Was wir aus dem Freitagstraining in Imola gelernt haben
Longruns, Reifen & mehr: Das sind die Erkenntnisse aus den beiden Freien Trainings zum Formel-1-Rennen in Imola 2025
(Motorsport-Total.com) - So etwas wie Imola baut heute keiner mehr. Denkt man an legendäre Kurvenkombinationen im Motorsport, kommen einem schnell Maggotts/Becketts in Silverstone oder die Esses mit Übergang in die Degners in Suzuka in den Sinn. Oder die Porsche-Kurven in Le Mans? Der Corkscrew in Laguna Seca? Eau Rouge hinauf nach Raidillon in Spa?
Für meinen Geschmack ist die Abfahrt von Piratella in Richtung Acque Minerali und der anschließende Anstieg zur Variante Alta eine massiv unterschätzte Kombination.
Es wäre schade, Imola aus dem Formel-1-Kalender zu verlieren, aber es käme nicht überraschend - die Strecke wirkt wie aus der Zeit gefallen, zu klein für das Spektakel, das der Grand-Prix-Zirkus im letzten Jahrzehnt geworden ist.
Wären die Autos etwas kleiner, würde das dem Racingerlebnis sicher helfen, aber selbst die Regeländerungen von 2026, bei denen die Fahrzeuge schrumpfen sollen, kratzen kaum an der Oberfläche dessen, was nötig wäre.
Man fährt aus Tosa heraus, tritt aufs Gas, schaltet in den siebten Gang und nähert sich dem Gipfel des Hügels. Bremsen - aber nicht zu stark, nur genug, um die Geschwindigkeit zu reduzieren, und mit einem Zug am linken Paddle schaltet man in den sechsten Gang.
Man geht kurz vom Gas, baut es beim Anpeilen des Scheitelpunkts aber direkt wieder auf. Es ist ein vorsichtiger Vorgang, denn der Auslauf wartet gierig auf jeden, der es übertreibt.
Dann geht es steil hinab. Das Auto trifft den Tiefpunkt, kratzt mit dem Unterboden über den Asphalt, wenn die Dämpfer sich zusammenziehen - und erst nach dem ersten Teil von Acque Minerali wird mit zögerndem linken Fuß gebremst. Dritter Gang, das Auto reagiert, es beginnt den Anstieg zur Variante Alta.
McLaren am Freitag voran
Von den beiden McLaren, die im zweiten Training vorne lagen, war es Oscar Piastri, der die Abfahrt am besten meisterte - aber Lando Norris kam ein wenig schneller aus der Doppel-Rechtskombination Acque Minerali heraus.
Am Ende trennten sie gerade einmal 0,025 Sekunden auf ihren besten Runden auf Pirellis neuer C6-Mischung. Piastri hatte sogar noch Luft nach oben, wäre er besser aus Rivazza herausgekommen und nicht durch Verkehr und Staub eingebremst worden.
In Sachen Topspeed waren die McLaren im Qualifying-Trimm nicht überragend; Pierre Gasly auf Rang drei war in den Beschleunigungszonen sogar schneller. Doch in den Kurven spielte McLaren seine Stärke aus und machte dort die Zeit gut. Hatte man das Mercedes-Triebwerk etwas heruntergedreht?
Möglich - allerdings sagte Norris selbst, er rechne am Samstag mit weniger Vorsprung. Das liegt aber möglicherweise eher an seiner vorsichtigen Art.
"In FT2 sehen wir immer gut aus", so Norris. "Da sehen wir immer viel besser aus als alle anderen. Und dann kommt das Qualifying, und die holen auf. Ich denke nicht, dass wir uns in einer komfortablen Position befinden. Wir haben noch Arbeit vor uns."
"Alpine war schnell. Die waren hier schon immer schnell. Und ich bin mir sicher, dass Red Bull aufholen wird, und Mercedes auch - sobald sie ihre Motoren hochdrehen. Also kein Grund zur Entspannung", so der Brite.
McLaren weiß, wie wichtig ein gutes Qualifying hier ist - sonst droht ein Deja-vu wie in Suzuka, wo man die starke Rennpace nicht in ein gutes Ergebnis ummünzen konnte. Norris nannte Red Bull und Mercedes als die Hauptkonkurrenten, die auf der Suche nach der entscheidenden Ein-Runden-Performance sind, um sich eine vorteilhafte Startposition für Sonntag zu sichern.
Auch wenn George Russell 0,4 Sekunden auf Piastris Bestzeit fehlten, war er damit noch in Schlagdistanz - zumal der Mercedes-Fahrer nur eine Runde auf weichen Reifen fuhr. Und Max Verstappen darf man ohnehin nie abschreiben - auch im Vorjahr war er am Freitag in Imola kaum auf dem Zettel für die Pole, aber die stete Verbesserung bei Red Bull brachte ihn am Ende doch in die erste Startreihe.
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McLaren möchte das Schreckgespenst Suzuka vermeiden, wo das Qualifying alles kostete - aber es gibt einen Aspekt, der die Situation etwas anders macht als damals: die Reifen. Pirelli hat in diesem Jahr den neuen C6 eingeführt, also eine noch weichere Mischung als im Vorjahr.
Das könnte McLaren entgegenkommen, da der Medium-Reifen (der früher der Soft war) hohe Abnutzung zeigt - ideal für Teams, die durch einen Reifen-Offset taktisch agieren wollen. Und darin ist McLaren stark.
Longrun-Analyse: McLaren vorn, Shortruns kaschieren Abbau
Viele Longruns wurden durch Isack Hadjars Ausrutscher in Tamburello unterbrochen. Der Franzose verlor beim Rausbeschleunigen die Kontrolle, fuhr durch das Kiesbett, touchierte leicht die Wand, konnte zunächst weiterfahren - aber beim Versuch, sich wieder aus der Gefahrenzone zu befreien, wühlte er sich fest.
Trotzdem ließen sich einige Longrun-Pläne analysieren - niemand testete allerdings die Haltbarkeit der C6, alle wechselten für die Rennsimulationen auf Mediums.
Die rote Flagge verhinderte es, den Abbau der C5 in einer Rennsimulation genau zu beobachten - doch erste Runden über die Zehn-Runden-Marke zeigten, dass der Zeitverlust spürbar war.
Durchschnittliche Longruns auf Medium in FT2:
McLaren (Piastri) - 1:20.043 Minuten - 8 Runden
Ferrari (Leclerc) - 1:20.189 - 7
Mercedes (Antonelli) - 1:20.271 - 8
Racing Bulls (Hadjar) - 1:20.351 - 7
Williams (Sainz) - 1:20.442 - 7
Red Bull (Verstappen) - 1:20.663 - 10
Alpine (Gasly) - 1:21.007 - 12
Sauber (Hülkenberg) - 1:21.143 - 9
Haas (Bearman) - 1:21.369 - 10
Aston Martin fehlt - längster Run nur 4 Runden
Wenig überraschend führte McLaren die Liste an; Piastri und Norris fuhren sehr ähnliche Zeiten, aber da Piastri eine Runde mehr absolvierte und Norris im Verkehr unterwegs war, wurde der Australier hier als Referenz genommen.
Logisch erscheint, dass Mercedes am Sonntag der größte McLaren-Gegner sein dürfte. Antonelli fuhr konstant niedrige 1:20er-Zeiten, und Russell wäre wohl noch schneller gewesen, hätte er sich nicht hinter Franco Colapinto beim "Überrundungssimulator 2025" wiedergefunden.
Ferrari ist ein Sonderfall: Leclerc war auf seinem kürzeren Longrun stark, mit einigen 1:19er-Zeiten. Hamilton fuhr dagegen bei gleichem Reifenfenster 1:20,723 im Schnitt - ein großes Fenster also für Ferrari. Ähnliches Bild bei den Racing Bulls, die durch Hadjars gute Runden hier glänzen, aber durch den Abflug wenig Konstanz zeigen konnten.
Red Bull fuhr vermutlich mit reduzierter Motorleistung, doch weder im Qualifying- noch im Renntrimm war das Tempo beeindruckend. Yuki Tsunoda war immerhin nah an Verstappen dran - eine Zehntel auf einer Runde, aber im Rennen etwa 0,3 Sekunden pro Runde zurück. Colapinto half Verstappen mit seiner Position auf der Strecke sicher auch nicht weiter ...
Williams zeigte sich solide, womöglich sogar vor Alpine, zumindest auf dem C6. Carlos Sainz und Alexander Albon waren auf dem C5 schnell, verloren aber auf der Runde schnell an Performance. In der Rennpace war Williams konstanter - wobei Sainz' kurzer Stint keine Aussage zum Abbau zulässt.
Gaslys Longrun zeigte den Drop-off hingegen deutlich; er fiel in den letzten Runden konstant in die 1:21er - wobei auch hier Verkehr (und ein streunendes Kaninchen) eine Rolle gespielt haben könnten.
Reifenstrategie: Einstopper besser für Track-Position - aber Zweistopper schneller
Pirelli brachte für Imola die weichsten Mischungen mit der Hoffnung, die Strategie wieder etwas interessanter zu gestalten. Chefingenieur Simone Berra sagt: "Es wird knifflig, denn wir haben diesmal die weichste Auswahl gebracht. Im Vergleich zu letztem Jahr muss man den C5 im Rennen einsetzen, und wenn man nur einen Stopp machen will, muss man den ersten oder letzten Stint signifikant verlängern - je nach Startmischung."
"Die Teams werden es mit einem Einstopp versuchen, weil Track-Position hier entscheidend ist - es gibt nur eine echte Überholmöglichkeit, vor Kurve 2. Aber sie müssen dann mit dem C5 sehr lange durchhalten. Auf dem Papier ist der Zweistopper schneller, selbst bei guter Reifenpflege."
"Die Strategie wird stark von der Rennsituation abhängen, aber beide Varianten sind denkbar. Im Vergleich zum Vorjahr ist das strategisch interessanter - also hoffen wir auf ein abwechslungsreicheres Rennen", so Berra.
Den C5 zu strecken wird schwierig und erfordert frühe Entscheidung zur Strategie. Wer diesen Weg geht, muss deutlich das Tempo drosseln - das öffnet Gegnern hinter ihnen die Möglichkeit zur aggressiven Zweistopp-Variante, mit mehr Tempo und besserer Endphase dank Reifen-Offset.