Martin Brundle: Antonelli kann froh sein, dass er nicht bei Red Bull ist
Andrea Kimi Antonelli kommt nicht aus dem Tief: In Spa gibt es das nächste Wochenende zum Vergessen, der Druck wächst, und doch gibt ihm Mercedes Zeit
(Motorsport-Total.com) - Die Absage von Max Verstappen in Richtung Mercedes für 2026 kommt für Andrea Kimi Antonelli zum richtigen Zeitpunkt. Denn angesichts der aktuellen sportlichen Leistungen hätte Mercedes-Motorsportchef Toto Wolff wohl nur schwer argumentieren können, George Russell, der in der Form seines Lebens ist, vor die Tür zu setzen und den Rookie sich mit Verstappen messen zu lassen.
Denn Antonelli steckt in der Krise. In den letzten sieben Rennen fuhr der 18-Jährige nur ein einziges Mal in die Punkte. In Spa-Francorchamps erlebte der Youngster ein Wochenende zum Vergessen: Er schied in beiden Qualifyings bereits im ersten Abschnitt aus, wurde im Sprint 17. und im Rennen 16. - seine Emotionen konnte man nach dem zweiten schwachen Qualifying sehen.
"Es ist nicht schwer zu erkennen, dass der Druck auf seinen noch sehr jungen Schultern stark zu spüren ist", meint Sky-Experte Martin Brundle und sagt, dass Antonelli Glück habe, dass er bei Mercedes in einem geschützten Umfeld ist und nicht um seine Karriere fürchten muss - wie etwa bei Red Bull. "Aber ich vermute, die Sommerpause könnte für ihn gar nicht früh genug kommen."
Für Brundle kam der Aufstieg in ein Topteam wie Mercedes und in die Rolle als Nachfolger von Lewis Hamilton wohl zu früh: "Ich frage mich immer noch, warum man Kimi nicht - wie damals George Russell - ein, zwei Jahre Zeit gegeben hat, um sich unter weniger Beobachtung zu entwickeln", sagt er und warnt: "Sie dürfen nicht zulassen, dass er mental abdriftet."
Bei Mercedes ist man sich der schwierigen Situation für Antonelli bewusst: "Kimi hatte ein paar harte Wochenenden, aber er bekommt viel Unterstützung von Bono (Renningenieur Peter Bonnington; Anm. d. Red.) und den Ingenieuren auf seiner Seite der Garage", sagt der Leitende Renningenieur Andrew Shovlin.
Das Problem: Das Auto ist mittlerweile deutlich weniger konkurrenzfähig als zu Saisonbeginn, wie man auch an den Ergebnissen von Russell sehen kann, der in den ersten sechs Rennen viermal auf dem Podium stand, seit Imola aber nur einmal. Und das war genau im einzigen Rennen, in dem auch Antonelli gepunktet hat.
Antonelli fehlt Erfahrung und Vertrauen
"Wir haben das schon oft erlebt: Wenn ein Rookie in ein gutes Auto kommt, kann er gleich beeindrucken. Kommt er in ein schwieriges Auto, ist es viel härter, Woche für Woche alles zusammenzubekommen", weiß Shovlin.
Und während Russell auf seine vielen Jahre Formel-1-Erfahrung zurückgreifen kann, um das Maximum aus einem schwierigen Auto herauszuholen, kann Antonelli das nicht. Russell "weiß mittlerweile, wo er dem Auto vertrauen kann und wo nicht. Kimi muss das noch lernen - das Auto gibt ihm dieses Vertrauen nicht von sich aus, er muss es sich erarbeiten", sagt Shovlin.
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Dabei nimmt er das Team in die Pflicht: "Wir müssen das Auto wieder in einen Zustand bringen, in dem es besser funktioniert. Vermutlich ist etwas, das wir am Auto verändert haben, der Auslöser - wir müssen zurück zu einer Basis, bei der alles normaler funktioniert."
An Antonelli zweifelt bei Mercedes aber niemand: "Wir haben bei Kimi genug gesehen, um zu wissen, dass da eine Menge Talent steckt. Und was George hilft, wird auch Kimi helfen - wahrscheinlich sogar noch mehr."
Viel Verkehr im Hinterfeld
Das Rennen am Sonntag beendete der Italiener derweil wieder nur auf einem enttäuschenden 16. Platz. Anders als Lewis Hamilton, der ebenfalls weit hinten gestartet war, konnte er zu Beginn nicht so durchs Feld pflügen und verpasste auch den richtigen Zeitpunkt für den Boxenstopp. Nach seinem Wechsel auf Mediums lag er nur auf Rang 18.
"Wir wollten ein bisschen länger warten, und ich glaube, genau da haben wir einige Positionen verloren", ärgert er sich. Anschließend hing er erst hinter Fernando Alonso fest, den er aber irgendwann überholen konnte, dann hinter Esteban Ocon, sodass sein Rennen nur auf Rang 16 endete.
Die Runden, in denen er freie Fahrt hatte, haben ihm aber mehr Spaß gemacht, wie er sagt, "aber wenn man festhängt, ist das ziemlich frustrierend - man kann den Speed, den man eigentlich hat, einfach nicht zeigen", so Antonelli. "In freier Fahrt konnte ich eine richtig gute Runde setzen, aber sobald ich feststeckte, war ich plötzlich zwei Sekunden langsamer."
Mit großem Flügel wohler gefühlt
Trotzdem sieht er das Rennen als Schritt in die richtige Richtung an. Denn wo ihm zuletzt das Vertrauen fehlte, war das jetzt wieder mehr da: "Mit dem größeren Flügel habe ich mich im Auto wohler gefühlt - vor allem in den Runden, in denen ich alleine unterwegs war, konnte ich mehr rausholen, das Gefühl war gut", lobt er. "Also auf jeden Fall ein Schritt in die richtige Richtung."
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Trotzdem weiß er natürlich, dass er sich das Rennen mit seinen schlechten Qualifyings selbst versaut hat. "Ich sollte einfach gar nicht so weit hinten starten", gibt er zu. "Ich muss am Qualifying arbeiten und wieder mehr Vertrauen ins Auto bekommen, um weiter vorne zu starten. Denn wenn man vorne losfährt, ist es ein ganz anderes Rennen."
"Vorne zu starten ist essenziell - Kanada war dafür der Beweis. Ich muss einfach hart arbeiten und mich aufs Qualifying konzentrieren, damit wir endlich mal das Potenzial zeigen können, das wir haben. Bisher haben wir das Ergebnis nicht geholt, das wir eigentlich verdient hätten - wegen meiner schwachen Qualifyings."