.

Im Pflichtbewusstsein, für Mick das Gleiche zu leisten wie für Michael, wurde vielleicht eins übersehen: Mick ist nicht Michael.

Das Sky-Interview ist das erste Interview, in dem man das Gefühl hat, dass Mick gestattet wird, das zu sagen, was er wirklich denkt. Erstmals erzählen nicht andere, wie scheiße Günther Steiner zu ihm war, sondern er macht das selbst. Subtil und mit keinem Wort unhöflich oder unpassend, aber so, dass diejenigen, die sich auskennen im Business, genau wissen, was er sagen möchte.

Wie das Image vom "Mick-bot" entstanden ist

Im Bemühen, nur nichts Falsches zu sagen und nur ja nicht anzuecken hat Mick in seinen bisherigen drei Jahren in der Formel 1 meistens gar nichts gesagt. Ein Fehler. So entstand der Eindruck, er sei nicht Manns genug, seine Probleme selbst zu regeln, sondern er schicke andere vor. Kehm zum Beispiel, oder auch seinen Onkel Ralf, oder eine Achse deutscher Mainstreammedien, die ihm mit gut gemeinter Haus- und Hofberichterstattung in Wahrheit keinen Gefallen getan haben.

Im Sky-Interview gewinnt man erstmals den Eindruck: Hey, da ist ja ein junger Mann, der hat eine eigene Meinung. Der kann sich wehren, und der redet nicht nur wie ein Roboter davon, dass er "im Endeffekt wieder was gelernt hat", ganz egal, wie scheiße das auch gewesen sein mag, was ihm gerade widerfahren ist. Ich habe den Eindruck: Zum ersten Mal verrät Mick ein bisschen was davon, was er wirklich denkt. Und das ist gut so!

Mick Schumacher kann stolz auf sich sein. Als er - übrigens gegen den Willen seines Vaters - den Entschluss gefasst hat, Rennfahrer zu werden, hatte er es ein bisschen leichter als andere junge Männer mit dem gleichen Plan. Denn Geld, und das ist nun mal der größte Stolperstein auf dem Weg zur Weltkarriere, war im Hause Schumacher nie ein Problem.

Aber je höher er im Motorsport kletterte, desto mehr musste Mick beweisen, dass er das, was er da tut, auch wirklich kann. Und er kann es. Man wird nicht durch Zufall Meister in der Formel 3 und der Formel 2.

Jetzt hat Mick erstmal Zeit, sich neu zu sortieren. Er hat jetzt eine Freundin, er wird gerade erwachsen. Ich selbst war mit 24 ein unfassbarer Idiot. (Viele würden sagen: Ich bin es heute noch!) Mick ist das nicht. Er ist ein junger Mann, so wohlerzogen und freundlich und aufgeweckt, dass seine Eltern richtig stolz auf ihn sein können. Keine Selbstverständlichkeit unter jungen Rennfahrern. Einige wenige davon sind nämlich auch ziemlich arrogante Kotzbrocken, die von der echten Welt wenig Ahnung haben.

Mick nicht. Gerade deshalb wäre es jetzt an der Zeit, den echten Mick von der Leine zu lassen. Ich bin mir sicher, die Menschen würden ihn viel mehr mögen als den Mick, den sie seit 2021 erlebt haben und der viel zu glatt war, als dass man da noch Ecken und Kanten gefunden hätte. Nicht einmal mit der Lupe.

Warum Mick stolz auf sich sein kann

Selbst wenn Micks Plan, noch einmal in die Formel 1 zurückzukehren, dauerhaft scheitern sollte: Er hat zwei Jahre lang zum erlesenen Kreis der 20 mutmaßlich weltbesten Formelfahrer gehört, allen Unkenrufen zum Trotz.

Und er kann auch außerhalb der Formel 1 eine großartige Karriere hinlegen. Die 24 Stunden von Le Mans, die DTM, das Indy 500: Der Motorsport bietet viele Herausforderungen. An der Formel 1 sind viele gescheitert, die danach Geschichte geschrieben haben. Legenden wie Tom Kristensen wissen das genau.

Mich für meinen Teil würde es freuen, wenn das Kapitel Formel 1 für Mick noch nicht ganz erledigt sein sollte. Er ist einer der Menschen, mit denen ich mich liebend gern mal zwei, drei Stunden für ein Interview hinsetzen würde. Um ihn kennenzulernen, den echten Mick ohne den Kehmschen Schutzschirm, und um ihn den Menschen so zeigen zu können, wie er wirklich ist.

Und es würde mich auch freuen, wenn ich Mick in ein paar Jahren nochmal in dieser Kolumne in die Pfanne hauen kann. Das würde nämlich bedeuten, dass es doch noch geklappt hat mit dem Formel-1-Comeback ...

Ich drücke die Daumen.

Euer Christian Nimmervoll


Hinweis: Es liegt in der Natur der Sache, dass diese Kolumne meine subjektive Wahrnehmung abbildet. Wer anderer Meinung ist, kann das gern mit mir ausdiskutieren, und zwar auf meiner Facebook-Seite "Formel 1 inside mit Christian Nimmervoll". Dort gibt's nicht in erster Linie "breaking News" aus dem Grand-Prix-Zirkus, sondern vor allem streng subjektive und manchmal durchaus bissige Einordnungen der wichtigsten Entwicklungen hinter den Kulissen der Formel 1.

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