Sutil-Kolumne: "Fahre besser als letztes Jahr"

Adrian Sutil berichtet von seinem Heimrennen in Hockenheim, blickt voraus auf Budapest und verrät, wie er im Internet anonym gegen Online-Racer fährt

von Adrian Sutil · 28.07.2010 19:52

(Motorsport-Total.com) - Liebe 'Motorsport-Total.com'-Leser,

Voll konzentriert: Für mein Heimrennen hatte ich mir viel vorgenommen

das war's also, mein Heimrennen! Ich hatte zum Hockenheimring schon immer einen ganz besonderen Bezug. Früher bin ich oft mit meiner Mutter nach Aachen gefahren, um meine Großeltern, Tante, Onkel zu besuchen. In dem Alter, als ich mit dem Kartfahren begonnen habe - ich muss so um die 13 gewesen sein -, sind wir immer am Hockenheimring vorbeigefahren. Ich habe meiner Mutter jedes Mal gesagt, dass wir da unbedingt anhalten müssen, weil ich kurz auf die Tribüne will.

Meistens war das unter der Woche, also gab es keine Rennen. Trotzdem war es ein besonderes Gefühl für mich, mutterseelenalleine auf der Tribüne zu sitzen und die Rennstrecke zu sehen - Gänsehaut einfach! Meine Mutter war meistens dabei und wollte immer nach zehn Minuten weiterfahren, aber wenn es nach mir gegangen wäre, hätte ich stundenlang dort bleiben können. Das war einfach ein Ort, an dem ich mich wohlgefühlt habe. Auf der Tribüne habe ich begonnen, von der Formel 1 zu träumen. Mein Gedanke war: Hier will ich auch unbedingt mal fahren!

Premiere in der Formel Ford

Ein paar Jahre später bin ich dann tatsächlich mein erstes Autorennen auf dem Hockenheimring gefahren. Das war 2002. Am Samstag Formel Ford und am Sonntag Formel BMW - und ich habe beide Rennen gewonnen! Sehr cool! Ob ich damals Gegner hatte, die man heute noch kennt? Hm, nicht wirklich. Neel Jani ist am gleichen Wochenende Formel Renault gefahren, wenn ich mich nicht irre, aber sonst fällt mir keiner ein.

2002 hätte es zwar die alte Waldstrecke noch gegeben, gefahren sind wir damals aber leider nur die Kurzschleife. Ich bin ja selbst nie drauf gefahren, aber die langen Waldgeraden fand ich schon toll - supergut zum Rennfahren, mit den ganzen Windschattenspielchen. Das war ein bisschen wie Spa-Francorchamps mit der langen Kemmel-Gerade. Mir hat die alte Strecke ehrlich gesagt ein bisschen besser gefallen als die neue. Davon abgesehen wäre sie für meinen Force India, der einen sehr guten Topspeed hat, wie maßgeschneidert gewesen...

Mit unserem Catering-Girl Jodie drehte ich im Renntaxi eine Runde

Das Wochenende hat dann aber auch so gut begonnen: Bestzeit am Freitagmorgen, mehr als eine Sekunde Vorsprung auf Felipe und Jenson! Da habe ich schon gehofft, dass das Wetter schlecht bleibt, denn wenn du bei diesen Bedingungen so überlegen Bestzeit fahren kannst, dann muss man sich Regen wünschen! Es ist also super gelaufen, mal wieder im Regen. Da funktioniert es einfach gut mit meinem Team, wir kommen mit schwierigen Bedingungen gut zurecht.

Ich werde manchmal gefragt, was im Regen mein Geheimnis ist. Ich habe keine Geschichten parat wie andere Fahrer, die sich für das Kart keine Regenreifen leisten konnten und daher mit Slicks fahren mussten. Aber so ähnlich war es irgendwie schon, denn wenn es nass war, haben alle anderen immer zusammengepackt. Ich bin geblieben, habe meine Gummistiefel angezogen und bin erst richtig warm geworden. Das hat Spaß gemacht! Mein Bruder Daniel und ich waren da fast immer alleine auf der Bahn. Wir beide waren im Regen dementsprechend auch immer sehr gut.

Aber zurück zum Hockenheimring. Am Freitagnachmittag hatten wir dann eher ein normales Training, wo ich schon gewusst habe, dass es wohl ein bisschen schwieriger wird. Am Samstagmorgen mussten wir das Getriebe wechseln, sodass ich nicht trainieren konnte und auch noch um fünf Plätze zurückversetzt wurde. Das hat sich natürlich auf das Qualifying ausgewirkt. P14 plus fünf war dann P19 - und damit ist das Rennen eigentlich schon vorbestimmt.

Ich habe aber nicht aufgegeben, sondern war eigentlich gut aufgelegt, denn es kann immer was passieren. Aber schon in der ersten Runde hatte ich eine kleine Berührung mit meinem Teamkollegen, der mir hinten leicht reingefahren ist. Ich musste an die Box kommen. Dabei haben meine Mechaniker gleich die Reifen gewechselt - und leider haben sie einen falschen Reifen montiert, sodass ich dreimal Prime und einmal Option drauf hatte. Da wurde zwischen meinen und Tonios Reifen etwas durcheinandergebracht. Sollte nicht passieren, kann aber.

Zumindest alles Pech auf einmal

Obwohl Bridgestone in Hockenheim von Supersoft bis Hard gespreizt hat, ist mir beim Fahren mit einem "gemischten" Reifensatz nichts aufgefallen. Ich denke, das hätte man erst nach ein paar Runden mehr gespürt, aber wir mussten ja gleich wechseln, da das nicht erlaubt ist. Ich bin dann später noch einmal an die Box gekommen und habe Supersoft aufziehen lassen. Damit waren in den letzten 20 Runden ein paar ordentliche Zeiten drin, aber das Rennen war natürlich schon nach der ersten Runde im Eimer.

Einerseits schade vor dem Heimpublikum, andererseits ist es wenigstens da passiert, wo wir schon im Qualifying nicht so gut waren. Wenn wir in Q3 gewesen wären, hätte ich mich über so ein Rennen mehr geärgert. Es gibt glaube ich selbst bei den besten Teams so Wochenenden, wo einfach gar nichts läuft. Das muss man abhaken und nach vorne schauen. Sonst war Hockenheim ein schönes Wochenende mit vielen Bekannten, Gästen und vor allem natürlich vielen deutschen Fans. Das ist von der Stimmung her schon anders als woanders auf der Welt, aber auch vom Stress her, weil man ziemlich viele Termine hat.

Auftakt nach Maß: Im (nassen) ersten Training fuhr ich klare Bestzeit

Weiter geht's schon dieses Wochenende in Ungarn. Das wird sicher nicht einfach für uns, weil wir den angeströmten Diffusor noch nicht haben. Wir werden ihn am Freitag erstmals ausprobieren, aber ich glaube nicht, dass wir ihn auf Anhieb auch im Rennen fahren können. Selbst McLaren konnte das nicht. Der erste Renneinsatz ist bei uns für Spa-Francorchamps geplant. Der Hungaroring erfordert außerdem sehr viel Downforce. Wenn wir da ein paar Punkte mitnehmen können, wäre das schon ein großer Erfolg.

Nach Ungarn stehen dann vier Wochen Sommerpause auf dem Programm. Zwei der vier Wochen ist auch die Fabrik geschlossen, damit die Ingenieure und Mechaniker während der langen Saison einmal durchatmen können. Ich bin ja oft in der Fabrik in Silverstone und kriege mit, wie sehr die Jungs nach dem langen Entwicklungs- und Testwinter und den bisherigen Rennen am Limit sind. Für die ist ein Rennwochenende ja nicht am Sonntagabend vorbei, sondern die sitzen am Montagmorgen schon wieder am Schreibtisch.

Man muss sich das mal vorstellen: Da hast du ein unglaublich stressiges Wochenende, jeden Tag von 8:00 bis 23:00 Uhr an der Strecke, dann fliegst du abends zurück, sitzt am Montag wieder im Büro. Debriefing vorbereiten, Daten auswerten, Meetings, alles für den nächsten Grand Prix richten. Die haben einen der härtesten Jobs, wirklich! Dass du da irgendwann ausbrennst, ist klar - egal ob Ingenieur, Mechaniker oder Fahrer. Ich selbst merk's jetzt auch, dass ich eine Pause brauche, daher freue ich mich sehr auf die paar Wochen im Sommer. Danach sind die Batterien wieder aufgeladen und man hat wieder richtig Freude am Rennfahren.

Ich werde eine Woche in Indien sein, habe dort in der ersten August-Woche einen PR-Auftritt. Dann bin ich eine Woche bei mir in der Schweiz zu Hause und dann plane ich noch vier Tage Urlaub irgendwo in Spanien. Am meisten freue ich mich wirklich auf meine knappe Woche in Oensingen. Das läuft dann eigentlich ab wie bei jedem anderen auch: die Ruhe genießen, alles ein bisschen gemütlicher angehen lassen, abends mal auf der Couch einen guten Film schauen. Und viel in der Natur sein: Ich bin schon ein Naturmensch, genieße da die schöne Schweiz sehr, um Energie zu tanken.

Anonym im Internet gegen Rennfans

Und ich bin natürlich auch ein Autofreak - ich liebe Autos, fahre manchmal einfach in der Schweiz durch die Berge, wenn das Wetter passt. Ich spiele auch gerne Rennsimulationen, auch wenn das in letzter Zeit abgenommen hat, weil ich halt nicht mehr genug Zeit habe. Oft fahre ich online bei rFactor und GTR Evolution, aber natürlich nicht unter meinem richtigen Namen. Die Gegner dort sind wirklich stark! Ich kenne einige Formel-1- und DTM-Fahrer, die bei solchen Games dabei sind, aber man weiß natürlich nicht, wer wer ist...

Ansonsten freut es mich, dass meine Leistungen dieses Jahr auch von außen sehr positiv bewertet werden. Es kommt immer drauf an, was für eine Performance man abliefert - je konstanter, desto besser. Dieses Jahr klappt das einfach gut. Letztes Jahr ging es hoch und runter, auch vom Auto her. Das Wichtigste ist, dass das Auto konstant ist, dann kann man auch selbst konstante Leistungen bringen. Vor allem ist man nicht hinten in dem Schlamassel drin. Ich habe es gerade in Hockenheim erlebt: Hinten will jeder gleich in der ersten Runde zehn Plätze gutmachen und riskiert dementsprechend mehr. Dass es da schneller mal kracht, ist klar.

Bei der Autogrammstunde konnte ich mit vielen Fans kurz plaudern

Weiter vorne wird da im Vergleich schon ein bisschen intelligenter gefahren, denn die Leute wissen, dass sie in einer guten Position sind. In der ersten Kurve gewinnst du halt kein Rennen, daher sind da alle vorsichtiger, hat man das Gefühl. Klar habe ich früher manchmal auch selbst ganz bewusst das Messer zwischen die Zähne genommen - ob du 18. wirst oder 19., das ist ja im Endeffekt völlig egal. Man muss irgendwas probieren, um aufzufallen, was mir ja auch oft gelungen ist, wenn ich in der ersten Runde fünf, sechs Plätze gutgemacht habe.

Ich bereue das nicht, denn hätte ich nie was riskiert, wäre ich konstant 18., 19., 20. geworden und niemand hätte von mir Notiz genommen. Es ist einfach schwierig in einem kleinen Team, egal wie man es dreht. Aber das Team hat sich verbessert und so fällt es mir viel leichter, die Leistungen zu bringen, die ich derzeit bringe. Und so kommt das alles zusammen. Aber ich habe mich auch selbst als Fahrer entwickelt und gesteigert und ich denke, ich fahre dieses Jahr nochmal um eine Ecke besser als letztes Jahr.

Eins liegt mir noch am Herzen: Ich habe gehört, dass der Kartpalast in München schließt. Schade, denn dort habe ich mit dem Kartfahren begonnen, aber irgendwann ist es immer vorbei - und man hat mir gesagt, dass sie woanders eine neue Bahn aufmachen werden. Der Kartpalast war ein tolles Kapitel meiner Jugend, eine wunderschöne Zeit. Mein Bruder und ich haben dort immer mal wieder den Bahnrekord gehalten, auch wenn der offiziell nie protokolliert wurde.

Ich wünsche euch ein spannendes Rennwochenende in Ungarn, wo ich noch einmal alles geben werde, und dann auch eine schöne Sommerpause!

Euer
Adrian Sutil