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Max Verstappen hat sich seinen ersten "echten" Sieg gewünscht, einen, den er nicht wegen einer Mercedes-Kollision erbt wie in Barcelona 2016. Jetzt hat er ihn! Beim 19. und (vorerst?) letzten Grand Prix von Malaysia triumphiert er vor Lewis Hamilton und Daniel Ricciardo. Mit einer "perfekten" Fahrt, wie Experte Martin Brundle attestiert.
Dabei hat sein Wochenende mit einer kuriosen Situation begonnen. Im Samstagstraining kollidiert Verstappen mit Jolyon Palmer, dem er in der letzten Kurve die Tür zuschlägt. "Was für ein Idiot!", schimpft der Renault-Pilot und ätzt: "Völlig unnötig in einem Freien Training."
Nach Singapur das nächste Drama um Sebastian Vettel: Am Samstagmorgen lässt ihn sein Ferrari-Motor im Stich, weshalb ein neues Triebwerk eingebaut werden muss. Das versagt in Q1 wegen eines schadhaften Rohrkrümmers den Dienst. Vettel muss vom letzten Startplatz ins Rennen gehen, ...
... während sein großer Titelrivale Hamilton auf Pole-Position steht! Mercedes kommt nach ernüchternden Trainingsleistungen wie die Jungfrau zum Kind zum ersten Startplatz. In "Abwesenheit" von Vettel sollte eigentlich Kimi Räikkönen die Pole erobern. Der wirft diese aber mit einem Rutscher in der letzten Kurve weg ...
... und kann am Rennen gar nicht erst teilnehmen, weil auch bei ihm der Motor streikt! Als sich das Feld für die Aufwärmrunde in Bewegung setzt, wird der "Iceman" in die Box geschoben. Die Pleiten-, Pech- und Pannenserie bei Ferrari, stellt sich später heraus, könnte Teamchef Maurizio Arrivabene den Job kosten.
Der Start: Ohne Räikkönen als Gegner in der ersten Reihe hat Hamilton leichtes Spiel. Beinahe kommt es sogar zur Mercedes-Doppelführung, ...
... aber Verstappen lässt gegen Valtteri Bottas über mehrere Kurven nicht locker und behält die Nase vorne. Eine vermutlich rennentscheidende Situation.
Pechvogel Vettel (Galgenhumor: "Zumindest haben wir die meisten frischen Reifen") schiebt sich in der ersten Runde von ganz hinten auf P12. Wie vorhergesagt ist das hintere Mittelfeld für ihn nur Kanonenfutter. Glück hat er aber, als er sich an einem Toro Rosso beinahe den Frontflügel abrasiert.
Weniger Glück hat der sensationell auf P6 qualifizierte Esteban Ocon, als er ins Sandwich zwischen Felipe Massa und (ausgerechnet) Teamkollege Sergio Perez gerät. Schon wieder teaminterner Krach bei Force India! Auch wenn Ocon trotz seines frühen Reparaturstopps immerhin noch einen Punkt abstaubt.
Gleich in den ersten Rennen klagt Hamilton: "Lost the de-rate." Sprich: Probleme mit dem Hybridsystem. Verstappen geht in Runde 4 in Führung.
Hamilton sagt später: "Ich hätte mehr dagegenhalten können. Aber er hat nichts zu verlieren - und ich fahre um die WM."
Fünf Runden später legt sich - endlich - auch Daniel Ricciardo Bottas zurecht. Bis dahin sind Verstappen und Bottas schon enteilt. Nach dem Rennen sagt der Australier: Hätte er etwas anders machen können, dann wäre mehr Risiko in der ersten Runde gewesen. Dann hätte er hinter Bottas keine Zeit verloren.
Vettel ist nach zehn Runden schon Neunter. Sein Vorwärtsdrang gerät erst ins Stocken, als er auf die Mercedes-befeuerten Williams und Force India stößt. Letztendlich macht er aber auch mit Perez kurzen Prozess. Bei 30 Sekunden Rückstand scheint zu dem Zeitpunkt (mindestens) das Podium möglich, ...
... doch der Traum vom Sieg platzt hinter Bottas: Vettel findet in der "dirty Air" keinen Weg vorbei, kann den Stint auf den härteren Reifen nicht so lang ausfahren, wie er gerne würde, und wählt den Undercut, um zu überholen. Dabei übersieht er: Der zweite Stint wird für die Supersofts zu lang, um den Speed dauerhaft zu halten.
Eine Williams-Panne der besonderen Art: Weil Massa durch den früheren Boxenstopp "irrtümlich" an Lance Stroll vorbeigeht, tauschen die beiden später die Positionen zurück. Nutznießer davon ist Stoffel Vandoorne, der am Ende Siebter wird und in der WM Fernando Alonso überholt.
Das hart umkämpfte Mittelfeld: Ocon und Carlos Sainz (später Ausfall wegen Hybridproblem) schieben sich für ihre Kollision gegenseitig die Schuld zu. Experte Marc Surer sagt: "Ein Rennunfall."
Und Alonso funkt nach seiner knüppelharten Verteidigung gegen Kevin Magnussen: "Hülkenberg hat recht. Er ist wirklich ein Idiot!" Für den McLaren-Star gibt's diesmal keine Punkte. Für Haas auch nicht.
Auch Palmer wird zum Magnussen-Opfer - und schafft es irgendwie, sich binnen weniger Augenblicke zweimal zu drehen. Der Wind soll daran schuld gewesen sein, rechtfertigt er sich nach dem Rennen. Bei Renault nimmt man es augenrollend zur Kenntnis. 2018 sitzt ohnehin Sainz im Palmer-Cockpit.
Mit einer ganzen Reihe schnellster Runden vernichtet Vettel binnen 15 Runden ebenso viele Sekunden Rückstand auf Ricciardo. Acht Runden vor Schluss ist er dran, aber Alonso steht beim Überholversuch im Weg: "Come on, Alonso!" Es bleibt seine letzte Attacke: In der Folge bauen die Supersofts zu stark ab.
Indes gewinnt Verstappen, der sich außer mit den Reifentemperaturen mit keinem Gegner auseinandersetzen muss, souverän vor Hamilton und Ricciardo. In den letzten zehn Runden kann er sich sogar den Luxus leisten, früher zu schalten. Aus Angst vor einem weiteren Renault-Motorschaden.
Ein bizarres Ende für Vettel: In der Auslaufrunde (!) wird er von Stroll abgeschossen. "Völlig unnötig", findet der Ferrari-Star. Pascal Wehrlein nimmt ihn per Anhalter zurück an die Box mit. Und Ferrari muss zittern, ob das Getriebe durch den überflüssigen Crash beschädigt wurde ...
(Motorsport-Total.com) - So angestrengt er auch versuchte, glücklich aus der Wäsche zu schauen: Zufrieden mit dem zweiten Platz beim Malaysia-Grand-Prix am Sonntag war Mercedes-Ass Lewis Hamilton nicht. Der WM-Spitzenreiter baute zwar seinen Vorsprung auf Sebastian Vettel (Ferrari) in der Gesamtwertung auf 34 Punkte aus. Doch im Lager der Silberpfeile herrschte nach der Zieldurchfahrt Tristesse wegen der klaren Pleite gegen Red Bull: "Ich erkenne heute nichts Positives", stöhnt Sportchef Toto Wolff.
Er weiß: Hamilton war langsamer als Max Verstappen und Daniel Ricciardo, der lange keine freie Bahn hatte und deshalb hinter ihm blieb. Auch Vettel war im Rennen schneller, durch die Aufholjagd aber zu stark gehandicapt, um heranzufahren. Kimi Räikkönen hätte ohne seine Technikpanne vermutlich ein ähnliches Tempo anschlagen können. "Betrachtet man die reale Pace, wären wir Fünfter geworden", bläst Wolff die Backen auf, "und mir geht es immer um die eigenen Pace."
Hamilton trauert mit Blick auf die WM einer verpassten Chance nach: "Wir hätten heute gewinnen sollen", moniert er und rechnet vor, dass die Ferrari 0,8 und die Red Bull 0,5 bis 0,6 Sekunden pro Runde schneller gewesen wären. Dass ihn Verstappen in der Anfangsphase des Rennens überholte, als er Probleme mit dem Wiederaufladen der Batterien seines Hybridantriebs im Funk meldete, sei nicht der Technik geschuldet gewesen: "Ich konnte nicht viel machen. Ich musste die Entscheidung treffen, mich nicht zu verteidigen und nicht zu riskieren, dass er einen Unfall baut", so Hamilton.
Während der Niederländer nichts zu verlieren gehabt hätte, sei es für ihn um das Titelrennen gegangen. Anschließend hätte das Material keine Verfolgungsjagd mehr hergegeben: "Max hat es kontrolliert, uns hat es an Tempo gefehlt", rekapituliert Hamilton, mit dem vorab besprochen worden war, nicht zu viel Gegenwehr zu leisten. "Es ging um Schadensbegrenzung", meint Wolff. "Wir waren einigermaßen optimistisch, den Abstand auf Sebastian zu halten - deshalb mehr Punkte zu machen."
Der W08 offenbarte Probleme, die die Verantwortlichen für überwunden hielten. Auf die Distanz ging vermutlich eine halbe Sekunde im Vergleich zu Ferrari flöten. Hätte Verstappen komfortabel in Führung liegend nicht zurückgedreht, wäre es eine ähnliche Ohrfeige geworden. Wieder brachte Hamilton die Reifen nicht in das Arbeitsfenster - unabhängig davon, welcher Pneu auf den Achsen steckte. "Beide Mischungen haben mir Schwierigkeiten bereitet", sagt er über Supersoft und Soft.
Das bittere Fazit: "An manchen Stellen hat das Auto funktioniert, an anderen nicht. Unsere Probleme sind wieder größer geworden." Das Phänomen hing wie in den Trainings mit den Außentemperaturen und der Sonneneinstrahlung zusammen. Zum Rennen brach die Wolkendecke über Sepang auf, es wurde wärmer und mit der Mercedes-Form ging es wie in Singapur bergab. Wolff erklärt: "Wir müssen verstehen, warum uns hohe Temperaturen solche Schwierigkeiten bereiten."
Das Argument, der Anstellwinkel des Autos (also der Unterschied in der Bodenfreiheit zwischen Vorder- und Hinterachse, der bei Ferrari und Red Bull wesentlich größer ist) wäre die Ursache, lässt der Sportchef nicht gelten. "Es war immer ihre Designphilosophie, wir haben es nie getan - und im vergangenen Jahr 19 Rennen gewonnen. Es gibt von Strecke zu Strecke Unterschiede", so Wolff.
Dass aber in Sepang Silber den Kürzeren zieht, war wegen der langen Geraden nicht zu erwarten. Oft waren in der Hybridära powerlastige Bahnen ein Jagdrevier für Mercedes. "Die Motorenunterschiede sind nicht mehr so groß", merkt Wolff an und findet, dass 2017 das Chassis an Bedeutung gewonnen hätte: "Es geht auch darum, wie das Auto liegt und ob die Reifen überhitzen oder nicht."
Ergo blieb Hamilton gegen Rennende nichts anderes übrig, als sich auf das WM-Duell zu konzentrieren. Verstappen war längst enteilt, als er sich über Funk nur noch über Vettel informieren ließ. "Wir haben uns immer die Unterschiede (in den Rundenzeiten; Anm. d. Red.) und die Abstände angesehen. Zum Schluss haben wir es Lewis auch jede Runde gesagt. Ricciardo hat sich richtig gut gewehrt. Lieber macht Daniel die Punkte als Sebastian", betont Wolff erfreuliche Aspekte, relativiert aber: "Natürlich kann man es punktuell betrachten und sagen, wir hätten den Vorsprung in der Meisterschaft ausgebaut. Aber wir haben durch das Unglück von Kimi und Sebastian aufgeholt."