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Maurizio Arrivabene wartet seit mehr als einem Jahr auf einen Grand-Prix-Sieg. Jetzt durch die Foto-Highlights des Rennens in Singapur klicken!
Was für eine Leistung! Nico Rosberg liefert in Singapur eine dominante Vorstellung ab und feiert im 15. Rennen 2016 seinen achten Saisonsieg. Außerdem gewinnt er als erster Nicht-Weltmeister das Night-Race - und übernimmt wieder die WM-Führung, acht Punkte vor Lewis Hamilton.
Rosbergs Wochenende beginnt mit einem Crash im Freitagstraining; Hamilton verliert wertvolle Vorbereitungszeit wegen einer defekten Hydraulik. Im Qualifying hängt Rosberg seinen Teamkollegen um 0,7 Sekunden ab. Ricciardo sichert sich P2 - und den Vorteil, auf härteren Reifen starten zu dürfen.
Mit vier Erfolgen ist Sebastian Vettel Rekordsieger in Singapur, eine gebrochene Radaufhängung kostet ihn jedoch das Qualifying: Aus schon in Q1! So nutzt er die Gelegenheit, gleich einen neuen Antrieb für den Rest der Saison in seinen Pool zu ziehen. Denn Letzter ist er sowieso schon.
Für Romain Grosjean ist der Grand Prix von Singapur nach der Aufwärmrunde vorbei. Weil das Brake-by-Wire-System kaputt geht, gibt der Haas-Pilot auf. Am Samstag hatte er noch geschimpft: "Das ist das schlechteste Auto, das ich je gefahren bin!" Technikchef Günther Steiner winkt ab: "Romain wird sich wieder beruhigen."
Auch Nico Hülkenberg hat einen kurzen Arbeitstag: Die Toro Rossos nehmen ihn in die Zange, es kommt zum Crash. "Da kann man keinem die Schuld geben", findet Marc Surer. Hülkenberg ärgert sich: "Wäre ich nicht so gut gestartet, wäre das nicht passiert." Carlos Sainz sieht wegen eines losen Barge-Boards die schwarz-orange Flagge.
Der Start: Rosberg kommt hervorragend weg und behauptet die Pole, Fernando Alonso (5.) gewinnt vier, Kevin Magnussen (10.) und Sergio Perez (12.) sogar fünf Positionen. Max Verstappen hat Riesenglück, als Hülkenberg vor seiner Nase vorbeisegelt, fällt von P4 auf P8 zurück.
Hamilton schnuppert kurz an Ricciardo, muss aber vor der ersten Kurve zurückstecken und bleibt Dritter. Von da an sind die Positionen erst mal bezogen: Nach vier Runden hat Rosberg 2,2 Sekunden Vorsprung auf Ricciardo, der wiederum hängt Hamilton um weitere 2,2 Sekunden ab.
Nach einer Kollision mit Jenson Button (Frontflügel ab am McLaren) humpelt Valtteri Bottas mit Reifenschaden an die Williams-Box. Beim "Unsafe Release" gegen Vettel drückt die Rennleitung ein Auge zu. Später kommt Bottas wegen eines lockeren Sitzgurts nochmal rein - und gibt schließlich ganz auf.
Nach dem Safety-Car-Restart, bei dem Hamilton wieder erfolglos an Ricciardo schnuppert, steht plötzlich ein Streckenposten mitten auf der Fahrbahn! "Kein schönes Gefühl bei Tempo 300", sagt Rosberg. Die Situation geht glimpflich aus. Bereits 2015 ist in Singapur ein Betrunkener auf die Strecke spaziert.
Vettel hält sich am Start zurück und bleibt Letzter, fährt einen langen ersten Stint auf den härtesten Reifen und ist schon guter Sechster, als er in der 24. Runde zum ersten Mal an die Box kommt. Nach dem Wechsel auf Ultrasoft dreht er die schnellsten Runden im Feld. So zieht er sogar an Verstappen vorbei.
Drama bei Mercedes? "Wir müssen mit den Bremsen haushalten", funkt Tony Ross schon in der neunten Runde an Rosberg und schärft nach: "Es ist ernst, Nico." Hamilton hat die gleichen Probleme. Auf das Tempo wirkt sich das nicht aus: Zwischen der neunten und 14. Runde vergrößert Rosberg den Vorsprung von 3,4 auf 7,8 Sekunden.
Emotionsgeladenes Duell: Verstappen jagt im Kampf um P8 Daniil Kwjat vor sich her, den er im Mai aus dem Red-Bull-Cockpit verdrängt hat. Kwjat wehrt sich mit Händen und Füßen und wird aufgefordert, sich auf den vor ihm fahrenden Alonso zu konzentrieren; Verstappen regt sich am Funk auf: "Come on!" Später sagt er: "Hat Spaß gemacht!"
Kimi Räikkönen geht auf der Strecke an Hamilton vorbei und fährt plötzlich auf Podiumskurs, mit dem Undercut beim letzten Boxenstopp holt sich Hamilton den dritten Platz aber zurück. Wie der Ferrari-Strategiecrew das passieren konnte, ist Räikkönen, leicht angesäuert, nach dem Rennen ein Rätsel.
Hamiltons Boxenstopp, um sich gegen ein Safety-Car abzusichern, zieht eine Kettenreaktion nach sich, und so kommt auch Ricciardo noch mal zum Reifenwechsel. Als er an die Box fährt, hat er 2,6 Sekunden Rückstand, beim Rausfahren sind es 29,0. Aber Ricciardo holt in der Out-Lap vier Sekunden auf und zwingt Rosberg so, draußen zu bleiben.
In der In der 49. Runde geht Verstappen endlich an Kwjat vorbei, mit einem Überraschungsmanöver beim Überholen von Sergio Perez. Fünf Runden später greift er sich auch noch Alonso. Am Ende wird der 18-Jährige Sechster, vor Alonso, Perez und Kwjat. Und Magnussen fährt zum zweiten Mal in dieser Saison in die Punkte.
Ricciardos "Feuerwerk" (Toto Wolff) sorgt noch einmal für richtig Drama: Auf der Ziellinie beträgt der Vorsprung von Rosberg nur noch 0,488 Sekunden! Der Mercedes-Star hat Glück, dass er Magnussen in der Schlussrunde nicht mehr überrunden muss. Hamilton bringt Platz drei 2,2 Sekunden vor Räikkönen ins Ziel.
"Nico hat dieses Wochenende einen super Job gemacht. Er verdient diesen Sieg." Ungewöhnlich faire Worte von Hamilton, der seit der Sommerpause noch keinen Grand Prix gewonnen hat. Nach 15 von 21 Rennen steht es im WM-Duell aus seiner Sicht nun 265:273.
(Motorsport-Total.com) - Liebe Leser,
Maurizio Arrivabene hat schon bessere Zeiten erlebt. In Singapur nicht auf dem Podium zu stehen, ist für Ferrari ein Grund, schlecht zu schlafen. Ausgerechnet dort, wo Sebastian Vettel vor genau einem Jahr die bisher letzte Pole und den letzten Sieg für die Scuderia geholt hat. Ferrari hatte gehofft, auch dank der jüngsten Updates, gerade auf dem Stadtkurs vielleicht sogar siegfähig zu sein. Aber davon waren sowohl Vettel als auch Kimi Räikkönen meilenweit entfernt.
Während Vettel mit einer sauber exekutierten Strategie eine tadellose Aufholjagd hinlegte und immerhin noch Fünfter wurde, war Räikkönen nach dem Rennen stinksauer. Als wäre es nicht genug, dass sein Ferrari zu langsam war, um Mercedes und Red Bull auf der Strecke zu schlagen, unterlief seiner Boxencrew ein weiterer Strategiefehler, der ihn gegen Lewis Hamilton den dritten Platz kostete.
Egal ob Speed oder Rennorganisation, Ferrari ist momentan in keinem Bereich so stark, wie man das von einem so finanzstarken Team erwarten würde. Und auch hinter den Kulissen mangelt es an Manpower. Mattia Binotto hat noch nie den Bau eines kompletten Formel-1-Autos verantwortet, und Paddy Lowe wird wenn überhaupt, dann frühestens 2017 kommen. James Allison noch ein Weilchen länger an Bord zu haben, hätte Ferrari gut getan.
Es spricht nicht für Arrivabene, dass er Allisons Abschied in Ungarn noch auf das Schärfste dementiert hat, dieser aber ein paar Tage später offiziell bekannt gegeben wurde.
Für diese kuriose Entwicklung gibt es zwei Erklärungen. Die erste ist, dass es Arrivabene in Wahrheit besser wusste, den Journalisten aber ins Gesicht log. Die zweite (wahrscheinlichere) ist, dass er in Ungarn tatsächlich noch an Allisons Verbleib glaubte, teamintern aber jemand anders entschieden hat. Oberboss Sergio Marchionne zum Beispiel.
Arrivabene wirkt seit Wochen angespannt. Einst als cooler "Marlboro-Man" mit lockeren Sprüchen angetreten, zu allen freundlich (man möge ihn doch "Maurizio" nennen und nicht "Mister Arrivabene"), tritt er Journalisten gegenüber inzwischen mitunter patzig auf. Wer unter Druck steht, gibt den Druck weiter. Das ist menschlich nachvollziehbar, aber letztendlich unprofessionell.
Es passt ins Bild, dass der Ferrari-Teamchef am Samstag beinahe im Gefängnis gelandet wäre. Ein Polizist hat ihn auf offener Straße mit einer Zigarette erwischt - in der blitzsauberen Metropole Singapur ein schweres Vergehen. Letztendlich konnte die Angelegenheit mit 1.000 Dollar Geldstrafe geregelt werden.
Wenn es mit Ferrari nicht bald aufwärts geht, wird Arrivabene bald Geschichte sein. Er wäre nach Marco Mattiacci der zweite Kurzzeit-Teamchef bei den Italienern. Vielleicht braucht es doch wieder einen Briten oder Franzosen, um zurück auf die Überholspur zu finden. Denn mit den Italienern ist Ferrari zwar am authentischsten, aber nicht unbedingt am erfolgreichsten...
Wer sonst noch schlecht geschlafen hat:
Lewis Hamilton: Nico Rosbergs Siege in Spa und Monza konnte Hamilton noch relativ locker wegstecken. Dort war er der schnellere Mann, aber der unglücklichere Dritte beziehungsweise Zweite. Singapur hätte sein Rennen werden sollen. Doch es kam ganz anders. Rosberg deklassierte ihn im Qualifying, und auch im Rennen hatte er nicht den Funken einer Chance auf den Sieg. Dass er zumindest Dritter wurde, hat er dem Unvermögen von Kimi Räikkönens Strategieteam zu verdanken.
Romain Grosjean: Ein Wochenende wie aus einem Albtraum. Kein Wunder, dass Grosjean am Samstag lamentierte, der Haas sei das schlechteste Formel-1-Auto, das er je gefahren ist. Der Franzose ist ein netter Kerl, wenn es gut läuft. Wenn nicht, kann er zu seinem Team ganz schön ruppig sein. In letzter Zeit rückt Esteban Gutierrez immer näher an ihn heran. Sein großer Traum, einmal für Ferrari zu fahren, ist in weite Ferne gerückt.
Bernie Ecclestone: Es war ein Bild mit Symbolkraft: Chase Carey, von Journalisten belagert, trifft sich mit den wichtigsten Teamchefs, begleitet von CVC-Boss Donald Mackenzie. Für Ecclestone interessiert sich dagegen kaum noch jemand. Die Ära des Gebrauchtwagenhändlers in der Formel 1 geht zu Ende. Liberty Media will eine neue Geschäftskultur einführen. Ecclestone darf nur noch interimistisch bleiben - und seine Macht als starker Mann im Paddock beginnt zu bröckeln. Man darf gespannt sein, welche Geschichten ans Licht kommen, wenn er einmal nicht mehr lebt...
Ihr
Christian Nimmervoll
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